Warum es bei uns so häufig Kuchen gibt.

Ferien sind nichts für mich. Jedenfalls nicht mit Kindern.

Nachdem ich in den Ferien einmal ausgerastet bin und ungefähr 103 Spielzeugautos gegen die Wand geworfen habe, weil mich alle Kinder so genervt haben, sind die Schulwochen derzeit erstaunlich geschmeidig, wenn man mal von der ersten Woche nach den Osterferien absieht, in der wir alle Anlaufschwierigkeiten hatten.

Alles ändert sich. Im Moment nur zum Guten.

Der Riesensohn glänzt durch Selbstbewusstsein, Keckheit und Gedankengewusel – ich staune täglich, wie sich dieses Kind entwickelt. In den letzten Wochen haben wir über H*tler, Abtre*bu*g, Tr*ns/gender, K*nd*me, AlD.S und andere sexuell übertragbare Krankheiten, über Ehrlichkeit, Vertrauen, Lügen und den dritten Weltkrieg gesprochen, diskutiert und er hat sich Meinungen gebildet.

Maxe lernt Klavier, rettet mit Eifer und Mitgefühl Tausende von Mistkäfern und kommt gerade mit der fünften (!), neu angetretenen Klassenlehrerin und seiner LRS gut zurecht.

Sohni erstaunt durch Witz und forsches Selbstbewusstsein. In einen Brief an seine vorherige Lehrerin (den alle Kinder aus seiner Klasse schreiben sollten) hat er geschrieben: „Ich wette mir dir, dass ich der einzige bin, der drei Blätter beschrieben hat!“

Fazit: Die Kinder werden groß.

Warum es bei uns so häufig Kuchen gibt:

Und wenn ich daran denke, wie viel Bauchschmerzen und Kummer uns die Schule bereits gemacht hat, bin ich mehr als dankbar, dass es zurzeit recht gut läuft mit der Schule. Vielleicht liegt es auch an unserem Kuchengeheimnis, das das Ergebnis eines Gespräches war, das ich führte, um den Notendruck zu verringern.

„Ich finde es völlig, ok, wenn du eine 3 schreibst, lieber Sohn“, erklärte ich den Kindern. „Eine 3 ist ‚befriedigend‘. Damit kann man zufrieden sein. Wenn man eine 1 oder 2 hat – hey, das ist was Besonderes! Das kann man feiern und sich freuen und ich backe einen Kuchen! Und auch 4er und 5er finde ich nicht schlimm. Dann weiß man halt: ‚Oh! Da muss ich mehr lernen!‘ Schlimm finde ich nur, wenn ihr euch nicht anstrengt. Wenn man sich anstrengt und es klappt nicht, dann ist das halt so. Wenn man sich nicht anstrengt und bekommt eine 4 oder 5, dann finde ich das doof. Schule ist euer Job und ich will, dass ihr ihn so gut macht, wie ihr könnt.“

Ich finde meine Rede gut und schaue in die Runde. Ein Augenpaar voller Tränen schaut mich vorwurfsvoll an. Die Unterlippe zittert.

„Heißt das…“, das Kind kann kaum sprechen vor lauter Kummer. Ich bin im Schock. Was habe ich getan?

„Heißt das, dass eine 3 keine gute Note ist?“ Tränen, Lippenzittern, das Kind würgt die Worte mühsam hervor.

Ich widerspreche energisch: „Doch natürlich! Gerade eben das wollte ich sagen! Eine 3 ist doch prima!“

„Aber“, das Kind schluckt und ringt um weitere Worte, „aber du hast eben gesagt, es gibt nur Kuchen für 2en oder 1en.“

„Ja“, erwidere ich erschöpft, „das feiern wir dann. Aber wichtig ist doch: Noten sagen echt wenig aus über das, was ihr später im Leben machen könnt. Ich will euch ermutigen, nicht so sehr auf die Noten zu schielen!“

Das Kind weint nun endgültig.

Ich füge hinzu: „Du denkst, eine 3 ist keine gute Note, weil ich dann keinen Kuchen backe? Schatz, eine 3 ist doch ganz normal! Ich freue mich!“

„Aber es gibt keinen Kuchen!“

Ich blicke in die Runde und sehe drei vorwurfsvolle, ja sogar anklagende Augenpaare.

„Ich soll Kuchen backen für eine 3??“

Drei Kinderköpfe nicken.

Und seitdem backe ich Kuchen, jede Woche drei bis viermal.


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