Auf diese Frage bekommt man aus den Netzwerken gegen häusliche Gewalt eine einfache Antwort: „Ja, wir geben ja zu: Männer können schon mal Opfer häuslicher Gewalt werden. Aber das kommt sehr selten vor. So selten, dass man es nicht besonders hervorzuheben braucht. Wenn aber Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden, dann ist das sehr viel häufiger und der angerichtete Schaden ist auch sehr viel größer". Es wird weiter behauptet, dass wenn eine Frau Gewalt gegen den Mann ausübt, dann nur aus Notwehr. Gewalt einer Frau gegen einen Mann gehört den bundesweit agierenden Netzwerken zufolge ins Kabinett für Kuriositäten. Alle Mittel und jedwede Kraft muss deshalb eingesetzt werden, um weibliche Opfer aus den Klauen eines Täters zu befreien. Jeder Mann sei ja auch ein potentieller Täter, heißt es auch noch, um zu begründen, dass diese Art der weiblichen Opferarbeit wohl solange währen muss, wie es Männer auf Erden gibt.
Eine komische Logik - die sich leider tief in das gesellschaftliche Bewusstsein eingegraben und sich zu einem unheilvollen Stereotyp entwickelt hat. Als vermeintliche Hilfe für ein solch widersinniges Stereotyp haben diese Netzwerke gegen häusliche Gewalt auch eine passende Antwort: Sie wollen aus vermeintlichen Schlägern Lämmer machen und haben auf Grundlage ihrer Sichtweise Programme und Maßnahmen konzipiert, die Männern helfen sollen ihre Wut zu bewältigen.
Familiensystemische Modelle, psychologische Fragen, Persönlichkeitsstörungen, soziale und ökonomische Aspekte, lerntheoretische Hintergründe, Hinweise aus der Hirnforschung und dgl. mehr, werden aber ignoriert und wenn, dann im Kontext häuslicher Gewalt erst recht nicht auf Frauen und Männer gleichermaßen angewandt.
Diese misslichen Umstände machen deutlich, dass von häuslicher Gewalt betroffene männliche Opfer schwere Hürden und Hindernisse überwinden müssen. Sie müssen ihre Betroffenheit als solche erst einmal wahrnehmen. Sie müssen dann versuchen, ihr Anliegen zu artikulieren und mehr noch auf kompetente Helfer treffen. Hilfe wird männlichen Opfer häuslicher Gewalt derzeit überwiegend gar nicht und wenn, dann eher zufällig zuteil. Sie finden nirgendwo Plakate, die Männer mit zerkratztem Gesicht, einer blutenden Wunde oder Blutergüssen zeigen, auf denen dann vielleicht sogar schemenhaft rot lackierte Frauenfinger zu sehen sind. Männern erklärt auch niemand, dass man nicht erst dann Opfer ist, wenn ein Mann Angst vor einer Frau entwickelt hat. Es muss auch nicht erst Blut fließen, um Opfer weiblicher Gewalt zu werden. Gewalt von Frauen gegen Männer hat viele Gesichter und nicht weniger, als es umgekehrt der Fall ist.
Wenn eine Partnerin sein Geld verwaltet und am Ende auch ausgibt, und ihm im Gegenzug vorwirft, mit Geld nicht umgehen zu können, wird er sich gut fühlen? Wenn sie ihm attestiert im Bett nicht richtig zu funktionieren und sie nicht ausreichend zu befriedigen, wird er in seiner Männlichkeit verletzt sein? Wenn eine Frau droht, dem Mann im Schlaf etwas anzutun, wird er in Ruhe schlafen können? Wenn sie ihm prophezeit ihn nach der Trennung fertig zu machen und ihm die Kinder nicht mehr zu geben? Wie wird er sich verhalten? Wenn sie ihm vorrechnet, das ihm nach der Trennung kaum mehr Geld fürs eigene Leben bleiben wird. Was wird er tun? Wenn sie ihm den gemeinsamen Alltag mit Zänkereien und immer wieder kehrenden Vorwürfen madig macht? Wie wird ihn das verändern? Wenn ein Mann das abwertende und herabwürdigende Verhalten seiner Partnerin nicht mehr aushalten kann, was kann er tun, wohin sich wenden? Wenn sie ihm androht, dorthin zu treten, wo es richtig weh tut, dann ist das die Androhung sexueller Gewalt, nicht wahr?
Es liegt nahe zu vermuten, dass Opfer häuslicher Gewalt oft zeitgleich auch Täter sein können. In diesem Fall wird man der Sache noch weniger gerecht, wenn man auf dem überholten Stand der Dinge beharrt und ausschließlich Frauen zu Opfern deklariert.
Therapien laufen in die Irre, wenn man die Komplexität häuslicher Gewalt nicht berücksichtigen will.
Wie kommen Netzwerke gegen häusliche Gewalt zu ihrem einseitig, die Wahrheit verzerrendem Konzept? Sie berufen sich auf Daten angezeigter Fälle der Polizei und auf Zahlen aus Frauenhäusern und lassen andere Studien außen vor. Dabei ist wissenschaftlich feststellbar, dass Frauen sehr häufiger bereit sind, häusliche Gewalt bei der Polizei anzuzeigen, als es betroffene Männer tun. Es ist auch
nachweisbar, dass Frauen und Männer bei Befragungen angeben zu gleichen Teilen Gewalt ausgeübt zu haben. Dass Frauen über Beziehungsprobleme und häusliche Gewalt sehr viel häufiger mit Freunden, Verwandten und potentiellen Helfern reden, als es Männer tun, ist ebenfalls allseits bekannt.
Für Männer gibt es dieses Sicherheitsgefühl gehört zu werden und Hilfe zu bekommen bislang nicht. Es wird für die männliche Opfergruppe auch kein Gemeinschaftsgefühl geschürt, kein Gemeinsinn entwickelt oder gar Geld in die Hand genommen.
Wir müssen aber damit beginnen häusliche Gewalt als den ´Super Gau´ einer Beziehung auf dem Lebenshintergrund zweier Menschen zu verstehen. Wir dürfen häusliche Gewalt nicht länger ausschließlich als den ´Super Gau´ eines Mannes betrachten, der sich gegen eine Frau entlädt und deshalb ausschließlich den Mann irgendwie als behandlungsbedürftig ansehen.
Männern müssen die gleichen Fragen gestellt werden wie Frauen, wenn sie beginnen von Beziehungsproblemen zu sprechen. Häusliche Gewalt gegen Männer beginnt doch nicht erst dort, wo ein Mann Angst vor einer Frau hat, sondern dort, wo jedwedes gewalttätige Verhalten einer Frau persönliches oder professionelles Eingreifen erforderlich macht. Gewalt drückt sich nicht nur handgreiflich aus, sondern auch in Sprache, Mimik und Gestik. Wir müssen Männer ermutigen über die durch Frauen verursachten herabwürdigenden Erfahrungen zu reden, bevor diese sich manifestieren und schwere Formen häuslicher Gewalt hervorbringen. Wir müssen eingreifen, wo wir erleben, dass Frauen Männer herabwürdigen und demütigen. Statt Männern mit Argwohn zu begegnen, sollte Respekt den Umgangston beherrschen.
Die Wahrscheinlichkeit das Frauen im Kontext häuslicher Gewalt viel öfter auch Täter sind, als wir glauben wollen, muss endlich Einlass in unser Denken finden.
Männer dürfen nicht länger die verborgenen Opfer sein. Das sind wir den männlichen Opfern und nicht zuletzt den teilhabenden Kindern schuldig.