Wahlen, Werkzeuge und Waffen – Ein persönlicher Rückblick und Kommentar

Die Europawahl liegt hinter uns, Politik und Medien haben im Vorfeld ganze Arbeit geleistet. Und der deutsche Wähler – dem deutschen Nichtwähler zahlenmäßig übrigens klar unterlegen – hat folgerichtig für TTIP gestimmt. Und natürlich für weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr, denn Rüstung schafft Wachstum. Und das bisschen Massenmord irgendwo anders auf dem Globus fällt doch nun wirklich kaum ins Gewicht, solange auf dem eigenen Teller nur täglich das geliebte Schnitzel liegt.

Grafik1Offiziell

Europawahl 2014 – Grafik: © politropolis.de – Werte übernommen von: http://www.bundeswahlleiter.de

Was mich davor bewahrt, an diesem Wahlergebnis zu verzweifeln, ist das Wissen, dass sich nicht wirklich 35,3 Prozent aller Wahlberechtigten für die CDU entschieden haben. Und dass auch nicht wirklich 27,3 Prozent der SPD ihre Stimme gaben. Denn bezieht man die ungültigen Stimmen und die Stimmen jener ein, die sich bewusst dagegen entschieden haben, ein fehlerhaftes System durch die Abgabe der eigenen Stimme zu legalisieren, dann sieht das Ganze schon etwas anders aus:

Grafik2Tatsächlich

Europawahl 2014 – Grafik: © politropolis.de, Zahlen bundeswahlleiter.de

Womit mal wieder bewiesen wäre, dass es allein auf die Sichtweise ankommt, wenn man jemandem etwas verkaufen will.

Und diese Tatsache macht man sich in der Propaganda gern zunutze. Es geht dabei um die Werkzeuge „Sprache“ und „Bilder“. Es geht um Hintergründe. Es geht um Informationen und ihre Beschaffung. Als Beispiel führe ich an dieser Stelle einmal mehr die umstrittenen Montagsdemonstrationen an.

Die Mahnwachen für den Frieden.

Als Frau von Ditfurth vor einigen Wochen in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“ über die angeblichen „NEURECHTEN“ sprach, sagte sie einen Satz, der unglaublich wichtig ist, obwohl er angesichts all dessen, was sie da noch geäußert hat, wohl komplett untergegangen ist: „Sprache ist mein Werkzeug.“
Nun, sie hat dieses Werkzeug an jenem Tag sehr geschickt zum Einsatz gebracht, wenn ich an Aussagen denke wie „… ein Herr Elsässer, der mal Kommunist war, jetzt aber …“, bevor sie ihn als glühenden Schwulenhasser und Antisemiten bezeichnete. Auch Auslassungen sind übrigens Werkzeuge, weshalb sie vermutlich auch nicht darauf einging, dass sie mit ihm eine Zeitlang in der „Nie-Wieder-Deutschland“-Bewegung zusammengearbeitet hat. In diesem Fall ein Werkzeug der Distanzierung.
Zweites Beispiel: „Ein Ken Jebsen, der auch unter anderen Identitäten auftritt…“ Das klingt schon beinahe nach Cosa Nostra, oder? Denn sie würde sicher niemals äußern: „Ein Konstantin Alexander, der als Konstantin Wecker auftritt…“ oder „Ein Florian Kirner, der als Prinz Chaos II auftritt…“

Das Werkzeug „Sprache“ wurde hier von ihr zur Waffe umfunktioniert.

Man mag von einem Jürgen Elsässer und einem Ken Jebsen halten, was man möchte – ich gehe mit den Herren auch nur in einigen Dingen konform, während ich andere Aussagen strikt ablehne – aber das, was Frau Ditfurth hier äußerte, und insbesondere die Art, in der sie es tat, ist übelste Propaganda und überschreitet die Grenzen zur Verleumdung. Und das verurteile ich.

Aber…

Ich habe mir in letzter Zeit auch ein paar Gedanken über die Hintergründe der Ditfurth‘schen Äußerungen gemacht. Ganz besonders hat mich beschäftigt, warum ihrer Meinung nach die Kritik am Federal Reserve Act die Teilnehmer an den Montagsmahnwachen zu Antisemiten machen soll. Also habe ich dazu ein wenig recherchiert. Frau von Ditfurth ist ja ihren eigenen Äußerungen zufolge der Ansicht, die Kritik bezöge sich auf die Bank an sich, nicht auf das Gesetz. Also habe ich die FED gegoogelt (nur zur Sicherheit, falls ich da falsch informiert gewesen sein sollte). Und die Augen verdreht (denn ich war es nicht).
Sinngemäß steht da zu lesen: Das US-Notenbanksystem besteht aus dem Board of Governors, zwölf regionalen Federal Reserve Banks, dem Federal Open Market Committee (FOMC), einer Vielzahl von Mitgliedsbanken (Mitgliedspflicht ab einer bestimmten Größe) und anderen Institutionen.

