Ende letzten Jahres erreichte uns wieder einmal die Hiobsbotschaft, daß Fitness Tracker im Großen und Ganzen für den Müll sind. Es war ein ausführlicher Test, dieses Mal durchgeführt von der Stiftung Warentest, der zu diesem Ergebnis kam. Doch hat uns dieses Fazit nur wenig überrascht.
Warum? Weil in den letzten Jahren viele solcher Produktanalysen angestellt wurden, praktisch alle zum selben oben genannten Ergebniss kamen und dabei immer wieder die selben Fehler gemacht wurden.
Doch bevor wir näher erläutern, warum für uns solche Tests nur wenig Aussagekraft haben und nach unserer Meinung von falschen Anforderungen ausgehen, wollen wir uns die wichtigsten Kritikpunkte der Stiftung Warentest näher ansehen.
Welche Produkte wurden getestet
Insgesamt wurden 12 verschiedene Fitness Tracker getestet
Fitness Armbänder mit Herzfrequenzmessung über einen Brustgurt
- Garmin Vivosmart
- Polar Loop
Fitness Armbänder mit integrierter Herzfrequenzmessung am Handgelenk
- Fitbit Charge HR
- Jawbone Up 3
- Mio Fuse
- Samsung Gear Fit
Fitness Armbänder ohne Herzfrequenzmessung
- Fitbit Flex
- Garmin Vivofit
- Jawbone Up 2
- Medisana Vifit connect
- Sony Smartband
- Xiaomi Mi Band
Garmin Vivosmart HR war beim Test leider nicht dabei
Da die einzelnen Modelle im Zeitraum von Juli bis September 2015 gekauft wurden, konnte der inzwischen sehr beliebte Garmin Vivosmart HR nicht berücksichtigt werden. Warum man jedoch den Polar Loop und nicht das Nachfolgemodell Polar Loop 2 ( seit 16.08.2015 erhältlich) und statt dem Sony Smartband 2 das ältere Sony Smartband SWR 10 testete, bleibt uns ein Rätsel.
Ebenso können wir nicht nachvollziehen, warum manche Premiummodelle wie der Fitbit Surge oder Garmin Vivoactive in diesem Test nicht berücksichtigt wurden.
Auch die Tatsache, daß sechs einfache Aktivitätstracker, vier Fitness Armbänder mit integrierter Pulsmessung und zwei Fitness Tracker mit Brustgurtmessung verglichen werden, hinterlässt bei uns den Eindruck eines „Äpfel mit Birnen“ -Vergleichs.
Schritte und Distanz nur halbwegs brauchbar
Die Zählung der täglich gemachten Schritte und die dabei zurückgelegte Distanz gehört zu den Kernfunktionen eines Fitness Trackers. Die Verbraucherschützer bemängeln dabei die Qualität der aufgezeichneten Daten. Bei den besten Fitness Armbänder scheint die Schrittzählung durchaus brauchbare Ergebnisse zu liefern, doch die Distanzmessung hat offenbar bei Keinem der Modelle zufriedenstellend funktioniert.
Unsere Meinung: Eine präzise Messung der Distanz aufgrund der gemachten Schritte ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Aufgrund biometrischer Daten wie Alter Geschlecht und vorallem Größe wird eine durchschnittliche Schrittlänge ( statistische Mittelwerte ) als Berechnungsgrundlage herangezogen. Schon alleine aus diesem Grund, können Distanzangaben nur Annäherungswerte sein.
Die Qualität der gemessenen Daten kann bei einigen Geräten, wie zum Beispiel dem Garmin Charge HR, durch die Eingabe der individuellen Schrittlänge noch verbessert werden. Dies scheint aber der Stiftung Warentest entgangen zu sein, da bei genannten Modell das Fehlen einer solchen Eingabemöglichkeit kritisiert wurde
Eine weitere Möglichkeit ist auf Fitness Armbänder mit GPS zurück zu greifen. In diesem Zusammenhang ist der bereits oben genannte Garmin Vivoactive nochmals zu erwähnen, der aber leider im Test nicht berücksichtigt wurde.
Warum es keine Rolle spielt, ob Dein Fitness Tracker Deine Schritte oder die dabei zurückgelegte Distanz nicht genau misst, erklären wir gleich.
Kalorienverbrauch nicht eindeutig
Besonders für Menschen, die mehr Bewegung machen möchten um abzunehmen, ist der Kalorienrechner am Fitness Tracker eine der wichtigsten Funktionen. In diesem Zusammenhang kritisiert Stiftung Warentest die ebenfalls nur sehr ungenauen und auch nicht eindeutigen Messergebnisse.
