Veröffentlicht am 7. Juli 2014 | von Lida Bach
0Wara no tate – Die Gejagten
Wara no tate – Die Gejagten Lida BachWertung
Summary: Miike versucht zu viel auf einmal, liefert aber dennoch einen handfesten, soliden und zynischen Action-Thriller mit klugen Fragen ab
3
Action-Thriller
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Nach der Musical-Romanze For Love’s Sake Only und dem Slasher Lesson of the Evil und nicht zu vergessen der Manga-Verfilmung The Mole Song schon in den Startlöchern, fand Japans manisch-produktiver Filmemacher Takashi Miike noch Zeit für einen gepflegten Action-Krimi.
Clever ist Wara No Tate – Die Gejagten, allerdings vor allem in der Drapierung der furiosen Prämisse. Jeder Bürger wird zum potentiellen Attentäter eines Kindermörders, auf den eine Billionen Yen Kopfgeld ausgesetzt sind. Der Tokioter Spezialagenten Mekari (Takao Ohsawa) und dessen ehrgeizige Kollegin Shiraiwa (Nanako Matsushima) sollen ihn unbeschadet zur Gerichtsverhandlung eskortieren, begleitet von einer Polizeieinheit, in deren Reihen selbst einige gern den Tod des Mörders hätten oder auf alle Fälle die Belohnung. Ganz anders als der widersinnige deutsche Verleihtitel Die Gejagten unterstreicht der englische Titel Shield of Straw die Brüchigkeit des dichtmaschigsten Gewebes, wenn darin nur ein Halm nicht Stand hält. Die Anfangsbilder eines Kinderbeins in einem Abwasserrohr und eines blutigen Mädchenschuhs ziehen in eine Story, die zu hektisch und unausgegoren ist, um nachhaltig zu fesseln. Das Opfer ist die siebenjährige Enkelin des todkranken Multimillionärs Ninagawa (Tsutomu Yamazaki), der via einer Website, Zeitungsanzeigen und einer Video-Botschaft die Jagd auf den Killer Kunihide Kiyomaru (Tatsuya Fujiwara) eröffnet.
Das abscheuliche Verbrechen ist nicht sein erstes und nicht sein letztes, ginge es nach dem vorbestraften Kinderschänder und -mörder, der während seiner hochbrisanten Überstellung durch den stoischen Mekari und die von eigener Wut und Geldnot in ihrer Unbestechlichkeit wankenden Kollegen schon nach neuen Opfern späht. Der selbst irritierend milchgesichtig aussehende Kiyomaru ist kein von psychischen Dämonen geplagter Zwangskranker wie Peter Lorres Killer in M – Eine Stadt sucht einen Mörder und kein willkürlich Verdächtigter wie Spencer Tracy in Fury.
Er ist ein durch forensische Beweise überführter, geständiger Serientäter, den sein zwischen Herumwinseln, Provokation und Häme wechselndes Verhalten denkbar abstoßend macht. Die durch Takashis bissigen Humor pointierte Negativcharakterisierung lenkt den Fokus noch stärker auf den zentralen Konflikt des Plots: Darf man jemanden umbringen, der hundertprozentig und zweifelsfrei ein abscheulicher Verbrecher ist? Nachdem Kiyomaru sich freiwillig stellt, lastet die Problematik auf der Polizei von Fukuoka, von denen so manche ihr miserables Gehalt mit Ninagawas Jagdprämien aufbessern wollen.
Mit Unterbezahlung kämpfen offenbar nicht nur Staatsbeamte, denn von der Krankenschwester bis zum Trucker haben zahlreiche Bürger für Kiyomaru eine Freifahrkarte ins Jenseits. Dort landet der todsichere Kandidat für die Todesstrafe letztlich sowieso. Zynische Twists wie diese bürokratische Ironie verleihen dem Handlungskonstrukt eine innere Dynamik und Doppelbödigkeit, aus denen ein geschliffener Psychothriller, pechschwarze Satire oder bissige Gesellschaftskritik hätte hervorgehen können. Miike weiß das und will alles und das auf einmal. Unfähig oder unwillig eine Richtung einzuschlagen, stagniert die sarkastische Hardboiled-Fiction, zu deren Ende der Regisseur wohl dachte wie sein auf eigene Weise reumütiger Killer: „Ich hätte noch so viel mehr getan, hätten die mich nur gelassen!“
Regie: Takashi Miike, Drehbuch: Tamio Hayashi
Darsteller: Nanako Matsushima, Tatsuya Fujiwara, Takao Ohsawa, Gorô Kishitani
Filmlänge: 117 Minuten, Kinostart: K.A.
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Lida Bach