Waffeln und Hochschulpolitik

Ich sitze im Keller eines der schäbigsten Gebäude des Informatikum - ok eigentlich sind alle Gebäude ziemlich schäbig -, in einem kleinen Seminarraum. Ich habe eine Übung zur Softwareentwicklung, mein Übungsleiter lacht mal wieder Leute für ihren Code aus und versucht in schlechtem Deutsch klarzumachen, was daran falsch war. Wie eigentlich alle im Raum beschäftige ich mich lieber mit wichtigeren Dingen. Wir haben es alle schon längst aufgegeben seine Sprache und seine Gedankengänge zu verstehen. Nach der Übung möchte ich wählen gehen, denn dann kriege ich eine kostenlose Waffel. Letztes Jahr habe ich mich total geärgert, die Briefwahl in Anspruch genommen zu haben, dafür gibt es keine Waffel. Aber genau das ist das Ziel, sie wollen sich das Porto für die Briefwahl sparen. Dass sie überhaupt Wahlunterlagen per Post schicken... eine riesige Papierverschwendung.
Eigentlich weiß ich gar nicht wen ich wählen soll. Jedes Semester zahle ich mit meinem Semesterbeitrag 10€ an den ASta, ich habe mal gelesen, dass der ASta im Semester 1 Millionen Euro zur Verfügung hat. Was sie damit machen weiß ich nicht.
Ich schaue auf meinen Wahlzettel. Ich habe keine Ahnung, was die verschiedenen Hochschulparteien vertreten, ich könnte es jetzt in dem riesigen beiliegenden Heftchen nachlesen. Zu viele Seiten, zu viel Papier. Es gibt ettliche Listen, die man wählen kann. Darauf diverse Namen, einen einzigen kenne ich. Ich entschließe mich diese Liste zu wählen. Ich weiß sowieso nicht wofür die verschiedenen Listen stehen. Aber ihn kenne ich, ein guter Grund.
Vom Hamburger ASta bekomme ich nicht viel mit, auf vielen Toilettentüren am Hauptcampus hängt ein Poster von ihnen: "Das stille Wörtchen". Das Informatikum ist ihnen zu weit außerhalb, wir bekommen keine Poster. Wenn ich am Hauptcampus unterwegs bin, bleibe ich manchmal extra etwas länger in der Toilettenkabine um einen Absatz zu lesen, bisher war für mich nichts sinnvolles erkennbar. Ich erinnere mich an die Kampagne "eine Uni für Alle", in der der ASta forderte, dass jeder studieren darf. Besonders tief habe ich mich nicht damit befasst, aber ich frage mich, wie das möglich sein soll. Die Uni platzt jetzt schon aus allen Nähten, die Räume und Hörsäle sind heruntergekommen, die Technik aus einer anderen Zeit.
Ich stecke meinen Stimmzettel in die Wahlurne, ein Mitstudent streckt mir eine Waffel und meinen Studentenausweis entgegen, auf dem jetzt ein großes mit Kulli gemaltes S prangt. Wofür das steht weiß ich nicht, ich lächle und gehe.
Waffeln und Hochschulpolitik
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