Warum Du sicher kein Materialist bist

Von Lukas Röthlisberger @Adekagabwa

„Bei Harley kaufen sie ein Lebensgefühl und bekommen noch kostenlos ein Motorrad dazu.“

Die Werbung weiß es schon lange: kein Mensche gibt sein sauer verdientes Geld für banale irdische Dinge aus – wir wollen immer Gefühle und Werte kaufen, denn wir sind keine materiellen Wesen, sondern soziale und spirituelle.

  1. Die Armbanduhr: Nur um die Zeit abzulesen, kann man sich ein kostenloses Werbegeschenk um den Arm binden. Aber man möchte eben mehr: Anerkennung (Rolex) oder Zugehörigkeit (Swatch).
  2. Die Handtasche: Um die Sachen mitzunehmen, würde eine Plastiktüte reichen. Aber man möchte etwas immaterielles: Schönheit oder Attraktivität.
  3. Das Auto: Um von A nach B zu kommen, würde eine alte Occasion reichen. Aber man will eben „neu beginnen“ (Volvo 2015) oder „unendlich schöne Freude“ (= BMW Werbung).
  4. Die Wohnung: Um warm und geschützt zu sein, genügt eine kleine Etagenwohnung. Aber die Menschen wollen „Raum“ und „Stil“, „Luxus“ und „Aussicht“ (alles nicht Materiell)
  5. Das Essen: Um satt zu werden, genügen ein Grießbrei oder Kartoffeln. Aber man will ein Geschmackserlebnis oder Geselligkeit.
  6. Bücher: Wir wollen nicht einfach ein Buch, sondern ein bestimmtes – und kaufen damit Unterhaltung oder Wissen, Anregung oder Erkenntnis.

Was auch immer wir kaufen, wir kaufen eigentlich etwas anderes. Etwas geistiges, einen Wert oder eine Hoffnung. Dass heute so viele Dinge weggeworfen werden liegt hauptsächlich daran, dass wir den Wert, den wir erwartet haben, nicht bekamen. Die schönen neuen Schuhe gaben uns nicht die erhoffte Anerkennung (oder das gute Laufgefühl) – wir stecken sie in die Schuhsammlung. Oft verbraucht sich auch der Wert, den wir gekauft haben, viel schneller als das Gerät selber. So ist die Bewunderung, die wir mit dem neusten iPhone gekauft haben, viel schneller dahin, als das Gerät selber.

Übung 1: Jeder ist von gekauften Dingen umgeben. Welcher immaterielle Wert, welcher zum Kauf verlockt hat, steckt hinter jedem einzelnen Objekt? Falls es Dir schwer fällt, überlege Dir, weshalb die anderen Leute diese Dinge kaufen. Bei den Anderen sieht man es oft besser.

Übung 2: Immaterielle Werte sind nie an ein Objekt gebunden. Es macht Spaß darüber nachzudenken, wie man denselben Wert – ohne etwas zu kaufen – erleben könnte.


Geld und Geist / 47cm x 65cm / Acryl und Stoffcollage auf Zeichenpapier / 2014, Nr. 14-039

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