Vorsicht heißt die Reise-Mutter

Wer als unabhängig Reisender den Erdball möglichst oft und ausgiebig bereisen möchte, sollte auch dem (sehr zu Unrecht verpönten) Thema Sicherheit ebenfalls seine gebührende Aufmerksamkeit schenken. Was nicht bedeutet, dass man sich von Risiken und Gefahren die Reiselust verderben lässt. Unvorhergesehenes gehört nun mal zum allgemeinen Lebensrisiko. (Fast) alles, was unterwegs passieren kann, könnte einem genauso gut daheim widerfahren.
Veranstalterunabhängigen Reisenden muss allerdings klar sein, dass sie in vielen Wechselfällen des Lebens (z. B. Passverlust, Kreditkartendiebstahl, Pleite einer Fluggesellschaft) auf sich allein gestellt sind. Allzu große Hoffnungen in deutsche Auslandsvertretungen zu setzen, verbietet sich!
Die ebenso alte wie banale Weisheit bleibt: Informiert sein ist alles! In der Tagespresse des Gastlandes und bei lokalen Bloggern erfährt man stets mehr als auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Aber die Lektüre beim State Department schadet nicht. Dort erfährt man meist sehr zeitnah, wo es gerade brenzlig ist. Ein Schwätzchen mit Langzeitreisenden und Einheimischen kann ebenfalls nie schaden. Wer statt im Luxushotel in einer einfacheren Herberge absteigt, kommt im Gespräch mit seinen Gastgebern zu mehr „Insider-Tipps" als in jedem Reiseführer.
Die lokale Polizei ist in vielen Ländern eher mit Vorsicht zu genießen: In Lateinamerika, Afrika oder selbst auf dem Balkan oder in den ehemaligen GUS-Staaten sind die vermeintlichen Gesetzeshüter korrupt und unzuverlässig. Unser Vertrauen hat da sehr enge Grenzen!
Es wimmelt auf dieser Welt nicht überall von Mördern, Räubern, Vergewaltigern und Trickdieben! Auch im Ausland gilt: Die Mehrheit der Menschen ist freundlich - und ehrlich! Bleibt also der kleine, aber leider kriminelle Rest. Man kann sich jedoch wirkungsvoll schützen, wenn ein paar Grundregeln beachtet werden (die eigentlich auch in Deutschland gelten):
Gelegenheit macht Diebe (und Räuber)! Also gar nicht erst die Gelegenheiten schaffen.
Absolute Tabus:
Nach Einbruch der Dunkelheit nicht in unbekannte Gegenden begeben - vor allem nicht in Armenviertel. Wertvoller Schmuck aller Art gehört - außer vielleicht bei Kreuzfahrten (aber auch dann nicht beim Landgang) - niemals ins Reisegepäck! Aber: Selbst in Sandalen und Badeshorts sowie ohne erkennbare Wertgegenstände wie teure Videokamera oder Original Luis Vuitton-Tasche ist jeder (westliche) Reisende für die Einheimischen in Lämndern der Dritten Welt reich - allein, weil man sich die Reise dorthin leisten konnte!
Wer das Gefühl hat, es könnte irgendwo brenzlig werden, der folge seinem Bauchgefühl und entferne sich rasch von diesem Ort.
Niemals in größeren Männergruppen auftreten! Das könnte in südlichen Gefilden Europas oder in Lateinamerika bereits provozieren. Frauen sollten nie allein abendliche Ausflüge machen oder tagsüber abseits befahrender Routen solo unterwegs sein. Pärchen machen hingegen stets einen friedlichen Eindruck.
Bei Einkäufen, in Cafés oder beim Bummeln sollte das Augenmerk nicht nur auf Gegenständliches und Sehenswürdigkeiten, sondern auch auf die Umgebung gerichtet sein. Die Gefahr lauert im Gedränge, wo der Dieb unerkannt untertauchen kann. Ein Tagesrucksack sollte dann sicherheitshalber vor der Brust (und nicht auf dem Rücken) getragen werden.
