Die Bezeichnung Austropop ist ja eigentlich auch nur ein müßiger Versuch, Wanda genremäßig einzuordnen, auch wenn man schon zugeben muss, dass die Anleihen daran offensichtlich sind.
Irgendwie ist es schön zu hören, dass die fünf jungen Herren aus Wien auch noch wirklich Wienerisch reden – inklusive dem genervten Raunzer und dem Zungenaufschlag-L, das ja gerne nach Meidling verortet wird. Da würde uns auch Der Nino aus Wien zustimmen, erklärtes Idol von Sänger Marco Michael Wanda, gerade dann, wenn dieses berühmte L auch hier in keinem Wort schöner betont wird als im Augenscheinlichsten: „Wenn ich traurig bin, glaub ich jeder Mensch ist ein Oaschllloch“.
Am interessantesten ist die erste Begegnung mit Wanda. Da schnappt man die Melodie einmal auf und schmunzelt noch etwas abgestoßen über die ans Wiener Vorstadtproletariat angelehnten Texte. Spätestens aber seit „Auseinandergehen ist schwer“ kommt man nicht mehr an der Band vorbei. Spaltet sie in ihrer zynisch-vulgären Auffassung deutscher Musik an mancher Stelle sicher das Publikum, würden sich wohl 80 Prozent der Hörer immer auf die Mundl-Seite schlagen. Es ist teilweise so offensichtlich anzüglich-bescheuert (ernsthaft: „mein Glied unterwirft sich der Diktatur deines Mundes”) und andererseits so naiv liebenswert („Wannst bsoffn wirst, redst immer nur von ihr“), dass gerade die Mischung den Reiz ausmacht.
Besonders verliebt haben wir uns jedoch in Luzia. Welches Mädchen träumt nicht von einem Liebesgeständnis, das da so lautet: „Weil du weiße Zähne hast, obwohl du ständig rauchst, ist der Thomas in dich verliebt und ich auch“. Abgesehen davon haben Wanda verstanden, worauf es ankommt: Ja, eine Frau mit „Baby“ anzusprechen, ist absolut erwünscht. Wenn es mal out war, vergesst das mal schnell wieder. Abgeschmackte Österreich-Klischees werden auf Amore am laufenden Band bedient: leere Weinflaschen, der Schnaps, das Versiffte, das Grindige, die Bar, in der du genau niemals aufwachen willst. Was hilft‘s, hier wird vieles nun einmal auf den Punkt gebracht. Authentizität, baby.
Interessant an Amore ist, dass es nicht nur um Austro, sondern auch um Pop geht. Diese zwölf Stücke bilden nicht nur ein in sich stimmiges Album, sondern vereinen gekonnt Geschrammel mit eingängigen Melodien und den ausgeklügelten, und dennoch gewollt hingespuckt wirkenden Texten. Das Einfache ist zumeist das Schwierige: Und wenn Sänger Marco dann von sich gibt, dass er eigentlich nur ein „einfacher Typ ohne viel Hirn“ ist, macht ihn das eigentlich nur doppelt sympathisch. Die geraunzte Attitüde, die fast schon ein bisschen an Bilderbuchs Maurice denken lässt, weiß zu gefallen.
Amore ist vor allem eins: viel Schmalz, viel Pathos. Ein eigentlich überquellendes Album, das die titelgebende Leidenschaft sehr stark überstrapaziert, in jedem Lied besingt, teilweise sogar nach Italien verortet, wo auch noch die inzestuöse Sehnsucht vertont wird. Hört man nur eine Beschreibung dieses Albums und nicht die dazugehörigen Stücke, man wird nicht verstehen, wieso diese Wiener Band wohl am Anfang einer interessanten Karriere steht. Die Zutaten im Einzelnen lassen einen vielleicht ob des eher abgedroschenen Rufs des Austropop erschauern, aber in der Musik wird schließlich alles gut: Dieses Album ist schlichtweg herausragend. Wer es hört, wird wissen, wovon die Rede ist. Und allen anderen sagen wir: Sei doch einmal leiwand.
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