Die von der Dramaturgie der Bayerischen Staatsoper gestaltete Reihe “Unmögliche Enzyklopädie” nah am Mittwoch, den 4. März die Villa Stuck in Beschlag, um über den Begriff der Obsession zu reflektieren.
Jeder kennt wohl das Gefühl der Besessenheit, ein Projekt oder ein Gedanke verlangt unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und nimmt mehr oder weniger schnell unser gesamtes Bewusstsein ein – wird zur Obsession. Auf dem Weg zur Verwirklichung unserer Träume bewegen wir Menschen uns irgendwo auf einer Skala zwischen starkem inneren Antrieb und Besessenheit. Aber wann wird unser Verhalten zwanghaft? Und was passiert wenn uns unsere Obsession keine Ruhe mehr lässt? Auch dem ehemaligen Hausherrn der Villa Stuck, Franz von Stuck, waren diese Gefühle in seinem Schaffen als Maler nicht fremd, weswegen es für die Veranstaltung keinen passenderen Ort hätte geben können.
Gemeinsam mit Musikern, Künstlern und Wissenschaftlern war das Publikum an diesem Abend eingeladen, in einem installativen Parcours durch die historischen Räume der Villa Stuck mit anschließendem Gespräch diesen aufgestellten Fragen auf verschiedene Weise nachzugehen: der Streetart-Künstler, der sich in der zwanghaften Wiederholung immergleicher Tags auslebt, der Musiker, der nicht nachlassen kann, ob mit oder ohne Publikum, die Komponisten, die sich unermüdlich an bestimmten Klangkonstellationen abarbeiten, die zwanghaften Abweichungen vom normalen Verhalten, der Voyeur, der seine Mitmenschen durchs Objektiv seiner Kamera festzubannen versucht, der Sisyphos, der nie zufrieden ist und deshalb immer wieder dasselbe tut, der Büchernarr, dem das bedruckte Papier zur Parallelwelt wird. Alles Teile einer inszenierten Veranschaulichung des schillernden Begriffes der Obsession.
Obsession – Besessenheit.
Die unendliche Arbeit des Sysiphos.
Kurz Ausruhen von den Anstrengungen des Rundgangs.
Zu den anschließenden Programmpunkten fand sich alles im Lichthof der Villa Stuck ein. Im Expertengespräch mit Prof. Dr. Dr. Andreas Hillert, Psychotherapeut, Psychiater und Archäologe, und Prof. Dr. Armin Nassehi, Kultursoziologe mit Affinität für alles Musische, wurden gemeinsam die feinen Unterschiede der Begriffe Obsession, Zwang und Sucht beleuchtet. Auch musikalisch wurde das Thema mit dem Rest des Programms verwoben. In der Oper Lulu von Alban Berg geht es um eine zwanghafte Liebe, in der zwei Menschen nicht mehr voneinander lassen können – und dabei zugrunde gehen. Frauke Burg sang das Lied der Lulu und Jean-Pierre Collot spielte am Piano wie besessen hochvirtuose Musik von Salvatore Sciarrino, Hans Abrahamsen und Alexander Skrjabin.
Mit dem Dramaturgen Malte Krasting diskutierten der Psychiater Prof. Andreas Hillert und der Soziologe Prof. Armin Nassehi.
Fotocredit: Fotoblog der Staatsoper (blog.staatsoper.de)