Warum es kein Wunder ist, dass der Jakobsweg 2018 einen Pilgerrekord markiert hat

Von Christoph @ChrisErkens

Warum 2018 mehr Menschen pilgern waren & warum dieser Trend den Jakobsweg 2019 begleiten könnte.

Im Januar besuche ich gewohnheitsgemäß die Webseite des Pilgerbüros in Santiago de Compostela, um einen Blick auf die Pilgerstatistiken des letzten Jahres zu werfen. Das habe ich auch 2017 und 2018 schon so gemacht.

Und wie in den vergangenen Jahren, so fand ich auch Anfang 2019 die Info: Der Jakobsweg hat letztes Jahr einen neuen Pilgerrekord aufgestellt: 327.378 Pilger erreichten 2018 Santiago de Compostela.

Das sind ca. 25.000 Pilger mehr als noch im Jahr davor. Auf den Tag runtergerechnet würde dies bedeuten, dass 2018 täglich ca. 68 Pilger mehr vor der beeindruckenden Kathedrale in Santiago ankamen, als in 2017.

Richtig überraschend ist dies nicht, wenn man auch an die steigenden Zahlen der letzten Jahre denkt.

Doch als ich die Tage einmal vom Einkaufen zu Fuß zurück nach Hause spazierte, wurde mir das Warum zu diesem neuen Pilgerrekord plötzlich nochmal in aller Klarheit bewusst:

Weil wir uns immer mehr von unserer ursprünglichen Natur entfernen, und weil der Jakobsweg - im wahrsten Sinne des Wortes - ein Weg zurück in diese Richtung ist."

Was uns im Alltag oft fehlt

Es geht uns gut, wenn wir ehrlich sind, im Großen und Ganzen. Wir müssen nicht hungern und frieren, wir haben ein Dach über dem Kopf.

Doch vielen von uns fehlt Sinn. Sinn bei der Arbeit und Sinn generell.

Wir verbringen zunehmend Zeit am Computer und arbeiten und kommunizieren immer mehr über das Internet. Wir sehen oft nicht mehr direkt, was unsere Arbeit für einen Nutzen hat, da wir immer mehr zu einem kleinen Glied in der Gesamtkette werden.

Vielen von uns fehlt Gemeinschaft und authentisches Zusammensein. Wir leben zunehmend isolierter oder in Kleinfamilien, die wenig Entlastung bekommen. Die (a)sozialen Netzwerke liefern uns schräge Normvorstellungen und in der Masse der Großstadt ist es schwer, die Maske fallen zu lassen. Authentische Kommunikation und gute Vorbilder sind rar geworden. Auch spielt der Glaube und Religion eine immer kleinere Rolle.

Vielen von uns fehlt die Natur. Wir halten uns zunehmend in klimatisierten oder geheizten Räumen auf, oder laufen durch die lauten, engen und anonymen Betonwüsten der Großstädte. Wir bewegen uns immer weniger und verbringen immer mehr Zeit beim Warten auf die Bahn oder im Stau. Wir essen immer mehr Industrieware und immer weniger natürliches.

Hinzu kommt, dass wir so viele Möglichkeiten haben, wie es vielleicht lange nicht mehr der Fall war. Wir können alles selbst wählen: Den Wohnort, den Beruf, den Partner, die Hobbies, die Religion. Doch all das kann unbewusst auch einen Druck erzeugen: Dass wir es selbst schuld wären, wenn wir bei diesen Möglichkeiten nicht jederzeit superglücklich werden.

Und wenn wir uns nun fragen, warum der Jakobsweg immer mehr Anklang findet, dann ist die Antwort ziemlich einfach: Weil er Antworten und Sinn bietet für unsere Fragen und Sehnsüchte."

Warum der Jakobsweg uns erfüllt

Auf dem Jakobsweg bewegen wir uns selbst aktiv und bekommen ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Wir sind in unmittelbarer Natur, unter freiem Himmel und nahe an allen natürlichen Lebewesen, wie Tieren und Pflanzen.

Wir werden zuweilen nass und frieren, schwitzen und kommen an unsere Grenzen, und wissen es wieder zu schätzen, am Abend eine heiße Dusche und ein warmes Essen zu bekommen.

Sofern wir nicht im Hochsommer auf den letzten 100 Kilometern des Camino Francés unterwegs sind, treffen wir auch nur bedingt Menschen. Dies gibt uns die Möglichkeit, einander wirklich zu begegnen. Sei es in einem einfachen Gruß und einem „Buen Camino!", oder bei einem tieferen Gespräch, unterwegs oder abends in der Herberge, wo wir uns trauen, die Maske fallen zu lassen.

