Stimmzettel für die Wahl zum Bundestag (Wahlkreis Trier) – noch nicht ausgefüllt
Das Wahlgeheimnis ist einer der wichtigsten Grundsätze unseres Wahlrechts. Niemand darf dazu gezwungen werden, seine Wahlentscheidung zu offenbaren. Und um sicher zu gehen, dass das Wahlgeheimnis nicht de facto ausgehölt wird, darf auch niemand seinen Wahlzettel zeigen, nachdem er in der Wahlkabine gewählt hat.
Zu vergangenen Wahlen, besonders bei der letzten Bundestagswahl, wurden in diversen sozialen Netzwerken Fotos von per Briefwahl oder auch am Wahltag in der Wahlkabine ausgefüllten Stimmzettel gepostet. Auch zur Zeit sieht man schon Fotos von ausgefüllten Briefwahlzetteln. (Auf Beispiele wird hier, im Sinne der Erhaltung des Wahlgeheimnisses, gezielt verzichtet.) Ob dies rechtlich zusätzlich ist, ist nicht eindeutig geklärt. Aber unabhängig davon -was ist das Problem an solch einer Praxis?
Es ist der Leitsatz, der auch ansonsten und noch stärker bei diesem Thema falsch ist: “Ich habe ja nichts zu verbergen”. Ist die Möglichkeit gegeben, seine Wahlentscheidung für die ganze Welt einsehbar zu machen, kann auch sozialer Druck entstehen, diese zu nutzen. “Ich habe selbstverständlich mit beiden Stimmen xy gewählt. Hier, ich zeige es euch, ich habe ja nichts zu verbergen.” Was selbstverständlich führen kann zu der, wenn auch nicht explizit ausgesprochenen, Frage: “Warum zeigst du uns nicht ein Foto deines ausgefüllten Wahlzettels? Hast du etwa etwas zu verbergen?”
Auch wenn dies nur unterschwellig im Raum steht, kann es doch dazu führen, dass man die erwartete, erwünschte und nun eben auch, entgegen dem Grundsatz des Wahlgeheimnisses, kontrollierbare Wahlentscheidung trifft. Beispielsweise für Parteimitglieder könnte es als mit nachteiligen Folgen verbunden erscheinen (auch wenn dies nur eine subjektive Einschätzung widerspiegeln möge), nicht gemäß der Parteilinie abzustimmen. Solches unterminiert den Grundsatz der geheimen Wahl. Das Wahlergebnis könnte durch die Möglichkeit eines öffentlich nachvollziehbaren Wahlverhaltens beeinflusst werden.
Wo die Politiker schon so gerne vom “rechtsfreien Raum Internet” schwadronieren: hier wäre tatsächlich einmal eine Regelung notwendig.
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