ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« 610 • 16. Februar 2013
von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)
Angeblich soll die nach Gottfried Benn »größte deutsche Dichterin« -Else Lasker-Schüler– auch Rügen besucht haben. Sagt man. Als Zeugnis gilt eins der letzten Gästebücher von Arkona. Dieses aber existiert nicht mehr. Der angebliche Eintrag, zuletzt 1997 zitiert in der Broschur Kap Arkona der Edition Genius loci von Reinhard Piechocki, ist mir dann doch zu dick »poetisch« aufgeladen. Dort und auch andernorts wird immer wieder P. Meinholds Schrift Aus Arkonas Fremdenbüchern zitiert, die 1907 in Stettin erschien.
Und das klingt dann so: »Ich lag auf dem Meer, über mich wälzte sich das Licht … Ich lag allen Tälern im Schoß, umklammerte alle Berge, aber nie meine Seele wärmte mich … und mein braunes Auge blüht halb verschlossen vor meinem Fenster und zirpt.«
Es »zirpt« also… und das aus der Feder der größten deutschen Dichterin. Das mag glauben wer will. Ich nicht. Vielleicht war alles nur ein Spaß in sowieso arg verrückter Zeit. Man kann es nicht mehr aufklären.
Vielleicht ist der vermeintliche Originalbeleg im Zorn der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte des Zweiten Weltkrieges verbrannt worden, als jedes noch so kleine Album deutscher Herkunft als Beleg einer womöglich unbotmäßigen Wertschätzung hätte dienen können.
Gerhart Hauptmann, der die Lasker-Schüler in seinem 1910 erschienenen Roman Der Narr in Christo Emanuel Quint als Annette von Rhyn verewigte, hat der Dichterin emanzipatorische Eskapaden, ihre Grenzen aufhebenden Wortspiele wohl eher verwundert registriert als bewundert. Mehr Wertschätzung als das im Mai 1923 brieflich zu Papier gebrachte Fragment: »Meiner Überzeugung nach ist Else Lasker-Schüler eine Dichterin«, war ihm an Zuspruch nicht abzuringen.
Else Lasker-Schüler, die am 11. Februar 1869 das Licht der Welt in Elberfeld/Wuppertal erblickte, die noch 1932 den Kleistpreis für ihr Gesamtwerk erhielt, die 1933 aus Deutschland fliehen musste, konnte »die Sprache / Dieses kühlen Landes nicht, / Und seinen Schritt nicht gehen«.
Heute zählt sie zu den wichtigsten, weil eigenwilligsten Lyrikerinnen der deutschen Sprache. So gesehen auch ohne Fürsprache »großer« Dichterkollegen. ARTus
Else Lasker-Schüler (1869 – 1945) zählt zu den bedeutendsten deutschen Dichterinnen.