Warum die Freiheit für Rosa Luxemburg nicht die Freiheit der Andersdenkenden war

Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg, RLS flickr.com

Im Januar 1919 wurde die erste Vorsitzende der KPD von rechten Freikorps ermordet. Als Kämpferin für einen vermeintlich echten Sozialismus mit demokratischem Antlitz gilt sie bis heute als positive Integrationsfigur der demokratischen Linken. Dabei war sie alles andere als demokratisch und ihr berühmtes Diktum von der Freiheit als der Freiheit der Andersdenkenden gar nicht so liberal gemeint, wie es sich heute anhört.

Schon kurz nach ihrer Ermordung am 15. Januar 1919 durch rechte Freikorpsgruppen, kurz nachdem sie zur Vorsitzende der gerade gegründeten Kommunistischen Partei gewählt worden war, wurde Rosa Luxemburg zum Mythos, zur „Märtyrerin“ für die gute linke Sache.
Ihre Beerdigung am 13. Januar 1919 geriet zu einer beeindruckenden Massendemonstration, zu der sogar Eintrittskarten ausgegeben wurden. Bis heute ist ihr Grab in Berlin Pilgerstätte für die sozialistische Linke. Am zweiten Sonntag des Jahres ziehen Tausende Linke ritualmäßig zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin- Friedrichsfelde, um das Grab von Rosa Luxemburg standesgemäß mit roten Nelken zu schmücken.

Revolutionärin und Agitatorin

Die selbstbewusste linke Intellektuelle, in Polen geboren und seit 1898 deutsche Staatsbürgerin, die in der SPD v.a. durch ihre publizistischen Aktivitäten schnell zur führenden Theoretikerin des linken Parteiflügels avancierte, die kompromisslos den Klassenkampf propagierte, die ungewöhnlich starke eigenständige Frau, die entgegen der Konventionen ihrer Zeit nie heiratete, war Lebzeiten stets umstritten und von allen Seiten angefeindet. Ihr ganzes Leben befand sie sich im Widerstand und saß viele Jahre im Gefängnis.

Freiheit nur im Sozialismus

Rosa Luxemburg war im heutigen Sprachjargon eine Linksradikale. Sie trat für die Diktatur des Proletariats ein, die in ihrem Verständnis die adäquate Form der sozialistischen Demokratie darstellte. Die linke Revolutionärin war aber im Gegensatz zu anderen wichtigen linksradikalen Theoretikern wie Lenin so vielschichtig, dass mit ihrem Namen auch immer wieder linke Dogmatik bekämpft wurde. Das liegt insbesondere an ihrem berühmten, zu Tode zitierten Satz: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ aus ihrer unvollendeten Schrift „Die Russische Revolution“ aus dem Herbst 1918, als sie die Regierungspraxis der Bolschewisten in Russland kritisierte.

Rosa Luxemburg Grab

Rosa Luxemburg ist an der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde begraben, PPCC Antifa, flickr.com

Das große Missverständnis

Der Satz war ein zentraler Schlachtruf der DDR-Opposition im Wendeherbst 1989 und wird inzwischen gerne auch von liberalen Zeitgenossen zitiert, um Toleranz und Pluralismus zu demonstrieren. Ein fatales Missverständnis!
Denn mit ihren berühmter Parole sprach sie keineswegs einer liberalen Demokratie das Wort, in der sich unterschiedliche Weltauffassungen in einem Wettbewerb befinden und die Wähler mehrheitlich über den Regierungsrichtung entscheiden können.

Nein, ihr Satz bezog nicht die Bürgerlichen oder andere Gegner des Sozialismus mit ein, diese „Andersdenkenden“ waren als Konterrevolutionäre klar zu bekämpfen und zu besiegen, die politische Freiheit bezog sich nur auf Andersdenkende innerhalb des eigenen revolutionären, sozialistischen Lager. Der Freiheitssatz wurde in einem revolutionären Zusammenhang und mit unmissverständlicher Zielsetzung formuliert, nämlich mit dem Ziel einer sozialistischen Revolution, einer „Diktatur des Proletariats„.

Kritik an den Bolschewisten
Der Satz richtete sich konkret kritisch an die bolschewistische Regierungsweise in Russland – die Machtübernahme der Bolschwisten unter Führung von Lenin begrüßte sie prinzipiell und deren revolutionäre Tatkraft feierte sie. Sie kritisierte die Bolschewiki für ihre mangelhafte demokratische Praxis. Die Menschen sollten ihrer Meinung nach auf ihrem Weg in die sozialistische Gesellschaft erzogen werden, aber eben auch ihre eigenen Erfahrungen machen. Freiheit in einer „sozialistischen Demokratie“ waren für sie notwendige und wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche revolutionäre Entwicklung.

Die Freiheit war damit für sie immer nur die Freiheit der Sozialisten.

Literatur u.a:
Helmut Hirsch, Rosa Luxemburg, Kindle Edition 2016.

Warum die Freiheit für Rosa Luxemburg nicht die Freiheit der Andersdenkenden war

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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