Die "PM", "Policia Militar" auf deutsch "Militärpolizei" ist im Alltag der Brasilianer allgegenwärtig. Sie sorgt für Ordnung in militärischer Gesinnung und hat dies in der Vergangenheit und auch heute oft brutal und ganz im Sinne der besitzenden Klasse und der Militärs getan. Ihre Massaker an vermeintlichen kriminellen Brasilianern ziehen eine blutige Spur durch die jüngste Vergangenheit.
Warum sorgt in diesem Land nun ausgerechnet eine Militärpolizei für Ordnung?
Jair Krischke ist Menschenrechtsaktivist in Südamerika. Er gründete 1979 die Bewegung für Recht und Menschenrechte (Movimento de Justiça e Direitos Humanos) in Rio Grande do Sul, die wichtigste Nichtregierungsorganisation für Menschenrechte in Südbrasilien. In einem Interview für das Internet-Portal "racismoambiental" erklärt er die Gründe, warum es eine den Alltag beherrschende Militärpolizei in Brasilien gibt. Die Zusammenfassung des Interviews gebe ich hiermit wieder:
"Der demokratische brasilianische Staat führt Praktiken aus der Zeit der Militärdiktatur weiter. Darunter hebt sich heraus die Militarisierung der Polizei durch ein Gesetz der Diktatur von 1969. Die Militärpolizei ist also eine Erfindung der Diktatur. Das Gesetz besagt, dass die Militärpolizei eine Hilfskraft und Reserve für das Militär ist. In der bürgerlichen Verfassung von 1988 wurde das Diktatur-Gesetz Wort für Wort übernommen und die Militärpolizei weiterhin als Hilfskraft und Reserve für das Militär bezeichnet. Eine weitere Praktik, die sich erhalten hat, sind Ausdrücke, die von der Polizei verwendet werden wie "Widerstand gegen die Staatsgewalt", um die Tötung von Zivilisten zu begründen. In der Zeit der Diktatur wurde dieses Rechtsargumenent "Widerstand gegen die Staatsgewalt" geschaffen, um die Morde, die von der Militärpolizei begangen wurden, rechtfertigen zu können. Dieser Rechtfertigungsgrund wird weiterhin von unserer Militärpolizei, einer Polizei, die weltweit die meisten Menschen umbringt, benutzt. Durch die Unterordnung der Militärpolizei unter das Militär, gilt für sie auch die Militärdoktrin des Feindes, den man zu bekämpfen und unschädlich zu machen hat. So denkt das Militär, das hat aber nichts mit der Polizei zu tun. "
Jair Krischke setzt sich auch mit dem in Brasilien weit verbreiteten Unmut über die politischen Parteien auseinander: " Diese Verdrossenheit über die politischen Parteien ist sehr gefährlich, denn wer keine politische Partei will, der votiert für Diktatur. Auch wenn uns die politischen Parteien nicht repräsentieren, so gibt es doch einige Alternativen: Entweder wir gründen eine neue wirksame Repräsentationsform oder wir reformieren die politischen Parteien, weil die Verschlechterung des politischen Parteilebens ebenfalls eine Erbschaft aus der Diktatur ist. Es gibt wenige Sachen im Leben, die mich erschrecken, aber wenn ich die Massenbewegungen ohne erkennbare Führerschaft sehe, dann bin ich besorgt, weil politische Vorschläge auch ideologische Begründungen haben müssen. Innerhalb einer Ideologie wird dies oder auch anderes vorgeschlagen. Was ich sehe, das ist ein großes Durcheinander und die Tatsache, dass es keine Führerschaft gibt besorgt mich, weil plötzlich ein Führer erscheinen wird, in der Regel als Retter des Vaterlandes und das ist dann der Punkt, an dem die großen Tragödien der Menschheit beginnen."
Siehe auch:
Die Gewaltexplosion von Bahia und der brasilianische Karneval
Brasilianer trauen ihrer Polizei nicht
Informationsquelle
“A Polícia Militar é uma invenção da ditadura”. Entrevista especial com Jair Krischke