Antisemitsch, schon klar. Wenn Frau von Ditfurth jetzt tatsächlich nachweist, dass es sich bei all diesen Entscheidungsträgern – oder zumindest bei der absoluten Mehrheit – um Juden handelt, schenke ich ihr persönlich meinen gesamten Vorrat an Aluminiumfolie und helfe ihr dabei, lustige Glitzerhüte zu basteln.

Über einen eher versehentlich angeklickten Link kam ich ihren Gedankengängen aber dennoch auf die Spur – denke ich.
Dazu muss ich sagen, dass ich im DDR-Geschichtsunterricht nichts davon gehört habe, der spielte sich bezüglich des 20. Jahrhunderts nämlich ausschließlich auf unserer Seite des Atlantiks ab. Erster Weltkrieg, Oktoberrevolution, deutsche Arbeiterbewegung, zweiter Weltkrieg. Dass es also im Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen in den USA eine antisemitische Bewegung gab, welche sich ganz besonders auf die FED eingeschossen hatte, war mir bis dato überhaupt nicht bekannt.
Und ich gehe mal davon aus, dass es der überwältigenden Mehrheit der Teilnehmer der Montagsmahnwachen ebenso geht.

Aber zumindest erklärt es, warum die Mahnwachen diesbezüglich so unter Beschuss geraten sind, selbst wenn es echt weit hergeholt ist, da einen Zusammenhang zu unterstellen. Ergo: Aluhut für Frau von Ditfurth!

Dennoch scheinen viele Menschen ihre Ansichten zu teilen – oder zumindest gewisse Befürchtungen in dieser Richtung zu hegen. Dafür bringe ich sogar Verständnis auf, denn eine Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, die sich nicht an Parteien oder anderen politischen Organisationen orientiert, ist schwer einzuschätzen. Da tummelt sich so ziemlich alles, was das Land an Ideologien, Vorstellungen, Zielen, Kritiken und Forderungen zu bieten hat. Und trotz der mehrfachen klaren Abgrenzung von faschistischem, rassistischem, antisemitischem und nationalistischem Gedankengut durch die Initiatoren, passt diese Bewegung nun einmal nicht in eine der bewährten Schubladen. Zumal tatsächlich von einigen Teilnehmern Thematiken aufgeworfen werden, die ursprünglich einmal von rechts ausgingen.

Darauf hat die LINKE am 26. Mai (also einen Tag nach der Europa-Wahl, ein Schelm, der Böses dabei denkt) folgendermaßen reagiert:

Erklärung der Partei “Die Linken”

Meine ehrliche Meinung, so direkt aus meiner übergroßen persönlichen Enttäuschung und dem Bauch heraus? Wenn ich ebenfalls jemand wäre, der wahllos Leichtmetallkopfbedeckungen an andere Personen verteilt und hinter einer allgemeinen Kritik rechtes Gedankengut wittert, müsste ich jetzt über „Ideologischen Rassismus“ salbadern. (Es wäre sicher interessant herauszufinden, ob ich von einem öffentlich rechtlichen Sender dafür ebenfalls eine Plattform bekäme.)

Allerdings habe ich selbst mit meinem offenen “Brief ohne Hochachtung” an Frau Merkel vom 16. Februar einige leidvolle Erfahrungen machen müssen, daher kann ich gewisse Bedenken sogar nachvollziehen. Auch dieser Brief wurde gewissermaßen „gekapert“. Meine eigene Erfahrung zeigt mir also, dass es den Herrschaften von rechts außen nichts ausmacht, sich an Bewegungen und sogar Einzelpersonen zu hängen, die Aufmerksamkeit erregen, und deren Bemühungen für eigene Zwecke zu missbrauchen. Demzufolge bemühe ich mich jetzt einfach mal, die Thematik mit etwas Abstand und einer gewissen Neutralität zu analysieren.

Klären wir zunächst einmal die Begrifflichkeiten:

Als rechtsoffen bzw. rechtspopulistisch gelten Themen, die es den Linken nicht ermöglichen, sich klar und deutlich von rechtem Gedankengut abzugrenzen. Und dazu gehören z.B. auch solche Thematiken wie „Souveränität“, „Friedensvertrag“ und „BRD-GmbH“. Das sind Themen, die ursprünglich von rechts wie Angelhaken ausgeworfen wurden, um Mitglieder oder Wähler zu werben und natürlich, um den Eindruck zu erwecken, wir wären alle Reichsbürger, weil das diesen Leuten und ihrer Ideologie dient.

Leider wissen die meisten Leute das nicht oder hinterfragen es zu wenig kritisch.

