Männergespräch im Stadion oder im Auto:
"Die Tickets sind schon wieder teurer geworden. Ich mach da bald nicht mehr mit."
"Stimmt. Gilt übrigens auch für Autos. Für einen neuen Polo legst Du heute mindestens sechzehntausend EURO hin. Das sind zweiunddreißigtausend Mark! Für einen Polo!"
"Wir können uns das nicht mehr leisten. In den 70ern war's normal, dass Papa sich einen Neuwagen leisten konnte und am Samstag mit Sohnemann auf die Südtribühne ging. Und heute kostet das soviel wie ein Wochenende im Sauerland. Ich sach nur: Kein Steher für'n Zwanni!"
Ja, früher war alles viel billiger. Stehplatz beim BvB in den 80ern: 10 Mark. An die alten Preise erinnert man sich gut. An die Qualität früher eher nicht.
Wenn man sich auf YouTube mal alte Fussballübertragungen, WM in Mexico oder so, anguckt, fragt sich wie ein Franz Beckenbauer heute so einen Kultstatus haben kann. Der hätte mit seinem Stand von damals heute keine Chance. Die spielten damals, und das galt auch fürs WM-Niveau, die meiste Zeit sowas wie Standfussball. Völlig normal, dass der ballführende Spieler nicht läuft, sondern geht. Und wer nicht am Ball, ging nicht, sondern stand. Das ist kein Vergleich zu den schnellen Spielzügen, die der BvB oder die andere Borussia, deren Name mir jetzt nicht einfällt..., heute hinlegen. Es ist anstrengender und schneller geworden. Die Messlatte liegt deutlich höher. Es ist nachvollziehbar, dass ein Spieler dafür auch mehr Geld verlangt.
Allerdings: Nicht mehr nachvollziehbar finde ich die Philosophie eines Uli Hoeneß. Seine Grundannahme ist immer, dass die Zuschauer internationale Stars sehen wollen. Und zwar auf allen Positionen. Genau darin liegt der Wahnsinn und die finanzielle Übertreibung. Ich behaupte das Gegenteil: Die Leute wollen vielleicht einen oder zwei Internationale sehen. Aber am liebsten feiern sie die, die sich im heimischen Verein nach oben gerackert haben. Wanderstars, die heute hier und morgen dort spielen, braucht es nicht in der gesamten Mannschaftsaufstellung.
Und ähnlich ist das alles mit den Autos. Ich fange mal damit an, dass ein Polo heute so groß ist wie ein 70er Golf. Die Autos sind gewachsen, weil die Menschen gewachsen sind. Und sich zu zweit auf die Hinterbank eines zweitürigen Derby quetschen will heute keiner mehr. Auch die Motorleistung ist gestiegen. Man holt aus zwei Litern Hubraum heute keine 120 PS mehr wie ein Mercedes 190 bei seiner Einführung vor dreißig Jahren. Dazu kommen Umwelt- und Sicherheitstechnik ohne Ende. Und Komfort. Und zwar wurde jedesmal -angefangen beim Sicherheitsgurt- gemosert, dass man das "Nicht braucht": ABS, ESP, Navigation, Einparkpiepser, Einspritzer, Turbo, CD, Funkschlüssel, elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung.
Will heute noch wer ums Auto herumlaufen und alle Türen einzeln abschließen? Jemand hier, der gerne seinen iPod ans Autoradio anschließen würde? Airbags, ABS und Temperatursensor wieder ausbauen lassen? Nee, das will keener.
Die Verbräuche pro Leistung gehen zurück. Allerdings stimmt der Einwand, dass das nicht allgemein für Verbrauchsreduzierungen genutzt wird, sondern Leistungssteigerungen. Inzwischen reichen drei Zylinder für 80 PS ohne dass es ruckelt. Die Hersteller bringen beides auf den Markt und gucken, was die Leute kaufen. Würde einer die starken Motoren freiwillig vom Markt nehmen, würde er dafür belohnt oder kauften die Leute dann woanders?
Und die Unfallzahlen sprechen für sich. In den 80ern, vor der Wendezeit, waren 10.000 Unfalltote in der Bundesrepublik "normal". Man sagte, der Autoverkehr sei ein größeres Problem als AIDS. Heute sind wir mit doppelt so viel Autos bei einem Drittel. Immer noch zuviel, aber stark verbessert. Und diese Entwicklung wird weitergehen. Künftig vesucht das Auto selbst, drohende Unfälle zu erkennen und zu entschärfen. Oder einen nicht mehr zu vermeidenden Unfall zu mindern, wie z.B. die Multikollisionsbremse: Oft kracht ein Auto nach der ersten Kollision auch noch in weitere Hindernisse. Demnächst greifen nach dem ersten Crash grundsätzlich die Bremsen.
Ich frage mich auch manchmal, was würde ein Neuwagen heute kosten, der auf dem Stand der 70er ist, also völlig abgerüstet? Es wäre eine Blechkiste mit Beleuchtung, Hauptsache, sie fährt.
OK, dann bleibt immer noch der Preisunterschied zwischen deutschen und französischen, italienischen, japanischen und koreanischen Autos. Erklärung: Die Südeuropäer senken den Verbrauch mit der Leistung. Die Japaner sparen an den Varianten (keine schlechte Idee) und die Koreaner muss man im Auge behalten.
Was man -wie im Fussball- kritisieren könnte: Man muss nicht allen alles bieten und muss nicht auf jeder Position weltweiter Marktführer sein. Ich (ich persönlich) brauche keinen Gelände-Mini und keinen unten höher gelegten (Trendumkehr!) und oben eingedrückten Crossover. Ich brache auch kein Komfortcoupe als Kombi. Ich verliere da allmählich den Überblick. Diese Variantenvielfalt wird aber tatsächlich nachgefragt. Sicher von anderen Leuten als mir. Und sie ist auch zu geringeren Kosten machbar, als man so denkt. Das ist ein Ergebnis von Plattform- und Baukastenphilosophien.
Mit den Autos ist es wie mit dem Fussball: Wenn wir mal zurückschauen und ehrlich sind, wollen wir nicht zurück in die 70er. Außer vielleicht, was das Design angeht..