Vorurteile

Erstellt am 12. August 2011 von Andramas

Berliner Straße in Potsdam. Es wird gebaut. Wir fahren Einbahnstraße, der Weg ist eingeschränkt.

Für sie überraschend halte ich plötzlich an. Sie will wissen warum.

Was ich ihr zu erklären versuche, ruhig und besonnen:

“Sieh – da vorn ist gerade eine Frisur eingestiegen. Unklar ist, was nun geschehen wird. Da warte ich sicherheitshalber ab.”

Was für ein Ansinnen meinerseits!

Ich kann den Zorn meiner Beifahrerin über solche Worte geradezu auf der Haut spüren. Mit feministisch-giftigen Worten verteidigt sie ihre Geschlechtsgenossin.

“Du immer mit Deinen Vorurteilen! Wäre jetzt ein Mann eingestiegen, hättest Du nie und nimmer angehalten. Und überhaupt: “Frisur” – was ist denn das für eine Herabsetzung!”

“Macho” nennt sie mich im Weiteren und verweist auf eine Statistik, irgendwo im Netz veröffentlicht, wonach Frauen viel-viel seltener für Unfälle verantwortlich seien.

Zornige Worte, die sich – Ironie der Situation – plötzlich selbst karikieren. Die Frisur hat nämlich inzwischen den Rückwärtsgang eingelegt, fährt nun entgegen der Einbahnstraße rückwärts, will offenbar sogar die zurückliegende Kreuzung erreichen und zwingt mich, wie auch die beiden weiteren Autos hinter mir rückwärts zu fahren. Entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung.

Ich grinse daher, sehe zu meiner Beifahrerin und sage “Guckst Du!”

Dass ich offensichtlich im Recht bin, macht sie noch zorniger. Ihr Bannstrahl trifft die Machowelt im Allgemeinen und mich im Besonderen. Tenor des Vortrages: Alle Menschen sind gleich, auch im Straßenverkehr.

Mitten im Text löst sie den Gurt und öffnet die Tür, um mich und das Auto zu verlassen.

!-~~~-Quiiiiietsch – ~~~-!

Der Radfahrer konnte zwar in letzter Sekunde ausweichen, zornt aber ebenso, wie sie zuvor.

“Du blöde Kuh! Du! Kannste nich gucken wennde aussteigst?!”

Was sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen kann. Sie sieht zurück ins Auto und artikuliert Offenbares.

“Der Mann hat mich beleidigt!”

Ja klar. Der Mann hat sich ja auch erschrocken.

Ich bleibe sitzen – was sie ungeduldig macht:

“Tue endlich irgendwas dagegen – DU BIST DER MANN!”


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