Unternehmen unterscheiden gerne zwischen der Fach- und der IT-Seite. Erstere ist im Kontakt mit dem Kunden, kennt die geschäftlichen Anforderungen an das Produkt oder die Dienstleistungen. Letztere unterstützt die Fachprozesse und -Organisation mittels verfügbarer Technologie. Für Berater, die in auf IT fokussierten Projekten unterwegs sind, empfiehlt es sich, auch die zu Grunde liegende Fachlichkeit zu kennen. Im Beitrag erfährst Du, welche Gründe aus meiner Erfahrung für einen fundierten fachlichen Sachverstand sprechen und durch welche Maßnahmen dieser erworben und ausgebaut werden kann.
Technologie nie zum Selbstzweck
IT ist wichtig, keine Frage. Nicht von ungefähr stößt man allerorts auf Begriffe wie Digitale Transformation, Big Data oder Industrie 4.0. Smartphones gibt im Supermarkt, mehr als ein Drittel Deutschen nutzen regelmäßig Facebook, Unternehmen wie Apple und Google dominieren die Wirtschaftspresse. Da passiert es schnell, die eigentliche fachliche Dimension hinter der strahlenden Technologie zu vergessen. Wem dienen die (verstärkt automatisierten) Business-Prozesse, mit welchen Dokumenten und Geschäftsobjekten hantiert die Fachseite? Und überhaupt: welche Fachexperten nutzten die IT aus welchem geschäftlichen Zweck?
Auch wenn ein Berater ganz tief in den technischen Spähren eines Projektes steckt, sollte er sich mit den dahinter liegenden fachlichen Zusammenhängen beschäftigen. Immerhin existieren betriebswirtschaftliche Software, Fachapplikationen, Netzwerke und Firewalls nicht zum Selbstzweck. Meine wichtigsten Gründe die für ein ausgeprägtes Fachwissen sprechen und Fachinformationsquellen in der Praxis gebe ich Dir nachfolgend.
Warum sich Berater mit der Fachlichkeit auseinandersetzen sollten
Obwohl es gerade zu Beginn Mehrarbeit verursacht, sollte sich ein technisch orientierter Berater ebenfalls mit der Fachlichkeit hinter dem Projekt auseinandersetzen. Nachfolgend meine sieben Gründe pro fundiertem Fachwissen.
- Das „Warum“ verstehen: Die Beschäftigung mit fachlichen Aspekten bringt zum Tageslicht, warum das Projekt im Unternehmen eigentlich existiert. Daher: Was sind die kaufmännischen, rechtlichen und fachlichen Beweggründe für die technische und organisatorische Veränderung.
- Für den „echten“ Kunden arbeiten: Sind einem als Berater die realen Nutzer der technischen Lösung bekannt, können viel bessere maßgeschneiderte IT-Lösungen entwickelt werden. Endlich macht der Arbeitstag einen Sinn, da man nun die Situation eines konkreten Fachexperten verbessert und nicht die nur Anforderungen irgendeiner Spezifikation erfüllt.
- Für Folgeaufträge bewerben: Wagt sich der Berater über den Tellerrand der zu entwickelnden IT-Lösung hinaus und begreift die geschäftlichen Zusammenhänge, leistet er sogar einen Mehrwert durch fachliche Fragen und Vorschläge, empfiehlt er sich damit für Folgeprojekte auf der Fachseite. Das muss nicht unbedingt Beratung sein. Auch mit Systemschulungen und Trainings lässt sich gutes Geld verdienen.
- Bessere IT-Lösungen entwicklen: Die passgenauste IT-Lösung für ein Geschäftsproblem lässt sich erst dann entwicklen, wenn einem als Berater das Zusammenspiel zwischen fachlichen und technischen Aspekten bekannt ist. Wie interagiert der Nutzer aktuell und zukünftig mit den Systemen? Was sind die Stärken und Schwächen der alten Technologie?
- Die Stundensätze erhöhen: Unabhängig der Branche, der Region, dem Kunde oder der Aufgabenstellung: In der Regel lassen sich mit fachlichen Beratungsleistungen höhere Tagessätze erzielen als mit technischen. Monetär lohnt es sich also für den Berater, sich fachlich zu qualifizieren.
- Halbwertszeit des Wissens verlängern: Sicher, auch Fachlichkeiten ändern sich. Dies aber sicherlich im Rahmen von Jahren statt Monaten. Anders in der IT-Branche. Im Wochenrhythmus erscheint neue Hardware und Software. Technisches Wissen was gestern top-aktuell war, besitzt heute keinen Wert mehr. Die in die Fachlichkeit investierte Zeit ist die besser angelegte.
- Treiber und nicht Getriebener sein: Insbesondere in großen traditionellen Unternehmen besitzt die IT eine umsetzende, reaktive Rolle. Das Business definiert (und dominiert) die Anforderungen und leitet sie an die Techniktruppen weiter. Da ist es doch besser, als Berater im Fahrersitz zu reisen, eine gestaltende, statt einer ausführenden Rolle einzunehmen.
Wie man in wenigen Wochen zum Fachexperten wird
Es ist unbestritten, dass der Berater in wenigen Projektwochen nicht den fachlichen Wissensvorsprung aufholt, den sich sein interner Kundenkollege innerhalb von Jahren angeeignet hat. Das wäre zu einfach, vielleicht sogar vermessen. Wie also an die Fachlichkeit gelangen? Hier meine Tipps, wie ich Unternehmen in relativ kurzer Zeit in fachlichen Treffen auf Augenhöhe mitdiskutieren kann.
- Interne fachliche Dokumente studieren, z.B. Fachkonzept, Business Spezifikation, Geschäftsanforderungen, etc.. Diese liegen meist in den Projektordnern auf dem Netzlaufwerk. Notfalls den informierten Kollegen Fragen.
- In die am Markt verfügbare Fachliteratur einlesen. Oft gibt es ein Standardwerk das zeigt, wie das Business tickt. Zeitschriften, Podcasts und Filme ergänzen trockene Bücher prima.
- Mit den Fachkollegen sprechen. Nicht notwendigerweise im formalen Rahmen. Auch ein Kaffee, das Mittagessen der Gang zum Getränkeautomaten schafft Raum fürs Fachsimpeln.
- Die „fachliche Brille“ tragen, d.h. seine Umwelt aus Perspektive des Fachexperten betrachten. Welche Fragen, Interessen und Ängste treiben mich in der Rolle des fachlichen Mitarbeiters?
Auch mit wenig Zeit lässt sich fachlichen Wissen gezielt aufbauen. Beispielsweise nehme ich mir jeden Freitag rund 1h Zeit, um geschäftliches Hintergrundwissen zum aktuellen Kunden zu tanken.
Fazit
Je besser ein Berater die Fachseite, ihre Sprache, Prinzipien, Ziele und Randbedingungen kennt, desto genauer kann er auf die Anforderungen mit einer technischen Lösung antworten. Als studierter Informatiker musste ich diese Consulting-Regel erst lernen. Für ein neues IT-Projekt arbeite ich mich daher nicht nur in technische sondern gleichermaßen in fachliche Details ein. Der Mehraufwand zahlt sich aus. Nicht nur für den Kunden, sondern mittelfristig auch für mich als sein Berater.
> Wie stehst Du es mit Deiner Fachlichkeit im Projekt? Ist diese Dir wichtig oder versuchst Du fachliche Aufgaben an Kollegen abzugeben? Gerne ein Kommentar dazu.