Wann hat der Arbeitnehmer trotz Kündigung keinen Anspruch auf sog. Annahmeverzugslohn?

Erstellt am 29. Januar 2014 von Raberlin

Die klassische Situation bei Bestandschutzstreitigkeiten ist die, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt und sich hiergegen den Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage wehrt. Der Arbeitgeber ist sich sicher, dass das Arbeitsverhältnis rechtmäßig beendet wurde und beschäftigt den Arbeitnehmer nicht weiter. Häufig vergeht bis zu einer Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Sache einige Zeit, machmal gibt es eine rechtskräftige Entscheidung erst nach mehreren Jahren in der 2. Instanz oder vor dem BAG. Verliert der Arbeitgeber den Kündigungsschutzprozess muss er dem Arbeitnehmer den Lohn für den Zeitraum vom (vermeintlichen) Beendigungszeitpunkt (Zeitpunkt der Nichtbeschäftigung des AN) bis zum rechtskräftigen Urteil nachzahlen (Annahmeverzugslohn nach §§ 611, 615, 293 ff BGB). Der Arbeitslohn heißt dann Annahmeverzugslohn, da sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Verzug befindet, den der Arbeitgeber muss zunächst dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, was er nach dem vermeintlichen Beendigungszeitpunkt ja meistens nicht mehr macht. Dabei ist der vom Arbeitnehmer erzielte (oder böswillig nicht unterlassene)  Zwischenverdienst anzurechnen. Kurzum der Annahmeverzugslohn ist meist ein erhebliches Prozessrisiko des Arbeitgebers.

Minimierung des Annahmeverzugslohnrisikos des ArbG durch Angebot an AN der Prozessbeschäftigung

Dieses Risiko kann der Arbeitgeber z.B. durch eine sog. Prozessbeschäftigung minimieren, was aber in der Praxis selten vorkommt.

weitere Voraussetzung für den Annahmeverzugslohn – Leistungsfähigkeit und Leistungwilligkeit

In der Praxis wird meistens automatisch davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer (formal nicht ganz genau) für den Zeitraum der Nichtbeschäftigung einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn hat. Dabei wird oft übersehen, dass dies nicht immer der Fall ist.

Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Gemäß § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers ist damit ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungswillig und leistungsfähig ist (ErfK/Preis 3. Aufl. § 615 BGB Rn. 43), so- BAG – Urteil vom 24.9.2003 – 5 AZR 591-02.

Leistungsfähigkeit

Leistungsfähig ist der Arbeitnehmer, wenn er tatsächlich im Stande ist die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran fehl es z.B. , wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist.

Leistungswilligkeit

Die Leistungswilligkeit des Arbeitnehmer ist aber in der Praxis meist das größere Problem. Der Arbeitnehmer ist nicht leistungswillig, wenn ihm der ernste Wille fehlt die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Daran fehlt es meist bei Vorlage folgender Fallgruppen:

  • zuvor wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen und dessen Unwirksamkeit erheblich später geltend gemacht
  • der Arbeitnehmer gibt an, dass das Arbeitsverhältnis völlig zerrüttet und ihm die Arbeit beim Arbeitgeber nicht mehr zumutbar sei
  • der Arbeitnehmer macht die Erbringung seiner Arbeitsleistung von der Rücknahme der Kündigung abhängig
  • der Arbeitnehmer nimmt das Angebot auf Prozessbeschäftigung des Arbeitgebers nicht an
  • der Arbeitnehmer schließt noch vor Ausspruch der Kündigung einen Arbeitsvertrag mit einen anderen Arbeitgeber ab

RA A. Martin