Wahnsinn

Ich weiß nicht, wie es euch geht - aber ich ticke nicht ganz richtig. Also jetzt nicht im harmlosen und liebenswerten Sinne, nein: ich bin ziemlich irre. Sagt auch der Mann. Ich habe es mit viel Liebe zum Detail und in jahrelanger Kleinstarbeit geschafft, so ziemlich jede Macke und Phobie in meinem Grummelhirn zu sammeln, die man auf diesem Planeten nur finden kann. Prinzipiell war das auch immer kein großes Problem. Bis die Maus zur Welt kam...
Vielleicht denkt ihr jetzt, dass ich übertreibe, dass es gar nicht so tragisch sein kann. Daher zähle ich nur mal ein paar Dinge auf, die so meinen Alltag bestimmen:
- Angst vor Spinnen (noch normal)
- Klaustrophobie (die soweit geht, dass es Horror ist, in diesen Hotelbetten zu liegen, die die Bettdecken unten unter die Matratze gesteckt haben. Oder wenn der Mann aneinandergekuschelt einschlafen will.)
- Angst vor Flugzeugen (ja, ich muss es so ausdrücken, denn ich habe nicht nur panische Flugangst, die sich langsam von Jahr zu Jahr gesteigert hat - ich habe auch Angst, dass mir ein Flugzeug auf den Kopf fällt. Ich bin sicher, ich sterbe daran, dass ein Flugzeug direkt über meinem Haus abstürzt. Und auf meinem Grabstein wird stehen: Sie wusste es und alle hielten sie für verrückt.)
- es ist nicht möglich einzuschlafen, wenn die Schranktüren des Kleiderschrankes offen stehen
- schlimmste Krankheitserfindungsundeinbildungskrankheit: Morgen wache ich tot auf!
- muss ganz sicher immer zur Toilette, wenn keine in der Nähe ist
- Angst vor Dunkelheit und dem namenlosen Grauen ("Da ist irgendjemand!" - "Nicht irgendjemand! IrgendETWAS!")
- Aufzugangst (stürzt ganz sicher mit mir ab, kurz bevor ich im steckengebliebenen Selbigen zu ersticken drohe)
- Meerangst (sicher zieht sich just in dem Augenblick das Wasser ganz weit zurück, um kurze Zeit später als gewaltiger und alleszerstörender Tsunami wiederzukehren, wenn ICH aufs offene Meer hinausblicke. Dieses Szenario albträume ich auch regelmäßig - und zwar schon lange vor 2004)
Das waren nur mal so die ersten Irrigkeiten, die mir jetzt einfallen. Warum ich das hier blogge?
Weil es alles andere als leicht ist, mit Kindern durch die Welt zu gehen, wenn man all diese Kopfkinofilme in Gedanken mit sich herumträgt. Würde die Maus zum Beispiel eines Abends behaupten, es wäre ein Monster im Schrank oder unterm Bett, müsste ich wohl schreiend den Raum verlassen, statt ihr in aller Ruhe zu erklären, dass dem nicht so ist und mit ihr zusammen nachzuschauen. Auch kostete es mich bisher eine unglaubliche schauspielerische Fähigkeit, jede Aufzugfahrt als Wettrennen zu verkaufen ("Mal sehen, wer erster ist: ihr mit dem Aufzug oder ich auf der Treppe!"). Auch ist Hypochondrie für sich alleine noch ganz spaßig und unterhaltsam - wenn man bei jedem Hüsterchen des Mäuschens aber durchzudrehen droht, fängt man sich keine exotische Krankheit, sondern den unbändigen Zorn des Mannes ein.
Kurz und gut:
Als irre Mutter hat man es nicht leicht. Man muss mit sich klarkommen und darauf achten, den Kindern die normale Welt zu bieten, die man selbst schon lange aus den Augen verloren hat. Ich hoffe und bete, dass ich das weiterhin halbwegs schaffen und eines Tages stolz auf mich sein kann. Und ich kann nur jeder Mutter, die auch nur halb so verschroben ist wie ich, raten: steht dazu und redet darüber, wenn die Kinder euch und eurem Wahnwitz auf die Spur kommen - und lacht mit ihnen zusammen über den Humbug, den euer Hirn euch vorgaukelt, denn dann ist alles nur noch halb so schlimm. Für die Kinder und für uns.

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