Zu den Themen selbst will – und kann – ich mich nicht äußern, da ich weder dafür noch dagegen eindeutige und schlüssige Beweise gefunden habe. Und ich habe wirklich intensiv recherchiert. Alles, was ich gefunden habe, sind Artikel (deren Verfasser die eine oder andere Ansicht vertreten), nicht ganz eindeutige Dokumente und Unmengen von YouTube-Videos, in denen teilweise auch aus dem Zusammenhang gerissene Snippets gezeigt werden.

Also bitte ich die Verfechter dieser Theorien nur darum, Folgendes zu bedenken:
Die Mahnwachen für den Frieden kritisieren die Berichterstattung der Mainstream-Medien, weil die Teilnehmer sich von diesen nicht unparteiisch und umfassend informiert fühlen. Aber wenn man sich im Gegenzug auf die Informationen in diversen Videos verlässt, die ebenfalls von jemandem mit einer eigenen Meinung und eigenen Zielen als Mittel zur Beeinflussung der Konsumenten produziert wurden, kann man stattdessen auch die Bildzeitung lesen. Denn in beiden Fällen kann man niemals sicher sein,

1. dass der Verfasser den Rezipienten damit nicht in eine ganz bestimmte Richtung manipulieren will,
2. dass er den Konsumenten wirklich umfassend informiert, da dieser seine Quellen nicht kennt und sie daher auch nicht selbst überprüfen kann,
3. dass der Verfasser nicht einfach Informationen oder Quellen unterschlägt, weil diese seiner eigenen Interpretation des Themas zuwiderlaufen,
4. dass der Verfasser den Konsumenten in einigen Dingen nicht schlicht und einfach belügt.

Oder man muss im Umkehrschluss in beiden Fällen davon ausgehen, dass er genau diese Dinge tut.

Sich im Internet zu informieren darf also nicht bedeuten, auf fertige Meinungen und Interpretationen anderer zurückzugreifen, deren Intentionen man gar nicht einschätzen kann. Und in der YouTube-Leiste einen Suchbegriff einzugeben, hat nichts mit Recherche zu tun. Das Fatale daran ist, dass man das befriedigende Gefühl hat, sich die Information „erarbeitet“ zu haben und dass sie deshalb „korrekt sein muss“.

Das Internet ist ein gutes Informationsmittel, aber auch ein ebenso gutes Mittel zu Desinformation.
Unser Bildungs- und Informationssystem ist darauf ausgelegt, und zu „Informationskonsumenten“ zu erziehen, nicht zu „Informationshinterfragern“. Man vermittelt uns Informationen nicht, damit wir sie überprüfen, sondern damit wir sie nachplappern. Und ebendiesen Umstand, dass wir das kritische Hinterfragen verlernt haben, machen sich auch jene Medien oder Personen zu nutze, die uns über das Internet manipulieren.

Aber um auf die obige Erklärung von „Die LINKE“ zurückzukommen:
Ich bin der Meinung, statt über die vereinzelten Verschwörungstheoretiker auf den Montagsmahnwachen aufklären zu wollen, sollte man lieber den Verschwörungstheorien an sich den Nährboden entziehen und die Verschwörungstheoretiker aufklären. Herr Dr. Gysi hat im letzten Jahr schon einmal einen diesbezüglichen Ansatz gezeigt, als er anregte, doch endlich das Besatzungsstatut aufzuheben, dessen Fortbestehen unzweifelhaft eine der maßgeblichen Quellen dieser Theorien ist. Warum geht man auf diesem Wege nicht weiter? Ich denke, jeder ist gern bereit, seine Ansichten zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren, wenn man ihm anhand von Fakten und Beweisen belegt, dass er sich im Irrtum befindet. Das würde die oben erwähnten Angelhaken – und damit die Bedrohung von rechts – doch weit wirkungsvoller neutralisieren, als vorsorglich alle Leute, die über gewisse Ungereimtheiten aufgeklärt werden möchten als Nazis abzustempeln.

Liebe LINKE, Ihr wollt dem kackbraunen Müll den Nährboden entziehen? Hier ist Eure Chance! Sie nicht zu nutzen schadet sowohl einer Bewegung, die das Potenzial hat, etwas wirklich Gutes zu bewirken, als auch Euch selbst!

In diesem Zusammenhang möchte ich noch Dr. Diether Dehm meine Anerkennung aussprechen für seine persönliche Stellungnahme zu diesem Thema.

Denn Ideologien – so gut und richtig sie sein mögen – sind zum Scheitern verurteilt, sofern sie nicht mit gesundem Menschenverstand und Menschlichkeit unterfüttert werden.

ein Kommentar von Heidi Langer

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Quellen – weiterführende Links

Grafiken: erstellt aus den Zahlen der Europawahl 2014 entnommen bei: http://www.bundeswahlleiter.de

Links: Für Frieden und Deeskalation in der Ukraine,
Beschluss des Parteivorstandes vom 25./26. Mai 2014
Dr. Diether Dehm:
Gegen Pawlowsche Reinlichkeitsreflexe der Linken


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