Was spricht eigentlich gegen Grillen im Winter? Der Grill steht schließlich auf Stelzen und ragt aus dem Schnee heraus, Essen kann man auch in Winterjacke und um kalte Getränke braucht sich niemand mehr zu kümmern. Kein Schweiß, keine Wespen, kein Gerangel um den besten Grillplatz. Und doch wird sich die Winter-Grill-Variante wohl nie durchsetzen. Deshalb blicken wir schonmal voraus in Richtung Sommer. Die Ausgangslage ist fast immer die selbe: Gutes Wetter, Hunger, Durst, Lust auf Geselligkeit und ein funktionierender Grill. Doch in der Herangehensweise an das Grillen kann man erhebliche Unterschiede feststellen. Die Menschen, die sich Abends um das bruzzelnde Grillgut versammeln sind alles andere als ein homogener Haufen Grillfreaks. Wenn die Sonne dem Horizont entgegendriftet kommen sie zusammen. Eine kleine und nur begrenzt ernstzunehmende Typologie vom Grillplatz soll 5 Grilltypen und ihre Verhaltensweisen erklären.
Der Spontane
Torben findet sich ziemlich spontan. Er kommt Abends von der Uni nach Hause und checkt erstmal wer gerade seinen Facebook Status aktualisiert hat. Kündigt irgendwer gerade eine Grill-Party an, schreibt er keck was drunter und fragt indirekt ob er nicht auch kommen könnte – die Antwort wartet er gar nicht erst ab, denn er ist bereits auf dem Weg zum Discounter. Die zwei Weißwürste für 45 Cent – wegen abgelaufenem Haltbarkeitsdatum um die Hälfte reduziert – sind für ihn gerade richtig. Als Torben beim geselligen Grillen eintrifft sind bereits alle am Essen. Das stört ihn gar nicht, denn nun hat er den Grill für sich alleine und doppelt so viele Röstaromen an seiner abgelaufenen Grillwurst wie alle anderen. Torben kommt als letztes, gehört aber auch zu der Gruppe Menschen, die man am Ende der Grillerei nur schwer wieder los wird.
Der mittellose Grill-Gourmet
Peter studiert Skandinavistik, lebt von BAföG und seinem Job als Kellner und ist immer furchtbar knapp bei Kasse. Seine heimischen 12 Quadratmeter gleichen einer Gefängniszelle, außer Bett und Schreibtisch stehen dort nur ein paar leere Flaschen Mineralwasser. Doch halt, in Peters WG Küche stehen die wahren Schätze des offiziell so mitellosen Studenten. Teures Olivenöl aus der Toskana teilt sich mit edler Vanille aus Haiti und Thai-Basilikum das liebevoll angerichtete Bast-Körbchen. Peter ist ein Gourmet – das soll beim Grillen jeder erfahren. Deshalb legt er sein Fleisch stest selbst ein, mit extra viel Knoblauch, sodass auch wirklich jeder Grillgast einmal fragt woher denn der intensiv bis beißende Geruch kommt. „Ich leg meine Sachen immer selbst ein, schmeckt viel aromatischer als diese langweiligen Fertigsachen,“ sagt Peter und lacht ein wenig selbstherrlich. Alle anderen verdrehen die Augen und sind doch ein wenig neidisch. Peter lässt andere nämlich gerne an seinem Hochgenuss teilhaben, deshalb muss man sich letztlich eingestehen, dass Peter tatsächlich Recht hat.
Der Veggie-Griller
Ute ist ein gern gesehener Gast beim Grillen. Nicht weil sie beesonders redselig, sympathisch oder gutaussehend ist, sondern weil sie immer diese leckeren Dips mitbringt. Eigentlich will sie damit ihren Gemüsesticks etwas mehr Gesckmack verleihen. Doch dazu kommt es nur selten, denn ihre handgerührten Soßen werden von den anderen Grillgästen regelmäßig als Fleischbeilage missbraucht. Ute wurmt das gewaltig, seit drei Uhr Nachmittags stand sie in der Küche und hackte liebevoll die Küchenkräuter – und nun das. Doch Ute ist ein geduldiger und toleranter Mensch – sie lässt die Banausen gewähren. Währenddessen versucht sie ihre Grillpaprika so auf dem Rost zu platzieren, dass es auf keinen Fall zum Kontakt mit giftigem Fleisch kommt. Tritt der unvermeidbare Fall dann aber doch ein verschenkt sie ihre Paprika weiter. Ute ist am Ende nicht satt, muss aber zumindest keine Soßenschüsseln mehr spülen weil Udo die Gefäße bereits blank geleckt hat.
Der Schnorrer
Udo hat keinen Hunger. Das könnte man zumindest auf den ersten Blick meinen. Doch das ist nur einer seiner cleveren Tricks. Denn Udo investiert sein Geld lieber in einen zweiten Sixpack Bier Marke Öttinger oder Wickühler und gibt sich mit dem zufrieden, was der Rest nicht mehr will. Während die Runde genüsslich ihr Grillgut zubereitet trinkt Udo seinen ersten Sixer. Er hat den Anstand zu warten, bis alle einen einigermaßen gesättigten Eindruck machen, dann schlägt er erbarmungslos zu. Zerfetze Fleischstücke aus der Vakuumverpackung, die in der angrenzenden Tuja-Hecke liegt, totgebratene Steaks vom Rost, Soßenschüsseln, die bereits mit Gras und Asche bedeckt sind – Udo schreckt vor nichts zurück. Weil er mittlerweile beide Sixpacks konsumiert hat macht ihm das gar nichts aus, seine Geschmacksnerven verweigern schon lange ihren Dienst. Udo ist ein echter Pragmatiker, am Ende des Grillfests ist er als Einziger gleichzeitig satt und total besoffen.
Der einsame Grill-Gourmet
Der Sack Hickory Späne steht bereit, über den glühenden Kohlen wabert die heiße Luft, da erfüllt plötzlich ein lautes Zisch-Geräusch die Gartenlaube. Sören, der Grill-Gourmet, ist in seinem Element. Mit Behutsamen Bewegungen verteilt er den Tullamore Dew in feinen Dosen über dem Grillgut. Roastbeef, Schweinefilet und Lammhüfte sind bald von einer dünnen Whiskeyschicht benetzt. Als Sören seine Hickory Späne mit bloßer Hand auf die Kohlen gibt erfüllt eine fast surreale Komposition der Düfte die laue Abendluft. Stolz stellt er sich Sören neben seinen Kugelgrill, der die Ausmaße eines Kleinwagens hat, und strahlt seine Gästen an. Keiner spricht. Alle beobachten sie andächtig Sörens Grill-Zeremonie. Rotwein und Champagner benebeln die Sinne bereits leicht und die Abendsonne taucht den Whiskeydunst in sanftes Orange. Sören ist zufrieden, seine Inszenierung ist gelungen. Routiniert kontrolliert er mit leichtem Fingerdruck den Garpunkt seiner Ansammlung an Edelfleisch und verfrachtet sie gekonnt auf die vorgewärmten Teller aus der Wärmeschublade unterm Grill. Kollektives Aaah und Ooh, dann genussvolles Schlemmen. Die lobenden Worte wollen kein Ende nehmen. Was Sören nicht weiß: Seine “Freunde” sind nur gekommen, weil sie gerne mal wieder gehoben und günstig speisen wollten. Und sie wollen wiederkommen.