Hier kommt es, das letzte Pflichtstück - zwischendurch gelesen, weil Jane Eyre mein Buchprojekt etwas aus dem Takt gebracht hat.
Ein bisschen habe ich ja Angst vorm Sterben. Es könnte ja sein, dass es auf der anderen Seite keine Bücher gibt. Und dann werde ich mich bis in alle Ewigkeiten ärgern, dass ich so einige nicht mehr lesen konnte.
Doch manchmal bedaure ich es fast noch mehr, dass ich so manches Buch nicht noch ein zweites Mal lesen kann.
Das wird mir zumindest bei Der Stadt der träumenden Bücher nicht mehr passieren. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie es mir ein Jemand auf irgendeinem Bahngleis in Deutschland überreicht hat. Und seitdem begleitet es mich, mit all seinen Eselsohren und den nicht ganz so schönen Kaffeeflecken.
Als ich es neulich wieder in der Hand hatte, fiel mir auf, dass es tatsächlich anders ist als das zweite Buch, Das Labyrinth der Träumenden Bücher. Das war besonders leicht und schnell gelesen, der Erstling jedoch hat ordentlich Gehalt.
Es ist so, als würde man Den Herr der Ringe vor Dem kleinen Hobbit lesen. Oder eine hauchfeine Tomatenessenz mit deftiger Linsensuppe vergleichen.
Was jedoch nicht heißt, dass es schwer zu lesen war. Es könnte nur sein, dass man vergisst, zwischendurch Luft zu holen. Intensiv, das ist wohl das richtige Wort, um den literarischen Komplex zu beschreiben, den Walter Moers erschaffen hat.
Worum geht es in dem ersten Teil der noch unvollständigen Trilogie denn nun eigentlich?
Der junge Hildegunst von Mythenmetz, Lindwurm und Poet seines Zeichens, macht sich auf den Weg nach Buchhaim, einem gar mystischen Ort des sowieso schon verwirrend-faszinierenden Zamoniens. Im Gepäck hat er ein kurzes Manuskript, das ihm sein eben verstorbener Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler hinterlassen hat. Und auch dieses kurze Dichtwerk hinterlässt so einiges bei seinen Lesern: Eine ganze Bandbreite an Emotionen wallt in einem auf, Hass, Trauer, Freude, Erleichterung, man empfindet jede nur gekannte Gefühlregung bei der Lektüre der wenigen Worte - denn es handelt sich hier um das wohl größte literarische Werk, das jemals in den Weiten Zamoniens erschaffen wurde. Doch wer ist der Autor?
Hildegunst reist also in die Stadt der Bücher, um dieses außerordentliche Talent ausfindig zu machen.
Und dort geht es hoch her, denn diese Stadt ist alles andere als das verstaubte Hinterkämmerlein eines Buchhändlers. Bücherjäger treiben ihr blutiges Unwesen in den weitverzweigten Katakomben, auf der Suche nach Erstausgaben, die sie zu horrenden Preisen an windige Buchhändler verkaufen.
Natürlich läuft Hildegunst sehr bald dem größten Oberschurken unter den vermeintlich friedliebenden Bibliophilen in die vielen Ärmchen: Phistomefel Smeik, Haifischmade und Oberhaupt der Buchhaimer Unterwelt.
Dieser erkennt das Manuskript wieder und ehe Hildegunst sich versieht, ist er auch schon in den tiefsten Tiefen der Buchhaimer Katakomben vergraben. Und hier beginnt das wahre Abenteuer un der wohl spannendste Teil des Buches.
Auf der Suche nach dem Ausgang und dem Orm begegnet er den vielen unterirdischen Wundern, die denen an der Oberfläche um nichts nachstehen. Und vor allem trifft er auf die Buchlinge, die wohl liebenswertesten Büchernarren. Hier überkam mich der Oy-Reflex, wenn sich einer an den unglaublich putzigen Billy-Bumbler aus Stephen Kings Der Dunkle Turm erinnern mag.
Zu guter Letzt trifft unser ungewollter Held endlich auf den Schattenkönig, dem wohl mysteriösesten Wesen in und um Buchhaim herum. Doch mehr darf ich nicht verraten.
Wen das erste Aufeinandertreffen von Moers und Mythenmetz (den Moers ja nur übersetzt hat) interessiert, der möge sich das äußerst amüsante Interview der beiden von der FAZ durchlesen.
Und schließlich das Phantom Walter Moers, der sich seit Jahren erfolgreich vor jeder neugierigen Linse versteckt: