W 124 Diesel Coupe

W 124 Diesel Coupe

Im Laufe der Erziehungphase in unserer Kindheit, haben wir schon des öfteren den Satz gehört:“Du kannst nicht alles haben !“ Also z.B. entweder Kaugummi oder Gummibärchen. Später, mit wachsendem Alter und den Erkenntnissen aus der Realität, sah man es dann genauso wie die Altvorderen!
In der Mercedeswelt war das allerdings etwas ganz Anderes. Der Europäer bekam kein C123 Coupe mit einem Oelmotor, der Ammi schon. Irgendwas musste also nicht ganz stimmen, bei dem Satz:“Du kannst nicht alles haben“ ! Warum Daimler Benz bei dem Nachfolger Coupe der Baureihe C124 nun auch den Amerikanern den Oelmotor im kleinen Zweitürer verweigerte, entschließt einer rationalen Betrachtung nicht. Waren doch die durchweg als betagt zu bezeichnenden Dieselmotoren der Baumuster OM 615,616,617, durch lang ersehnte Neukonstruktionen ersetzt worden, so ist diese Entscheidung noch weniger zu verstehen.
Und hier setzt unsere wahre Geschichte an. Wenn man ein Coupe der Baureihe C124 mit einem modernen, zudem auch aufgeladenem Dieselmotor seiner Zeit wünscht, dann muss man selber Hand anlegen. Verehrte Mercedes Benz Ingenieure, die Ihr vor einiger Zeit einem alten W201 einen CDI implantiert habt, werdet nun nicht neidisch, wenn ihr lesen könnt, was man in einem offenen Carport schaffen kann.

Der Schrauberzauberer dieser Geschichte ist Jan aus der Gegend von Offenburg. Und wer sich  einen C124 Turbodiesel wünscht, der muss zunächst ein geeignetes Coupe mit einem Benzinmotor anschaffen. Dieses Auto wurde in der nähe von Pirmasens gefunden. Ein 300 CE mit der Erstzulassung Januar 1988. Das Coupe aus dem ersten Produktionsjahr, in der seltenen Farbkombination Champagne Metallic, Code 472, und den in ocker abgesetzten Sacco-Brettern, hatte bereits 320.000 Km auf den Wegstreckenzähler gebucht. Normalerweise ist damit die schönste Zeit eines Autolebens bereits abgelaufen, denn im Sommer 2012 war das respektable Alter von 25 Jahren annähernd erreicht. Autos dieses Alters und dieser Laufleistung haben aller Hand über sich ergehen lassen müssen.  Bei der ersten Augenscheinnahme stellte sich ein grober Mangel heraus, der die restlichen Baustellen in den Hintergrund treten lies. Die Servolenkung war im Prinzip ohne Funktion. Dieser Mangel drückte den Preis von ursprünglich 1200,00 € auf 750,00 €. Somit war das ein Wertverlust von über 40.000 € in 24 Jahren – macht 1700,00 €  per anno. Diese Zahlen werden in ein anderes Licht gerückt, wenn man sich den Wertverlust einer S-Klasse der Baureihe W220 vor Augen führt. Für eine W220er Limousine S 500 zum Neupreis von 120.000 €, wird derzeit  ein Händlereinkaufspreis von 5500,00 € aufgerufen. Das sind dann ca. 8200,00 € Wertverlust pro Jahr. Angesichts der Qualitäten der Vormopf W220er stellt sich auch die Frage, ob diese Fahrzeuge überhaupt wirtschaftlich über 20 Jahre alt werden können. Wirtschaftlichkeit hin oder her gerechnet; einen C124 Coupe gab es nicht für Geld und gute Worte ! Somit lässt sich über den Wert eines solchen Autos erst am Ende seiner Geschichte wirklich etwas konkretes sagen.
Kommen wir aber zum Karosseriespender zurück und buchen auf die Habenseite des Autos eine einwandfrei schaltende Automatik, einen ordentlichen Motorlauf und Ausstattungsdetails, die nach ihrer Revision, in ein Mercedes Coupe hinein gehören, wie Senf auf Bratwurst, oder Champagner zu Kaviar… Klimaanlage, Lederpolsterung, Automatikgetriebe und – hier muss ich wieder auf Koch & Rhodes Abhandlung zum Strich Acht zurückgreifen: Ein Mercedes ohne Schiebedach, ist wie Kaffee ohne Sahne, wie Regen in der Sahara, eben wie A ohne B !
Nach erfolgtem Kauf führt der erste Weg zur Beseitigung eines Mangels, den wohl so gut wie alle Gebrauchtwagen – ja sogar Neufahrzeuge – haben, zur ersten größeren Investition ! Der chronische Mangel an Kraftstoff und ein fehlender Schluck Schmierstoff konnten an einer Tankstelle schnell beseitigt werden. War unser Protagonist auf dem Hinweg noch auf die Deutsche Bahn angewiesen, konnte der Rückweg mit der Zuverlässigkeit der schwäbischen Metallkunst angetreten werden.
Wer zuvor noch nie ein Auto besessen hatte, dass über sechs Zylinder verfügt, mehr als 120 PS hat, über 200 Km/h schnell ist, mit Ledersitzen und Klimaanlage ausgerüstet ist, der darf seiner ersten Fahrfreunde mit dem Durchtreten des Gaspedals, aus einer Geschwindigkeit von 30Km/h, frönen, sich ins edle Leder drücken lassen und dem Drehzahlmesser bis auf 5000 U/pm folgen. Die anfängliche Verzögerung ist nicht der trägen Stauscheibe der KE-Jetronic geschuldet, sondern dem unwilligen Öl der Automatik, die etwas braucht um die Kraft an die Zahnradsortierung abzugeben. Dann aber passiert auch beim M103 einiges. Bei diesen Manövern, spürt man was es heißt, einen Youngtimer zu bewegen. Alles läuft etwas langsamer und zurückhaltender ab. Brachiale Zylinderfüllungen in unteren Drehzahlbereichen, wie sie heute von Turboladern und Kompressoren, erzeugt werden, waren in den 80iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch weitestgehend unbekannt. Der Neuwagenkäufer eines edlen Coupes vermisste diese Zwangsbeatmung wohl kaum. Der Kunde dieser Zeit gab mit Freude mehr Geld für weniger Auto aus und erwartete dafür stilsicheres Auftreten und die Zuverlässigkeit eines Glashütte Uhrwerks.
Apropos Zwangsbeatmung – hier hat Jan aus der Pfalz wohl eher andere Vorstellungen, die aber ebenfalls schwäbisch lösbar sind. Lesen Sie in Kürze hier den zweiten Teil der Metamorphose vom M103 zum OM 603 im C124…


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