Wir haben ein Ziel, die Kathedrale von Santiago, und verlieren uns nicht in Dutzenden Möglichkeiten oder Gedankenspielen, sondern folgen einfach dem gelben Pfeil und dem Muschelzeichen. Das ermöglicht es uns, uns zu entspannen und in den Moment zu kommen, präsent zu werden im Augenblick, da es nicht viel anderes zu tun gibt, außer laufen, essen und schlafen.

Achja, und nun zum eigentlichen Grund, warum wir uns hier zum Lesen versammelt haben: Noch ein paar interessante Eckdaten aus den Pilgerstatistiken 2018, die interessant sein könnten, falls du den Jakobsweg 2019 gehen möchtest.

Der Jakobsweg bei Youtube

Falls du das Video- und Audio-Format magst, kannst du dir die Essenz dieses Artikels, unterlegt mit einigen Dias vom Jakobsweg, auch in diesem Youtube-Video ansehen, das ich gebastelt habe.

Ich fand es eine interessante Abwechslung zum Texten. Falls du dir mehr in dieser Richtung hier wünschst, lass es mich gern wissen in einem kleinen Kommentar am Ende des Artikels oder unter dem Video.

Interessante Erkenntnisse aus den Pilgerstatistiken 2018

-> Es waren erstmals mehr Frauen als Männer unterwegs.

Dass zunehmend mehr Frauen pilgern gehen, hatte sich schon in den letzten Jahren gezeigt. 2018 sind sogar mehr Frauen als Männer in Santiago gezählt worden!

Eine tolle Entwicklung, dass auch immer mehr Frauen sich trauen, den Weg zu gehen. Passend dazu wird in diesem Jahr auch endlich unser langgeplantes eBook mit vielen Interviews mit allein gepilgerten Frauen erscheinen (mehr Infos dazu hier).

-> Der Camino Francés stagniert bei den Pilgerzahlen.

Auch diese Entwicklung hatte sich angekündigt. Nachdem der populäre Camino Francés, den auch Hape Kerkeling damals ging, immer mehr Zulauf bekam, musste irgendwann eine Gegenbewegung starten - und hier ist sie.

Waren es 2017 noch 60% der Pilger, die den Camino Francés wählten, so sank die Zahl 2018 leicht auf knapp 57%. Die Menschen fürchten die Pilgermassen und wählen zunehmend die ebenfalls attraktiven Alternativrouten.

Natürlich ist der Camino Francés aber immer noch mit Abstand der beliebteste aller Jakobswege.

-> Der Camino Portugues liegt im Trend.

Allen voran der Jakobsweg in Portugal erfreut sich stark steigender Beliebtheit. Vor einigen Jahren noch als Geheimtipp gefeiert, wird der Camino Portugues inzwischen nun schon von jedem vierten Pilger gewählt (25%). Im Jahr 2017 lag der Anteil noch bei 22%. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass die Infrastruktur auf dem zugehörigen Küstenweg in Portugal immer besser wird.

-> Der Küstenweg (Camino del Norte) bleibt eine Konstante

Dahinter folgen dann der Küstenweg (Camino del Norte), der sehr konstant ist und in 2018 erneut knapp 6% Pilgeranteil hatte. 19.000 Menschen erreichten Santiago de Compostela in 2018 über diesen Weg. Das sind ca. 1.200 Pilger mehr als im Vorjahr.

Warum spreche ich dann von Konstanz? Der Prozentanteil bleibt gleich, die absolute Pilgerzahl stieg jedoch, wie sie auch bei der Gesamtpilgerzahl 2018 stieg. Aufgrund der übersichtlichen Herbergsdichte kann es daher leider inzwischen auch auf dem Küstenweg immer wieder mal zu Bettknappheiten kommen.

-> Die restlichen Jakobswege

Dahinter kommen der Camino Primitivo (gut 4%), der Camino Ingles (gut 4%) und die Via de la Plata (knapp 3%). Übrigens muss es gar nicht unbedingt Spanien oder Portugal sein: Auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Frankreich gibt es eine ganze Menge an Pilgerwegen, die oftmals direkt vor der Haustüre liegen und zu einer Erfahrung einladen.

Ich wünsche allen Pilgern ein gesundes neues Jahr und buen Camino, und vielleicht sieht man sich mal auf einem der Pilgerwege!

Wirst du 2019 pilgern gehen? Und wenn ja, welchen Weg? Ich bin neugierig und freue mich über einen Kommentar von dir unter diesem Artikel!

Empfehlungen & Tipps zum Weiterlesen: