geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen
" data-orig-size="200,200" sizes="(max-width: 200px) 100vw, 200px" aperture="aperture" />diskriminierend?Klagen auf Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung kommen bei den Arbeitsgerichten oft vor. Dabei geht fast immer um das Bewerbungsverfahren und zwar entweder um die Stellenausschreibung oder um der Verfahren an sich. Mittlerweile ist dies auch bei vielen Arbeitgebern bekannt (Stichwort: AGG-Hopping). Nur bei ernsthafter Bewerbung ist eine Entschädigung denkbar.
Benachteiligungsverbot
Nach § 1 des AGG ist es Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.Trotzdem kann es manchmal vorkommen, dass eine Stellenausschreibung zunächst benachteiligend ist oder keine Diskriminierung vorliegt, wenn es nämlich für die „Benachteiligung“ einen sachlichen Grund gibt.
Sachlicher Grund für die Benachteiligung?
Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
Entschädigung bei Diskriminierung
Liegt aber eine Diskriminierung vor (also, wenn es für die Benachteiligung keinen sachlichen Grund gibt), dann kann der Betroffene eine Entschädigung verlangen und diese beim Arbeitsgericht einklagen.
Nach § 15 Abs. 2 AGG kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
Fall des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit folgendem Fall zu beschäftigen:
Ein Bewerber hatte sich im Juni 2017 ohne Erfolg bei einer Privatschule in Bayern erfolglos beworben. Die Schule hatte nämlich eine Stelle als Lehrer mit
„Fachlehrerin Sport (w)“ ausgeschrieben.
Benachteiligung wegen seines männlichen Geschlechts
Der Bewerber meinte, dass er aufgrund seines männlichen Geschlechts benachteiligt wurde und verlangt von der Schule eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
Grund für die Ungleichbehandlung- „Schamgefühl der Schülerinnen“
Die Schule widerum trug im Verfahren vor dem Arbeitsgericht vor, dass die Nichtberücksichtigung des Bewerbers im Stellenbesetzungsverfahren nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig gewesen sei. Es gab einen sachlichen Grund, nämlich dass das Schamgefühl von Schülerinnen beeinträchtigt werden könnte, wenn es bei Hilfestellungen im nach Geschlechtern getrennt durchgeführten Sportunterricht zu Berührungen der Schülerinnen durch männliche Sportlehrkräfte komme bzw. diese die Umkleideräume betreten müssten, um dort für Ordnung zu sorgen.
Klage des Bewerbers erfolgreich beim BAG
Die Vorinstanzen haben die Klage des Bewerbers abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Entscheidung des BAG führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. Dezember 2019 – 8 AZR 2/19) führt dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 48/19 vom 19.12.2019 aus:
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts kann nach § 8 Abs. 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung nur zulässig sein, wenn es um den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung geht und ein geschlechtsbezogenes Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte nicht den Vorgaben des AGG und des Unionsrechts entsprechend dargetan, dass für die streitgegenständliche Stelle ein geschlechtsbezogenes Merkmal eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG ist. Über die Höhe der Entschädigung konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden.
Anmerkung:
Die Entscheidung des BAG ist richtig. Ansonsten dürfte es an gemischten Schulen nur noch Sportlerinnen geben. Und was wäre dann mit dem „Schamgefühl“ der männlichen Schüler?
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht