Vorzüge sichern, Ungünstigkeiten abwenden

oder Osteuropa soll in Deutschland aufgehen.
Wie Deutschland Europa begreift, läßt sich an der Debatte um die Einreise-Sperre für Einwanderer aus dem europäischen Osten ablesen. Die Europäische Union wird nicht als Wertegemeinschaft verstanden, sondern als Selbstbedienungsladen der deutschen Exportwirtschaft.
Wie hat man doch damals die Osterweiterung angepriesen, gegen jede Kritik verteidigt! Sie berge große Chancen für die deutsche Wirtschaft, hieß es. Sie sei unbedingt notwendig, deutsche Unternehmen bräuchten einen Wirtschaftsraum im Osten, unkten die Jünger der Alternativlosigkeit theatralisch.

Kein europäische Wirtschaft hat dermaßen vom Euro und der Eurozone und von der Osterweiterung profitiert, wie die deutsche. Auch ein Aspekt der Krise im Euroraum - ein Aspekt allerdings, der hierzulande kaum thematisiert wird. Die Stärke der deutschen Volkswirtschaft wird nicht als Ursache der gegenüberliegenden Schwäche innerhalb einer Zone verstanden, die auf Gleichgewichtung konzipiert sein müsste, sondern als Musterbeispiel für alle Länder. So als könnte es ein Hausse für alle gleichzeitig geben.
Die Freizügigkeit deutscher Unternehmen im Osten des Kontinents war die elementare Basis einer florierenden deutschen Wirtschaft, die überdies die Früchte dieser sprießenden Flora nur zögerlich bis gar nicht an die Arbeitnehmer hier wie dort verteilte. Diese Freizügigkeit versteht die Deutschland AG nun allerdings als eine Autobahn mit Verkehr nur in eine Richtung. Die Freizügigkeit der EU-Bürger aus Bulgarien und Rumänien, besonders derer, die Romanes sprechen, soll nämlich nun beschnitten werden. Diese Freizügigkeit galt mitunter als Bestandteil der europäischen Idee.
Sie - die europäische Idee - soll aber nur noch einseitig funktionieren. Man hat freizügig Profite erwirtschaftet und tut es noch immer. In Rumänien und Bulgarien produzieren deutsche Unternehmen günstig, Personalkosten sind niedrig, Nebenkosten kaum vorhanden. Die notwendige Infrastruktur bringt entweder der jeweilige überforderte Staat auf oder die Europäische Union. Für die Sicherheit sorgt die dortige Polizei auf Kosten der rumänischen oder bulgarischen Allgemeinheit. Aber die Freizügigkeit von Osteuropäern sei es nun, die unser aller mitteleuropäische Existenz bedrohe! Hätten nicht die Osteuropäer diesselben Vorurteile aufbringen können, als reiche europäische Industrieländer, allen voran Deutschland, in die osteuropäische Hemisphäre hineinstießen, ohne sich dort einzupassen, sondern um dort in einer Parallelgesellschaft des Profitmaximierens zu leben?
Wie verstehen die politischen Marionetten der deutschen Wirtschaft diese europäische Idee eigentlich? Ist sie für sie wirklich nur ein Freifahrtschein für Profite? Oder war sie nie eine europäische, wohl aber eine profitmaximierende Idee?
Muss die liberale Gegenseitigkeit aufgegeben werden, wenn ein Vorteil vielleicht auch Nachteile mit sich bringt? Freizügigkeit für Firmen und Residenzpflicht für EU-Bürger, die man qua ihrer Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit zu EU-Bürgern zweiter Klasse herabmindert?
Welchen europäischen Gedanken meinen diese Damen und Herren eigentlich, wenn sie langatmig in Sonntagsreden von ihm sprechen? Er ist wohl nur das Feigenblatt ihrer Klientelpolitik, die sie als europäische Errungenschaft anmoderieren. Als sie die Freizügigkeit anpriesen, die nun von Ost nach West und West nach Ost möglich würde, da meinten sie die Freizügigkeit der Unternehmen und hofften, die Freizügigkeit von privaten EU-Bürgern würde sich bis dahin irgendwie erledigt haben.
Vielleicht meinte man, die Hungerlöhne, die deutsche Unternehmen dort bezahlten, würden Strukturen schaffen, die die Ausreise und das Verlassen der Heimat unattraktiv machten. So benebelt kann man im Rausch der Gewinnsucht zuweilen sein!
Die europäische Idee verstehen die politischen und wirtschaftlichen Eliten Deutschlands als eine Idee deutscher Leitwolfpolitik. Vorzüge sichern, Ungünstigkeiten abwenden! Die Kehrseite zum betriebswirtschaftlichen Profit wird europäisiert - nur der Gewinn darf deutsch bleiben. Die Regierung Merkel sei die Patrona Europea, liest man in der hiesigen Presse. Damit ist aber zweifelsohne kein Europa mit Partnern auf Augenhöhe gemeint.


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