Pass, Personalausweis, Führerschein etc.: In vielen außereuropäischen Ländern ist man auf Pass und internationalen Führerschein angewiesen; auch darauf, beides im Original mit sich zu führen. „Sicherheitshalber" Kopien mit sich zu führen - während das Original im Hotelzimmer schlummert - kann trügerisch sein. Und es kann mehr Ärger geben als Sicherheit! Von allen persönlichen Dokumenten vor der Abreise digitale Kopien virtuell abzulegen, ist nicht die schlechteste Überlegung. Dorthin gehören auch Notfall-Telefonnummern aller Art. Dann kann man in jedem x-beliebigen Internetcafé selbst dann noch auf alles zugreifen, wenn Smartphone & Co. geklaut wurden.
Tipp für Südamerika, Afrika oder Osteuropa: Veraltete, ungültige Kredit- oder ec-Karten werden in der Dunkelheit oft von Räubern als Zahlungsmittel akzeptiert und befrieden sie, wenn auch nur für kurze Zeit.
Nepper, Schlepper, Bauernfänger: An den schönsten Stränden von Mallorca über Nordafrika bis hinüber in die Karibik und an südostasiatischen Gestaden wird man auf Verkäufer jedweden Guts treffen. Mal mehr, mal weniger aufdringlich. So manche „echte" Perle, die selbst den hohen Temperaturen des Feuerzeugs widerstanden hat, entpuppte sich später daheim als hochwertiger, aber wertloser japanischer Kunststoff. Wer kein Schmuckexperte sind, sollten von allem vermeintlich Wertvollen, das auf der Straße oder am Strand angeboten wird, die Finger lassen. Und selbst wenn Echtheit keine Rolle spielt, bezahlt man regelmäßig für diesen Plunder zuviel. Zu Neppern & Bauernfängern habe ich hier einiges notiert.
Übernachtung im Guesthouse oder Schlafsaal: Wertgegenstände sollten, sobald man das gastliche Haus verlässt, mitgeführt werden. Schließfächer bieten nur bedingt Schutz. Schon aus Komfort-Gründen rate ich von einem Schlafsaal („dorm") ab. Es sollte der Ausnahmefall sein, wenn es die Reisekasse zulässt. Kleinere Unterkünfte bieten Dieben weniger Anonymität und sind ein gewisser Schutz.
Dennoch ist angeraten, alle Dinge von Wert (angefangen bei Pass, Kreditkarten, Tickets sowie Smartphone, Notebook, Digitalkamera & Co.) ständig bei sich zu tragen. Schlösser am Rucksack sind nur unterwegs sinnvoll, um Taschendieben zu wehren. Kein Schloss ist so gut als dass es in einem „luggage room" nicht geknackt werden könnte. Wer vom „dorm" nicht lassen mag: Nachts im Schlafsaal sollten Dokumente und Geld einen Platz finden, der möglichst nah am Körper und möglichst schlecht für „Langfinger" erreichbar ist! Gestohlen wird erfahrungsgemäß seltener von Wirtsleuten und Hotelpersonal als vielmehr von Mitreisenden!
Wer gern die Nacht zum Tage macht, sollte besonders gut aufpassen, vor allem als Alleinreisende(r). Seinen Drink unbeaufsichtigt stehen zu lassen, ist schon daheim keine gute Idee, im Ausland erst recht nicht. Wichtigste Regel: Bei Dämmerlicht und Alkohol macht man keine Geschäfte, nicht einmal mit guten Bekannten! In fremder Umgebung nachts mit Unbekannten um die Häuser zu ziehen, ist erst recht eine krude Eingebung. Wenn irgend möglich, sollte ein längerer Heimweg mit einem Taxi bewältigt werden. Lokale Notfallnummern sollte man auf dem Handy bereits abgespeichert haben. Zu wissen, wie man sein Quartier auf verschiedenen Wegen erreicht, kann ebenfalls nie schaden.
Vorsicht vor ausgewanderten Landsleuten („expats"). Lieber jemandem unrecht tun als durch trügerische Sicherheit geprellt werden! Wenn Landsleute uns grundlos ansprechen oder sich zu uns an den Tisch setzen, um „Tipps" abzusondern, gehen wir regelmäßig. Vor allem dann, wenn das Wort Geld im zweiten Satz fällt.
