Gute Frage
Diesmal stammt die Fragestellung von Louise von Zwerggeflüster, die zur Blogparade zum Thema „Der Weg ins dritte Jahrtausend - Gedanken zur Kinderbegleitung im 21. Jahrhundert" aufruft. Selbstverständlich bin ich bei diesem Thema gerne dabei. Die Begleitung meiner Kinder in der ersten Phase ihres Lebens ist momentan mein Lebensmittelpunkt und füllt mich zur Gänze aus. Ich bin also, zumindest was meine drei Lieblinge betrifft, eine absolute Kompetenz in der Kindererziehung 🙂
Harte Frühzeit
Kinder wurden in der Vergangenheit bei Weitem nicht so ernst genommen wie heute. Man behandelte sie wie kleine, dumme Erwachsene und sobald sie halbwegs selbstständig waren begann der Ernst des Lebens. Damit war nicht etwa die vergleichsweise ruhige Kugel, die die Kinder heute in den Schulen schieben, gemeint, sondern harte körperliche Arbeit und Geld verdienen. Die Eltern hatten freie Hand und wenig emotionale Bindung. Liest man beispielsweise Hänsel und Gretel, dann ist in der heutigen Zeit der Gedanke, die Kinder im Wald auszusetzen, weil zu wenig Essen für alle da war, kaum zu ertragen. Früher war das eben so. Die Kinder wurden geboren und die paar, die überlebten musste sich rasch Ihren Platz in der Gesellschaft verdienen. Unerwünsche Kinder wurden umgebracht und körperliche Züchtigung stand an der Tagesordnung. Niemand hat sich dabei eingemischt, weil Kinderrechte erst im 19. Jahrhundert ihren Anfang haben. Danach ging es Schlag auf Schlag. Der Begriff Kind wurde quasi im 19. Jahrhundert erfunden und Kinder ein wenig als das erfasst, was sie sind. Im vergangenen 20. Jahrhundert kam die Erziehung immer weiter in den Fokus. 1919 wurde in Deutschland die allgemeine Schulpflicht eingeführt und die Stellung der Kinder in der Familie änderte sich langsam. Die Kinder wurden immer mehr als gleichberechtigt angesehen und Erziehung, bzw. die Förderung der Kinder bekam einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Der Umgang mit Kinder hat sich also über die Jahrhunderte verändert und der Auftrag der Eltern hat sich gewandelt. Wurden noch vor 1.500 Jahren unerwünschte Kinder einfach umgebracht, so werden die lieben Kleinen heute geplant, nach Möglichkeit gefördert und aufopfernd umsorgt.
konstante Entwicklung
Zum Glück sind die harten Zeiten vorbei. Nicht nur die Kinder hatten es in der Frühgeschichte ausgesprochen schwer. Auch die Eltern litten sicherlich unter den verschiedenen widrigen Umständen und mussten unter weitaus schlechteren Bedingungen ihr Leben bestreiten, als wir heute. Die kontinuierliche Entwicklung der Erziehung und des Bewusstseins dafür, dass Kinder betreut werden müssen ist heute auf ihrer Höhe. Trotzdem findet weiterhin eine Veränderung von Generation zu Generation statt. Waren Schläge und manch andere, aus heutiger Sicht, fragwürdige Methode in den Schulen Gang und Gebe, so wird heute mit Pädagogik gearbeitet und ein Minimum an Zwang aufgebaut. Vergleicht man die eigene Schulzeit mit den Erfahrungen, die man mit den eigenen Kindern und deren schulischer Laufbahn macht, dann fällt auch hier schon ein kleiner Unterschied auf. Die Autorität entwickelt sich zurück und die Kinder werden sukzessive als gleichberechtigter angesehen.
Zielgerichtete Erziehung
Wie in jeder Zeit folgt auch heute noch die Erziehung dem Ziel Menschen zu formen, die unserem Idealbild entsprechen. Waren das im Mittelalter noch harte Arbeiter, so stellen wir uns heute das ideale Mitglied der Gesellschaft als freien, selbstbestimmten Menschen vor. Genau dieses Idealbild versuchen wir mit unserer Erziehung zu erreichen.
