Heute bin ich auf einen interessanten Artikel gestoßen, der auch mich zum Nachdenken anregte: Warum wird eigentlich Barack Obama als "Schwarzer", "Farbiger", "Afro-Amerikaner", usw. angesehen? Ebenso Colin Powell? Es gäbe da noch viele Beispiele aus den USA, oder aus Deutschland Beispiele von Deutschen, die aus binationalen Ehen hervorgegangen sind, doch irgendwie von vielen immer noch anders gesehen werden, als andere Deutsche, sofern sie einen türkischen Namensteil tragen. Selbst wenn sie nur einen Großvater aus der Türkei hatten, also zu dreiviertel "deutsches Blut" in sich tragen.
Diese "Afro-Amerikaner" werden übrigens nicht nur von den "weißen" Amerikanern so gesehen, sie werden nicht selten auch von den afro-amerikanischen Mitbürgern so gesehen, und ebenso bezeichnen sich viele recht hellhäutige Afro-Amerikaner selber als "Schwarz", als "Black", selbst wenn sie nicht viel anders aussehen wie Süditaliener
Ich muss zugeben, dass ich diese Zuschreibung "schwarz", "farbig", "afro-amerikanisch" auch oft mitmache, obwohl ich mich schon vor Jahren fragte, warum manche, die so gar nicht "afrikanisch" aussehen, immer noch als "schwarz" bezeichnet werden und wurden. Zum Beispiel Alicia Keys, die ich nie als "schwarze Musikerin" gesehen habe, bis eines Tages eine Moderation davon sprach.
Ein Ausschnitt des Blogbeitrages:
Obama und Berry haben weiße Mütter, und Powell ist, dank seiner schottischen Vorfahren, hellhäutiger als ein Schwabinger Schickimicki mit Zehnerkarte fürs Bräunungsstudio. Wieso sehen wir sie als "schwarz", obwohl sie ebenso gut "weiß" sind? Weil wir auch im 21. Jahrhundert noch Rangordnungen der ethnischen Zurodnung in unseren Köpfen haben, die dem Europiden den obersten Platz zuteilt und alle andere "Rassen" als minderwertig = kontaminierend empfindet.
Interessant im obigen Blogbeitrag sind auch die Kommentare - die ich mir normalerweise kaum durchlese, da sie nur selten konstruktiver Natur sind. Weiter im Blogpost:
Und ja, diese Vorstellung, dass schon ein Tropfen "geringerer" Rassen eine Kontaminierung des weißen Blutes darstelle, ist nach dem, was James Sidanius , Psychologieprofessor an der -Universität, gemeinsam mit seiner Kollegin , dem Doktoranden Arnold K. Ho sowie Mahzarin Banaji von der -Universität in Nashville (Tennessee) herausfanden, auch heute noch weit verbreitet. Daniel T. Levin Vanderbilt
Lest bitte den Artikel in den obigen Link weiter.
Weitere Information über das Phänomen, dass schon wenige Prozent "vererbter Ethnie" ausreichen, um aus der privilegierten Gruppe ausgeschlossen zu werden, siehe in diesem englischen Wikipedia-Eintrag: Hypodescent.
Nun, bei Kindern hierzulande aus binationalen Ehen (erste Anlaufstelle für praktische Infos wäre die IAF) - zum Beispiel deutsch-türkische "Mischlings"-Kinder - kommt eher weniger die Stigmatisierung oder die Zuschreibung zur als minderwertig angesehenen Gruppe als bei den sogenannten "gemischten" Afro-Amerikanern zum Tragen, denn man sieht ihnen vielfach einfach gar nicht an, dass sie halb oder viertel, usw. türkischer Abstammung sind. Sie sehen nicht anders aus, wie Markus Söder, oder den verkappten Uiguren Günther Beckstein... ;-)
Dieses ändert sich aber in dem Moment, wo sie einen türkischen Namensbestandteil haben, sei es einen Nachnamen, oder einen Vornamen. Wer jemals mit deutsch-türkischen Mischlingen persönlichen Kontakt hatte, vor allem diejenigen, die einen türkischen Namen tragen, der kennt unzählige Geschichten, wo oft die Zuschreibung zur türkischen Gruppe stattfand, obwohl eigentlich die Chance 50:50 % bestand, dass man mit gleichem Recht jemanden als zur deutschen Gruppe zugerechnet hätte können. (Im Grunde ist diese Zuschreibung natürlich großer Quatsch, zeigt aber einmal mehr, wie sehr noch die Vorstellung der Einteilung in Gruppen oder Ethnien nach "dem Blute" in Deutschland verankert ist. Siehe auch hier, wo ich im 2. Teil des Posts den Kulturbegriff erläuterte, der heute jedoch gegenüber einen Kulturalismus als Neorassismus immer mehr ins Hintertreffen in den öffentlichen Debatten und der Praxis auf der Strasse gerät.)
Wer kennt aus diesen Mischlingskreisen nicht die Sätze "Ach, du bist Türke?", nachdem man seinen Namen nannte?
Nun reagieren natürlich nicht alle Deutschen in dieser Weise, dass muss man sich immer bewusst machen, auch wenn die Deutschtürken natürlich in ihrer selektiven Wahrnehmung eher die Negativerlebnisse im Gedächtnis behalten. Oft wird auf die ethnische Herkunft, ob nun halb türkisch, viertel, oder zur Gänze, gar nicht näher eingegangen. Mal, weil es tatsächlich für den Gesprächspartner nicht die geringste Rolle spielt, oft aber auch, weil dieser seine Gedanken dem Deutschtürken nicht offenbart. Dieses erfährt man gegebenenfalls eher hintenrum, dass im Bekanntenkreis, unter Kollegen dann herauskommt, dass man als "der Türke" durch eben diesen Gesprächspartner zugeordnet wird.
Dazu passt auch wunderbar dieser Artikel der FAZ:
Was sagt Mehmet Scholl zu Sarrazin?
Die Antwort ist: nichts. Die meisten Deutschen mit türkischer Familiengeschichte beteiligen sich an der Integrationsdebatte nicht. Sie sind schon integriert, fühlen sich aber als Minderheit.
(...)
Alle fühlten sich zum Mitreden berufen. Alle? Nicht alle! Es gibt ein gallisches Dorf, das die Ausnahme bildet. Es wird bewohnt von sogenannten Mehmet-Scholl-Türken. Diese sind meist junge Leute mit Migrationshintergrund, haben fast keinerlei Bezug zu ihrer ursprünglichen Herkunft und sprechen die Sprache, die ihr Name suggeriert, nur schlecht oder gar nicht. So wie Mehmet Scholl eben. Warum aber hört man von diesem Teil der Bevölkerung in dem ganzen Getöse um Integration eigentlich nichts? Warum sitzen sie nicht bei Anne Will auf dem Sofa?
(...)
Für einen Mehmet-Scholl-Türken stellt sich nicht die Frage, ob Merkel oder Erdogan, Deutschland oder die Türkei, sondern VfB Stuttgart oder Werder Bremen, Riester-Rente oder Bausparvertrag. Sie haben zwar irgendwo im Regal auch ein verstaubtes Grundgesetz herumliegen, viel eher aber googeln sie den Bußgeldkatalog der Straßenverkehrsordnung. Kurzum:Mehmet-Scholl-Türken sind nicht selten deutscher als die Deutschen.
„Mehmet Scholl ist ja aber kein richtiger Türke", mögen die Kritiker jetzt entgegnen. „Du bist ja eine Ausnahme" ist ein Satz, den jeder Mehmet-Scholl-Türke nur zu gut kennt. (...)
(Bildquellen: Wikimedia Commons und
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