Wahl in Niedersachsen mit Signalwirkung für den Bund?

Das Bundestagswahljahr hat begonnen, und während die Union sich in bundesweiten Sonntagsfragenplanspielen der absoluten Bundestagsmehrheit annähert, blickten vor allem SPD und FDP mit ihren angeschlagenen Spitzenkandidaten auf die Wahl in Niedersachsen.

 

Seit vielen Jahren nämlich werden die Landtagswahlen in Niedersachsen, wenn sie zu Beginn eines Bundestagswahljahres stattfinden, von Journalisten für richtungsweisend gehalten. Vor allem, seit sich 1998 mit ihnen die Wahl Gerhard Schröders zum Bundestagsspitzenkandidaten der SPD verband. Schröder wurde Kanzler, und in der schreibenden Zunft war der Mythos der Niedersachsenwahlen geboren.

Spannend war diese Wahl ohne Frage bis zuletzt. Gegen 22 Uhr am Sonntagabend sah es nach einem hauchdünnen Vorsprung für die in Hannover regierende schwarzgelbe Koalition aus, dann war von einem Patt im Landtag die Rede, und beim vorläufigen amtlichen Endergebnis um 23:45 Uhr lagen SPD und Grüne mit einer Stimme im Landtag vor der bisherigen Regierung. Ein Regierungswechsel in Hannover ist somit möglich. Also hagelte es Gratulationen für die siegreichen Genossen aus der Parteizentrale in Berlin, wo Spitzenkandidat Peer Steinbrück kurz zuvor noch zerknirscht zugegeben hatte, dass die Niedersachsen-SPD von Berlin aus nicht genügend unterstützt worden war. Plötzlich war die Wahl ein glänzender Sieg der SPD, obwohl sie ihr zweitschlechtestes Ergebnis aller Zeiten in Niedersachsen eingefahren hatte mit ihren 32 %. Dass es dennoch so gerade für eine rotgrüne Regierungsmehrheit reicht, ist den Grünen zu verdanken, die den Karren mit ihren mehr als 13 % aus dem Dreck gezogen haben. Zur Gratulation an die SPD in Niedersachsen besteht wahrlich kein Anlass, was die Grünen auch dazu bringen sollte, möglichst maximale Forderungen an den Koalitionspartner zu stellen.

Union und FDP auf der anderen Seite haben zwar die Regierrungsmehrheit im landtag verloren, können aber in Wahrheit äußerst zufrieden sein. Alles Gerede über das Wahldebakel von schwarzgelb in Hannover ist nichts als Journalistengewäsch. Da wäre zunächst die CDU. Sie erhielt 36 % der Stimmen, ein normales CDU-Ergebnis. Wenn man aber bedenkt, dass viele CDU-Wähler ihre Zweitstimme für die Koalition der FDP gaben, wäre beinahe möglich gewesen, was im Bund vorausgesagt wird, dass die CDU nämlich die absolute Mehrheit im Landtag in Hannover erhalten hätte. Sie muss nun die bittere Erfahrung machen, dass eine Leihstimmencampagne auch nach hinten losgehen kann. Grundsätzlich aber profitiert sie von der ungeheuren Beliebtheit der Bundeskanzlerin, worin auch immer diese besteht.

Eine echte Überraschung ist das Abschneiden der FDP, sie erhielt knapp 10 % der Stimmen, obwohl viele Kommentatoren und vor allem viele Gegner in den sozialen Medien ihr einen Stimmenanteil von höchstens 3 % vorausgesagt hatten. Dabei ist das viel zu kurzsichtig gedacht. Die FDP kann immer dann punkten, wenn es wirtschaftlich bergab geht. Die Menschen trauen ihr und der Union ein großes Verständnis für die Wirtschaft zu, das letztlich allen Bürgern zugute kommen soll. Eine naive, aber verbreitete Denkweise. Zusammen mit der Leihstimmencampagne der CDU wurde die FDP aus dem Tief befördert und kann nun sicher sein, eine gute Ausgangsposition für die Bundestagswahl zu haben. Wenn dann die CDU so gut abschneidet, wie man jetzt erwarten kann, stünde einer Fortsetzung der jetzigen Regierungskoalition im Bund nichts mehr im Wege. Trotz all ihrer Skandale, ihrer Arroganz gegenüber den Schwächeren der Gesellschaft kann die FDP auf breite Zustimmung rechnen, wenn sie das Lied der Steuererleichterungen singt, auch wenn diese nur für beispielsweise Hoteliers und nicht für die arbeitende Bevölkerung gedacht sind. Ob das gute Abschneiden der FDP übrigens den Kopf des parteivorsitzenden Rösler retten wird, steht noch nicht eindeutig fest.

Eine weitere Erkenntnis der Niedersachsenwahl ist, dass die Piratenpartei ihre Chance für den Bundestag wohl verpasst hat. Mit weniger als 2 % der Stimmen blieb sie weit hinter den Erwartungen zurück. Dasselbe gilt für die Linkspartei, die im hohen Bogen aus dem Landtag geworfen wurde. Wenn die Niedersachsenwahl tatsächlich Signalwirkung für die Bundestagswahl haben sollte, dann sagt sie eine stabile schwarzgelbe Regierung voraus, eine SPD, die kaum größer als die Grünen ist, eine bis fast zur 5-%-Hürde geschrumpfte Linkspartei und eine enttäuschte demokratische Hoffnung, die Piraten, von denen man vielleicht schon nächstes Jahr nicht mehr spricht.

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