Ich bin aktuell dabei das Buch Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden: Warum wir nicht auf die nächste Generation zählen können
Eltern in der Zwickmühle
Gut, da gibt es also auf der einen Seite die Bestrebung die Kinder nicht zu sehr einzuengen. Antiautoritär ist ein Schlagwort, das immer wieder auftaucht und das wir einmal mehr, einmal weniger versuchen umzusetzen. Aber ist es wirklich ein Fehler, den Kindern Grenzen zu setzen und die Richtung vorzugeben? Ich selbst habe drei kleine Kinder und natürlich bin ich mit den Dreien immer wieder einmal alleine unterwegs. Meine Kleinste sitzt zufrieden im Kinderwagen, die beiden Größeren wollen selbst laufen. Das würde nicht funktionieren, wenn ich nicht einerseite Grenzen festgelegt hätte und z.B. die maximale Entfernung zu mir, oder das Verhalten an Kreuzungen, oder an Ecken definiert hätte und andererseits in der Lage wäre die Beiden durch blosses Zurufen zu stoppen und zu dirigieren. In diesem Moment greife ich ganz klar in die Freiheit der Kinder ein. Gerne würden sie im vollen Lauf auf die dicht befahrene Straße laufen und ich muss, als verantwortungsbewußte Mutter eingreifen. Die Begründung dafür ist einfach. Ich weiß es einfach besser. Nicht weil ich schlauer, besser, oder mehr wert bin, als die Kinder, sondern weil die Kinder einfach nicht abschätzen können, welche Situation wie gefährlich ist und z.B. im Straßenverkehr Situationen einfach nicht genauso gut beurteilen können wie ich.
Was tun?
Die Zeiten in denen Kinder nur sprechen durften, wenn sie gefragt wurden sind, auch wenn ich das manchmal ein bisschen bedaure, vorbei. (Meine Älteste schafft die 7.000 Worte Tagespensum sicher in der Stunde. Puh!) Schläge sind zu recht verboten und die Kleinen sollen von den Eltern ohne körperliche Gewalt mit dem größten möglichen Freiraum durch die Kindheit begleitet werden. Gleichzeitig obliegt es den Eltern bei der Erziehung dafür zu sorgen, dass die Kinder sicher sind und auf das Leben vorbereitet werden. Diese Gratwanderung zu schaffen ist gar nicht so leicht.
Zuckerbrot und Peitsche
Mein Zugang dazu ist ein Kompromiss. Ich erziehe und begleite meine Kinder, soweit es möglich ist, ausgewogen. Einerseits haben wir Rituale, Handlungen und Vorgänge, die immer wieder gleich, oder ähnlich ablaufen. Kinder liebe Rituale. Läuft jeden Tag etwas gleich ab, dann hat man als Mutter das leichteste Spiel. Gehen wir beispielsweise zu bett, dann ist der Ablauf eingelernt und jeder weiß, was seine Rolle ist. Auf die Einhaltung der Abläufe achte ich weitgehen. Will ein Kind noch einmal aufstehen, dann passiert das nur nach Genehmigung und in Ausnahmefällen. Auch wenn wir unterwegs sind ist der Ablauf von klein auf eingelernt und bekannt. Wenn einer aus der Reihe tanzt, (und da kann ich mir das gendern sparen, weil aus der Reihe tanzt sowieso immer nur mein Sohn) dann greife ich autoritär ein. Wir sind der festen Meinung, dass es einfacher ist, wenn nur einer den Ton angibt. Klar führen mein Mann und ich eine gleichberechtigte Beziehung, aber wenn es darum geht z.B. die Route durch den Zoo zu gestalten, dann ist es einfach besser, wenn das einer macht und nicht alle mitreden. Schließlich ist es ja gleichgültig, ob wir bei den Mähnenrobben links Richtung Eisbären abzweigen, oder rechts zu den Elefanten laufen. Es macht den Ablauf einfacher und der andere (beim Zoo dann meistens ich) kann sich um andere Aufgaben kümmern und die langsameren Kinder in die richtige Richtung lotsen. Autorität, oder eher das Unterordnen hat sich bei uns also bewährt und hilft sicher auch den Kindern im Alltag. Sie müssen sich manche Dinge nicht selbst überlegen und entscheiden, sondern haben eine klare Vorgabe. In manchen spielerischen Situationen übernehmen auch die Kinder einmal diese Führungsrolle und bestimmen über Papa und Mama.
