Warum Geduld super ist

Von Carrie W. @CarrieWi

Geduld ist für mich eine Sache, die mir mehr als fern liegt. Weit, weit weg von mir, irgendwo da ist meine Geduld. Eigentlich. Geduld zu haben definiere ich damit, mit Muße und ohne Probleme auf etwas warten zu können. Und Warten hasse ich. Eigentlich. Ich warte nicht gerne auf das Eintreten eines bestimmten Ereignisses. Ich warte nicht gerne auf Menschen. Nicht gerne ist hier deutlich untertrieben. Ich verabscheue es, auf Menschen zu warten, wohl eher auf Menschen warten zu müssen. Wobei hier das Warten an sich wahrscheinlich nicht mal das Ausschlaggebende ist, sondern viel eher die Tatsache, dass andere Menschen scheinbar überfreizügig über meine Zeit verfügen. Ich mag es nicht. Und dann habe ich irgendwann auf die Suche nach einem passenden Mann für mich gemacht, und auch hier – Geduld: Fehlanzeige.

Ich will alles und zwar sofort

Ich bin schon eine Weile Single. Mal mehr, mal weniger verbissen habe ich versucht, einen Mann zu finden, der zu mir passt. Ich habe Männer kennengelernt, von denen manche mein Interesse geweckt haben, andere wiederum nicht. Wann immer ich auch nur den kleinsten Funken eines Feuers gefangen habe, wollte ich am liebsten alles sofort. Mehr als alles andere wollte ich Klarheit. Klarheit darüber, wie der andere zu mir steht. Ich wollte nicht warten, und versuchen, es selbst herauszufinden. Ich wollte Sicherheit und Bestätigung. Und dann kam ein Mann, der mir alles gegeben hat, und das sofort. Er machte keinen Hehl daraus, dass er mich attraktiv findet. Er wollte sofort unsere Gemeinschaft als Beziehung definieren, hat mich seinen Freunden vorgestellt und zu seinen Nachbarn zum Grillen eingeladen. Und das alles innerhalb kürzester Zeit. Und dann kam der Abend, als ich auf seinem Sofa lag, mich bei einem grausamen Film schlafend stellte, nur um nicht weiter kuscheln zu müssen. Ich bekam Panik. Will ich das überhaupt? Geht mir das nicht eigentlich alles viel zu schnell? Denke ich nur, ich bin auf der Suche nach einer Beziehung, bin aber vielleicht im Moment lieber für mich? Das war das Ende von mir und ihm.

Er braucht Zeit – und ich?

Nun ist Tim da. Tim steckt in einer schwierigen Situation und braucht Zeit. Ich verstehe das. Ich entschließe für mich, dass ich bereit bin, ihm diese Zeit zu geben, und mir geht es tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben gut damit. Gut ohne Einschränkungen. Auf einmal habe ich nicht das Bedürfnis, der Sache so schnell wie möglich einen Stempel aufzusetzen. Ich fühle mich gut damit, viele Gänge zurückzuschalten und abzuwarten, was sich wie entwickelt. Bis dato habe ich mich nicht gefragt, warum das so ist. Und dann, irgendwann, hat es bei mir klick gemacht. Ich fühle mich wohl, Zeit zu geben, weil ich sie im Gegenzug ebenfalls bitter nötig habe. Wie könnte ich auch von jetzt auf gleich aus einem komplett eigenständigen Leben, in dem ich mich nun seit einigen Jahren fleißig übe, quasi mit Arschbombe in dieses Beziehungsding, in dem alles zu zweit ist, stürzen?

Zeitlupe

Gute Dinge brauchen Zeit. Ich verschone euch mit abgedroschenen Beispielen von guten Weinen, die lange reifen mussten. Aber der Gedanke stimmt. Alles was ich in letzter Zeit erlebt habe, war schnelllebig. Schnellebig und oberflächlich. Weder ich noch mein Gegenüber haben sich tatsächlich jemals wirklich Zeit genommen, den anderen kennenzulernen. Und nun… nun läuft alles in Zeitlupe ab. Eine durch äußere Umstände auferlegte Bremse, die mir die Fähigkeit gibt, jedes kleine Detail bewusst wahrzunehmen und zu erleben. Wir haben Zeit, herauszufinden, ob wir uns mögen – wie sehr wir uns mögen. Wir haben Zeit zu genießen, was wir erleben. Zeit gemeinsame Stunden zu genießen, und vor allem Zeit herauszufinden, ob wir einander vermissen. Das Tempo verändert meine Sicht auf die Dinge, die im Moment passieren. Ich kann genießen.

Das Einzige, das mir im Moment Sicherheit gibt, ist die Tatsache, dass Tim ein sehr aufrichtiger Mensch ist. Und diese Sicherheit ist alles, was ich im Moment brauche. Vielleicht musste er kommen, um mir bewusst zu machen, wie super es ist, Geduld zu haben. Und es ist super – definitiv!

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