Konkret wird beanstandet, daß nicht klar ist, ob bei den Angaben, die verbrannten Kalorien MIT oder OHNE Grundumsatz gemeint sind
Unsere Meinung: Betreffend der Berechnung des Kalorienverbrauchs gilt Ähnliches wie bei der Distanzmessung. Präzise Angaben zu den verbrannten Kalorien sind schon alleine aufgrund der Ausgangssituation nicht möglich.
Zur Ermittlung sind wiederum biometrische Daten wie Alter, Geschlecht und Gewicht notwendig, auf deren Grundlage und unter Zuhilfenahme verschiedener Durchschnittswerte der Grundumsatz berechnet wird. Für diese Berechnung gibt es aktuell drei verschiedene anerkannte Formeln, die jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Um den tatsächlichen Kalorienverbrauch bei einer Aktivität oder beim Sport zu messen, bedient man sich wiederum am Metabolischen Äquivalent, dessen Basis jedoch der Grundumsatz ist.
Einfacher formuliert – Auch Angaben über den Kalorienverbrauch können zwangsläufig nur ein Annäherungwert sein. Es ist nun mal nicht möglich mit einem kleinen Fitness Tracker eine aufwändige Spiroergometrie durchzuführen.
Wir stimmen aber der Stiftung Warentest zu, daß es schwierig ist herauszufinden, ob bei den Angaben über den Kalorienverbrauch, die verschiedenen Geräte den Grundumsatz berücksichtigen oder nicht. (Herausforderung angenommen – wir werden versuchen herauszufinden, wie die einzelnen Hersteller den Kalorienverbrauch berechnen und angeben )
Weshalb es völlig egal ist, ob Dein Stoffwechsel auf die Kalorie genau gemessen wird, erklären wir gleich.
Herzfrequenzmessung nicht vertrauenswürdig
Fitness Tracker mit Pulsmessung sind besonders beliebt und die führenden Hersteller haben inzwischen alle entsprechende Modelle auf den Markt gebracht. Dabei werden beide Messmethoden, also mit Brustgurt oder am Handgelenk angeboten.
Da man sich bei der integrierten Herzfrequenzmessung das Tragen eines Brustgurtes im Alltag oder beim Sport erspart und damit wesentlich bequemer ist, findet diese Messmethode besonderen Anklang und Interesse. Stiftung Warentest ist aber aufgrund der ungenaue Messergebnisse mit der Pulsmessung am Handgelenk besonders unzufrieden.
Unsere Meinung: Natürlich ist die Herzfrequenzmessung mittels Brustgurt deutlich präziser. Der Sensor ist stabil und mit guten Körperkontakt in Herznähe angebracht. Schon alleine deshalb muss diese Messung deutlich genauere Daten liefern als jede andere Messvariante. Abgesehen davon wurde die Brustgurtmessung bereits in den 1970er entwickelt und ist daher besonders ausgereift.
Doch wer will schon wirklich den gesamten Tag einen Brustgurt tragen? Und wie ungenau ist die integrierte Pulsmessung wirklich?
Diese Frage hat sich Joachim von navigation-professionell.de auch gestellt und dazu intensiv recherchiert. In seinem Beitrag zu optischen Herzfrequenzmessung stellt er eine beeindruckende Studie von Epson vor, in der die Messungen von einem EKG, einem Brustgurt, einer Epson SF 810 und einer weiteren Sportuhr mit integrierter Pulsmessung verglichen werden.
Das Ergebniss war mehr als überraschend. Natürlich lieferte das EKG den Referenzwert. Die Herzfrequenz wurde durch den Brustgurt mit einer Genauigkeit von 95,3%, von der Epson mit 95% und von der Sportuhr mit 93,3% ermittelt. Wenn man die Epson aus Gründen der Objektivität nicht berücksichtigt, ist die Messung mit einem Brustgurt nur um 2% besser als die integrierte Pulsmessung.
Ohne Zweifel hat die optische Herzfrequenzmessung noch genug Potenzial zur Verbesserung. Und ambitionierte Sportler sollten weiterhin auf die Pulsmessung mit Brustgurt vertrauen. Doch der Freizeitsportler, der aus Freude an der Bewegung regelmäßig trainiert, kann nach unserer Meinung ohne weitere Bedenken auch die integrierte Herzfrequenzmessung verwenden. Ein um 2% schlechteres Messergebnis liegt im Bereich des Erträglichen.
Warum es egal ist, ob Dein Fitness Tracker genau misst
Die Kernfunktion eines Fitness Trackers ist die Aufzeichnung Deiner täglichen Aktivitäten. Die dazu gesammelten Daten werden graphisch aufbereitet und Dir über eine App oder ein Dashboard zur weiteren Ansicht bereitgestellt. Über Tagesziele, Benefits oder Duelle sollst Du dazu motiviert werden, mehr Bewegung zu machen , aktiver zu werden und damit Dein eigenes Wohlbefinden zu steigern und Deine Gesundheit zu fördern.