Auf der anderen Seite brauchen Kinder natürlich auch Freiraum. Den bekommen Sie in zahlreichen Situationen über den Tag verteilt. Es beginnt damit, dass sie Mitspracherecht bei der Kleidungsauswahl und den Schuhen haben, den Weg in die Kita mitbestimmen dürfen, Essenswünsche erfüllt werden und sie beim Spielen natürlich entscheiden dürfen, welches Spielzeug sie gerne vom Kasten geholt hätten. Wollen Sie bestimmte Dinge nicht, dann müssen sie das meistens auch nicht. Auch wenn es so toll und tagelang geplant gewesen wäre, aber weil mein Sohn nicht ins Naturgeschichtliche Museum wollte war mein Mann vor ein paar Tagen mit ihm im Park. Solche Entscheidungen dürfen unsere Kinder treffen und bekommen damit schon mal Übung darin, ihr Leben selbst zu bestimmen.
Jeder hat einen Chef
Eine Erfahrung, die wir wahrscheinlich alle schon einmal gemacht haben ist, dass das Berufsleben, das uns im späteren Leben immerhin jede Woche etwa 40 Stunden beschäftigen wird, kein Ponyhof ist. Spätestens hier wird autoritär geführt und Hierarchien müssen eingehalten werden. Ich möchte, dass meine Kinder damit umgehen können, wenn es einmal soweit ist. Ja, Chefs sind nicht allmächtig und unfehlbar, aber im Mikrokosmos einer Abteilung, in der meine Kinder einmal ihren Berufseinstieg vollziehen werden, sind die Chefs diejenigen, die über Gehen und Bleiben entscheiden. Ich will einfach nicht, dass mein Sohn eine solche Abhängigkeit und kompromisslos eindeutige Hierarchie nicht kennt und nicht damit umgehen kann. In einem Interview mit Fr. Dr. Leibovici-Mühlberger erzählt sie von einem kleinen Balkon in ihrer Praxis auf den sie gerne mit ihren Patienten geht. Sie fragt dort, ob der Patient sich wohlfühlt und die Aussicht genießen kann und bitte ihn dann, wenn er bejaht, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn der Balkon kein Geländer hätte. Genauso beschreibt sie die Situation von Kindern, die in der Erziehung zu wenige Grenzen und Richtlinien von den Eltern erhalten. Ich stimme nicht in Allem, was sie schreibt zu, aber im Kern glaube ich, dass ihre Ansätze korrekt sind. Legt man Antiautorität auf ein Unternehmen um und stellt sich vor, dass die Führungsriege der Belegschaft einen Großteil der Entscheidungen überlässt, dann darf man nicht erwarten, dass das Unternehmen eine große Zukunft hat. Genauso sehe ich meine Erziehung. Ich bin und bleibe der Chef in der Beziehung mit den Kindern. Wie jeder Manager habe ich mehr Informationen als die Anderen und lenke das Unternehmen Familie in eine Richtung, die ich für die Beste halte. Ich reagiere auf Rückschläge und Herausforderungen, vergesse dabei aber nie, dass die Belegschaft eine wichtige Rolle in meiner Firma spielt. Ich versuche Entscheidungen demokratisch zu fällen und lasse da und dort auch mal eine dumme Idee und ihre Umsetzung laufen, bevor ich einschreite. Leider bekomme ich dafür kein Managergehalt.
Und so erziehe ich
Meine Kinder sollen mich spüren, aber genau wissen wo ihre imaginären Grenzen sind und diese ganz selbstverständlich einhalten. Zumindest sollen sie eine Grenze nur bewußt überschreiten und wissen, das sie das gerade tun. Innerhalb dieser Grenzen fördere ich ihre Selbstständigkeit, so gut ich kann. Philosophisch betrachtet erziehe ich in diesem Bereich nach Nietzsche und dem Zitat : „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.". Solange also keiner einen bleibenden Schaden davon trägt lasse ich ihr Spiel und ihre Interaktion einfach laufen ohne mich einzumischen. Rund um diese antiautoritäre Zone ziehe ich klare Grenzen, die ich klar kommunizieren und deren Einhaltung ich auch autoritär durchsetze. Kontinuität ist ein wichtiger Faktor. Abläufe werden bei mir nicht ohne triftigen Grund verändert. Körperliche Gewalt vermeide ich und setze sie höchstens ein um zwei streitende Kinder zu trennen, möglichst ohne ihnen Schmerzen zuzufügen.
Ich glaube, dass ich meinen Kindern damit alle Werte vermittle, die mir wichtig sind und sie zu mündigen und kreativen Menschen erziehe, die auch wissen, wann es besser für sie ist, mal den Mund halten und zu gehorchen. So sollten Sie mit jeder Herausforderung, vor die das Leben sie stellen wird, klarkommen und hoffentlich erfolgreich mit den verschiedensten Situationen umgehen können!