Warum Gestalten…

can design change the world inside-out?Warum Gestalten…

Von Global Tools[1] zur gesellschaftlichen Verantwortung

Der Begriff Design ist überpräsent. Trotzdem zeichnet die Disziplin eine große Unentschlossenheit aus, zu definieren, was sie eigentlich ausrichtet. Glaubt man den Worten von Sven Völker, Professor für Kommunikationsdesign an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle, verändert Kommunikationsdesign die Welt nicht allzu sehr. Es rettet sie nicht, und es stürzt sie auch nicht ins Verderben. In seiner 2010 erschienen Publikation ‘Der Welt über die Straße helfen’ ist er der Meinung, dass “Kommunikationsdesign keine Bedrohung und auch kein Segen für die Welt sei, es hilft ihr bestenfalls über die Straße – eine pfadfinderische Tat.” [2]

Aus Gestaltersicht kann Design fast alles – und doch muss sich eine ganze Profession eingestehen, dass sie an den wichtigen Veränderungen der Welt nur geringen Anteil trägt. Dennoch findet das Potential des Entwerfens Anklang: Der Philosoph Peter Sloterdijk z.B. nennt Design “das Zeug zur Macht”, weil es die Menschen mit Kompetenzen ausstattet, mit der Welt zurechtzukommen.

“[...] Die Designer sind zugleich Lieferanten von Spielzeug für letzte Menschen und Erfinder von Werkzeug, das sich in Zukunftswerkstätten bewähren soll.“ [3]

Design hat Potential. Aber in der Realitität ist es eher der Fall, dass Design auf die veränderten Anforderungen der Welt in einem noch viel höheren Maß reagieren müsste, als es der Reflexionsfähigkeit der Designer zurzeit möglich ist. Designerinnen und Designer wirken auf die Welt ein, ohne sich ihr mächtig zu fühlen.

Worüber sprechen wir am Liebsten, wenn es um Design geht?
Über Handwerk: Es geht um Software, Hardware, Schriften, Papiere, die effizientesten Arbeitstechniken. Und mit wem sprechen wir? Meist mit anderen Designern!

Themen wie Ökologie, Klimawandel, Web 2.0, Genderthemen, Alternde Gesellschaft und Globalisierung behandelt man nicht durch den Entwurf neuer Bio-Logos, sondern durch die Zusammenarbeit mit Menschen aus ganz anderen Fachgebieten, aus Technik und Wissenschaft. Wissen und Verstehen spielen deshalb im Design eine immer größere Rolle, vor allem in dieser Verflechtung mit anderen Disziplinen.

Design verändert sich!
Ein Blick auf die heutige Entwurfsproblematiken macht deutlich, daß die kognitiven Anforderungen – das Wissen und Verstehen – an das Entwerfen gestiegen sind. Im Kommunikationsdesign wird das daran deutlich, dass man im Gegensatz zu früher beispielsweise bei der Konzeption einer Lernsoftware, auf themenbezogene Forschung nicht verzichten kann. Wer sich da allein auf seine Innerlichkeit und vermeintliche Kreativität verlässt, scheitert.

Außerdem sieht sich besonders das Kommunikationsdesign mit der Umwälzung seines gesamten Berufsbildes konfrontiert: Amateure drängen dank digitaler Technologie ins Feld – wir können uns ärgern über billige Crowdsourcing-Portale und die das Dumping von Designleistungen – der Markt dafür ist trotzdem da, die Designer, die ihn speisen auch.

Aber auch auf höherem Niveau wird “Wow Design” zu “Wedesign[4]
Sich allein durch den Mythos der Kreativität, der Leidenschaft einer Handwerklichkeit zu definieren, wird also in Zukunft für die Designer problematisch. Sie müssen nicht nur gute Entwerfer sein, sondern ihren Berufszweig im Sinne von veritablen Lebensentwürfen und Geschäftsmodellen neu erfinden – vielleicht stellt das sogar die größte Herausforderung der Zukunft an das Kommunikationsdesign dar.

Der Fokus verschiebt sich von individualistischer Kreativität hin zu gemeinsamen Kreationsprozessen, in denen zwischen den Kulturen und zwischen den Disziplinen vermittelt wird. Ein Beispiel ist der Begriff “Open Design” in dem sich sich Do-it-yourself- und Open Source Elemente mit dem Design vereinigen. Der Designer wird zukünftig immer mehr zum Gestalter von Prozessen und Strukturen, nicht mehr nur von seinen Artefakten. Die Zusammenarbeit mit anderen Kulturen und mit anderen Disziplinen fordert das geradezu heraus.

Design bedeutet folglich heute noch viel mehr als früher Reflexion, Forschung und Wissenschaft, nicht etwa im direkten Vergleich mit anderen Wissenschaften, sondern im Sinne einer Methodik, die komplexe, veränderliche Systeme beschreiben und entwerfen kann.

Was meint Reflektieren?
Der Designtheoretiker Gui Bonsiepe sagt:
Reflektieren meint Distanz schaffen zum eigenen Tun; seine Verflechtungen und Widersprüche, auch gerade gesellschaftlicher Art, thematisieren. Reflektiertes Verhalten ist mit diskursivem Denken gleichzusetzen, ein sich in Sprache manifestierenden Denken. Denken über Fragen wie: Welche Anforderungen stellen die aktuellen politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und gestalterischen Entwicklungen an das Design? Wie sieht eine kritische Haltung vom Design gegenüber solchen Anforderungen aus? Wie verändern sich die Rolle, die Tätigkeit, das Vokabular und die Beiträge des Design? [5]

Wer meint, diese Fragen lösen zu müssen, irrt. Wir müssen sie formen.


[1]1973 kommt es in Mailand zur Gründung der Gruppe ‘Global Tools’, deren Ziel es ist, Gestaltungsprozesse auf die aktive Beteiligung möglichst vieler Personen auszurichten und hierfür konkrete Methoden (auch in der Ausbildung) zu entwickeln (Zitat aus Design&Politik – Texte zur gesellschaftlichen Relevanz gestalterischen Schaffens)

[2]Sven Völker “Der Welt über die Straße helfen”, 2010

[3]Peter Sloterdijk “Der Welt über die Straße helfen”, 2010

[4] „Open design is part of a shift from ‘wow design’ to ‘we design’“ – Tommi Laitio, Open Design Now 2010

[5]Die Dialektik des Entwerfens und der Entwurfsforschung, 2004


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