Ein offenes Wort, wenn es mal ganz brenzlig werden sollte: Wem Gesundheit und Leben wirklich lieb sind, verzichtet auf jedwede Selbstverteidigungsratschläge meist selbsternannter Experten. Denn letztere haben die Situationen, denen andere gewachsen sein sollen, selbst NIE erlebt! Grau ist alle Theorie. Wirklich Kundige brauchen auch keine Tipps an dieser Stelle. Sie wissen selbst, was im Ernstfall zu tun ist. Für alle anderen: Es hat keinen Sinn sich zu wehren, wenn man es nicht eingehend gelernt hat! Für Laien gilt bei Gefahr im Verzuge: Laufe, so schnell du kannst, um dein Leben!
Wie „Sir Vival" Rüdiger Nehberg treffend schrieb: Nur wer keinen anderen Ausweg sieht und den sicheren Tod vor Augen glaubt, sollte sich bedingungslos zur Wehr setzen. Dazu sollte ihm dann aber JEDES Mittel recht sein! Dann gilt im Zweifel: Lieber schuldig, aber lebend im Knast als unschuldig im Sarg!
Besser: Alles vermeiden, was zu brenzligen Lagen führen kann. Schon mancher bezahlte seine Neugier und Vertrauensseligkeit mit dem Leben. Das gilt für den Umgang mit Menschen ebenso wie für den mit Tieren. Auch wenn die Katze in Bangkok noch so schnurrt, der Hund in Delhi noch so brav erscheint: Niemals fremde Tiere anfassen (Stichwort Tollwut!).
Wer sich als Newcomer in Alaska partout in der Wildnis bewegen will, auf einer Safari in Afrika den "Big Five" (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe, Leopard) möglichst nahe kommen möchte oder ausgedehnte Touren durch den südamerikanischen Dschungel plant, der vergesse nicht, ortskundige (einheimische) Führer anzuheuern!
In Gegenden, wo Schusswaffen unter Umständen (über)lebensnotwenig ist, überlasse man das Mitführen und den Gebrauch derselben besser sach- und fachkundigen Einheimischen. Besonders in Südamerika sowie Teilen Asiens und Afrikas sollten sich Abenteurer nie Gruppierungen anschließen (so wegkundig und gastfreundlich sie auch sein mögen), die eine Gegenseite haben. Im Fall, dass Menschen aus einer solchen Gruppe polizeilich oder von Dritten gesucht und letztlich vielleicht auch festgesetzt werden, kommt man selbst schnell in den Geruch des Sympathisanten. Die Folgen können weitreichend und unangenehm werden.
Orientierung: Garmin & Co. sind tolle Hilfsmittel in einer hochtechnisierten Welt. Sich aber jenseits der Zivilisation ausschließlich auf GPS u. a. Hilfen zu verlassen, kann tödlich sein. Es gibt ausgesprochen gutes, wenngleich teures Kartenmaterial zu kaufen - und mit einem Kompass umgehen zu können, hat noch nie geschadet. Wer noch dazu Grundkenntnisse im Lauf der Gestirne besitzt, ist (fast) immer auf der sicheren Seite.
Vor jedem Grenzübertritt und jedem Flug packen wir vorsichtshalber unsere Rucksäcke neu. So tun wir das Menschenmögliche, uns nicht zu Kurieren wider Willen machen zu lassen. In vielen Ländern drohen selbst bei geringen Drogenmengen hohe Haftstrafen, zuweilen gar die Todesstrafe. Finger weg von Drogen, so schwer es auch gelegentlich fallen mag.
Wir haben im Laufe der Jahre immer wieder festgestellt, dass als Paar zu verreisen ein Glücksfall ist. Auch in Sachen Sicherheit. Vier Augen sehen mehr als zwei. Und die Gefahr, als alleinreisende Frau in gewissen Gegenden als Freiwild betrachtet zu werden, entfiel für meine Lebenspartnerin.
PS: Ein Blick auf die Risk Map 2015 vor Reiseantritt kann nicht schaden. Leben & Gesundheit sollten höher angesiedelt werden als „Abenteuer". Wer blauäugig in Krisengebiete reist, sollte auch selbst zusehen müsssen wie er aus einem Schlamassel wieder heraus kommt. Ich sage es klipp und klar: Wer trotz Reisewarnung in ein Krisen- oder Kriegsgebiet reist, ist für mich kein „Abenteurer", sondern ein Vollidiot.

Vorsicht heißt die Reise-Mutter

Schreibender vielreisender Backpacker und Reisemobilist


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