Trotz aller Weiterentwicklungen und neuen Funktionen hat sich an der eigentlichen Aufgabe eines Fitness Armbandes nichts geändert. Der kleine treue Begleiter an Deinem Handgelenk soll Dich täglich motivierten und Dir Deine Fortschritte zeigen.
Eine kurze Geschichte von 300 fehlenden Schritten
Stell Dir dazu folgende Situation vor. Bisher warst Du ein richtiger Couchpotatoe. Die längste Distanz, die Du täglich gegangen bist, waren die paar Meter zwischen Deiner Wohnungstür und dem parkenden Auto.
Eines Tages jedoch beschließt Du, Deinen Lebensstil zu ändern und möchtest täglich 10.000 Schritte gehen. Du erledigst alle Deine Wege zu Fuß und findest sogar Zeit, ein bis zwei Mal in der Woche einen ausgedehnten Spaziergang zu unternehmen.
Und überall ist Dein Fitness Tracker dabei. In den ersten Wochen schaffst Du täglich 4.000 – 5.000 Schritte, einige Zeit später sind es dann schon 7.000 und irgendwann schaffst Du die magischen 10.000. Du freust Dich, Du bist stolz auf Dich und genießt Deinen neuen aktiveren Lebensstil.
Kurze Zeit später findest Du jedoch heraus, daß Dein Fitness Tracker Deine Schritte nicht präzise zählt und Du tatsächlich nicht 10.000 sondern nur 9.700 Schritte täglich machst. Was jetzt?! War die ganze Mühe umsonst?!
Nein, ganz und gar nicht. Es spielt überhaupt keine Rolle, daß Dein Fitness Tracker nicht genau gemessen hat oder Du nun 300 Schritte mehr oder weniger gemacht hast. Viel wichtiger ist, daß Du Deinen Lebensstil grundlegend geändert hast. Und Dein Fitness Armband hat Dir dabei gezeigt, daß Du täglich Deinem Ziel näher kommst. Ein Fitness Tracker ist kein Präzisionsmessgerät sondern Dein Erfolgstagebuch.
Falsch und trotzdem richtig
Zum Abschluss eine zugegeben etwas provokante Überlegung.
Wenn ein Fitness Tracker immer um rund 5 % weniger Schritte oder um 10% mehr Kalorien zählt. Wenn ein Fitness Armband immer um circa 7% die Distanz kürzer angibt oder sich um rund 10 Herzschläge verzählt – Du aber aufgrund dieser Messwerte Deine Tagesaktivitäten kontinuierlich steigerst – Deine Essgewohnheiten änderst und an Gewicht verlierst – oder Du eifrig trainierst und Deine Zeit beim Laufen deutlich verbesserst.
Sind dann diese Messwerte noch immer falsch und unnütz, oder doch irgendwie richtig und helfen weiter.
Fazit
Natürlich gibt es am Markt immer wieder Modelle von schlechtester Qualität, deren gemessene Daten jegliche Präzision vermissen lassen. Doch die Produkte der führenden Hersteller, so wie sie auch auf unserer Website zu finden sind, funktionieren zuverlässig und liefern vertrauenswürdige Daten.
Oben angeführter Test der Stiftung Warentest und viele andere Produktvergleiche der letzten Jahre vermitteln jedoch den Eindruck, daß Fitness Tracker mobile sportmedizinische Labore sein müssten, die Daten und Analysen in höchster Qualität und Genauigkeit liefern. Und ja, es sind auch die Hersteller selbst, die durch Ihre Art der Werbung dazu beitragen, daß die Erwartungen oft viel zu hoch sind.
Doch lässt man den gesunden Menschenverstand arbeiten, und ruft sich in Erinnerung wie technisch aufwändig ein ein einfaches Elektrokardiogramm ist, dann sollte recht rasch klar sein, daß solche Erwartungen völlig unberechtigt und technisch weder heute noch in naher Zukunft umsetzbar sind.
Daher zum Abschluss nochmals in aller Klarheit
Ein Fitness Tracker ist kein Präzisionsmessgerät. Ein Fitness Tracker zeigt Dir über Annäherungswerte ob und in welchem Ausmaß Du in Deinen alltäglichen und sportlichen Aktivitäten Dich steigerst und Fortschritte machst.
In diesem Sinne wünschen wir Dir viel Gesundheit, Fitness und eine ordentliche Portion Wohlfühlen.