Es gibt nur wenige Bücher, die ich mehrmals gelesen habe und die mich nachhaltig zum Grübeln gebracht haben. Die Fantasy-Triologie “His Dark Materials” von Philip Pullmann ist eines davon. Ausgangspunkt der Fantasy-Reihe ist eine uns sehr ähnliche Parallelwelt, in der Wissenschaft, Theologie und Magie eng miteinander verwoben sind. Und in der das Waisenmädchen Lyra eine ganz entscheidende Rolle spielt, um Verschwörungen aufzudecken. Nun gibt es ganz unverhofft die Vorgeschichte dieses wunderbaren Werks von Philipp Pullmann: His Dark Materials 0: Über den wilden Fluss. Ein Buch, das ich in nur zwei Tagen durchgelesen haben, weil mich die Geschichte einfach mit sich gerissen hat. Ich war auch auf diesem wilden Fluss.
Der 11-jährige Malcolm lebt mit seinen Eltern und seinem Dæmon Asta in Oxford. Er ist nicht nur wahnsinnig hilfsbreit sondern auch sehr wissbegierig. In dem Kloster auf der anderen Seite der Themse geht er aus und ein. Als die Nonnen ein Baby aufnehmen, von dem keiner wissen darf, erkennt er mit seinem Scharfsinn wie sich die Welt um ihn verändert. Malcolm schließt das kleine Mädchen Lyra, das in großer Gefahr zu sein scheint, sofort in sein Herz, und setzt alles daran, es zu schützen.
His Dark Materials 0 – Über den wilden Fluss werden Fantasy-Freunde ab 14 Jahren lieben. Daher habe ich dieses Werk auch ganz alleine gelesen, denn für den feinen Herrn wären vor allem die wissenschaftlichen Bezeichnungen noch zu schwer verständlich. Und mit über 500 Seiten würde ich noch an Ostern vorlesen.
Der Goldene Kompass, Das magische Messer, Das Bernstein-Teleskop
Mit “Über den wilden Fluss” startet die Vorgeschichte zum Weltbestseller. Die anderen Bände muss man dafür allerdings nicht zwingend kennen, um in die Story einzutauchen. Hier eine grobe Zusammenfassung: In “Der Goldene Kompass” verschwindet Lyras bester Freund, so dass sie sich sich auf die Suche nach ihm macht und einer finsteren Verschwörung auf die Spur kommt. Dabei findet sie heraus, was es mit dem seltsamen »Staub« auf sich hat. In »Das Magische Messer« bekommt sie Unterstützung von Will, der in unserer Welt lebt und der ein besonderes Messer besitzt. Mit ihm kann er Fenster zwischen den Welten öffnen. Nach und nach entdecken Lyra und Will die Wahrheit über Lyras Herkunft. Und über ihre Rolle in der großen Schlacht, die nicht nur eine Welt umfasst und die in »Das Bernstein-Teleskop« ihren spannenden Abschluss findet.
Das sagt Mutter – Vom Erzählfluss voll mitgerissen
Die Geschichte von Lyra geht weiter, nur an einem anderen Punkt. Nämlich am Anfang. Und ich bin wieder fasziniert von der steampunkigen Welt, in der es noch Lords und Ladys gibt. Eine Welt, die unserer so ähnlich ist und doch wieder nicht. In der die Länder und Kontinente wie auf unserer Erde verteilt sind, aber stellenweise andere Namen tragen.
Was mich dabei fasziniert, ist die kritische Haltung zur Kirche und deren Institutionen wie das Magisterium, das ein ausführendes Organ der Kirche ist und Kritiker und Gegner “verschwinden” lässt. Zuweilen ist die Stimmung in Über den wilden Fluss daher recht düster und manche Szenen ,wie die rund um den Bund des heiligen Alexander, der Schüler manipuliert und instrumentalisiert, sind richtig beängstigend.
Mr. Willis hatte dem Bund des heiligen Alexander die Stirn geboten und wurde jetzt dafür bestraft. Das verlieh den Abzeichenträgern ein prickelndes Machtgefühl, denn es war ihnen gelungen, einen Direktor abzusetzen. Kein Lehrer war jetzt mehr sicher. (Seite 156)
Die Kirche versucht immer mehr die Macht über das Leben der Menschen zu übernehmen. Doch es gibt auch eine wissenschaftlich angehauchte Gegenbewegung. Und beide Seiten sind interessiert an dem Baby Lyra, das aufgrund einer Prophezeiung wichtig für den Verlauf der Geschichte zu sein scheint. Malcom, unsere Hauptperson, gerät dabei dank seiner Beobachtungsgabe und seiner Scharfsinnigkeit zwischen die Fronten. Er versucht zusammen mit der Küchenhilfe Alice, dem kleinen Mädchen Lyra zu helfen.
Malcom spürte, wie ihn plötzlich die Liebe zu den beiden überwältigte, aber auch unendliches Bedauern, dass er sie in diese Lage gebracht hatte. (Seite 548)
Das wohl faszinierenste an Malcoms Welt ist jedoch, dass jeder Mensch einen Dæmon besitzt. Die Seele des Menschen, die sich passend zu den Charaktereigenschaften der Person in Tiergestalt zeigt und immer das gegenteilige Geschlecht besitzt. Dæmonen sind Freund und Beschützer des Menschen – und untrennbar mit ihm verbunden. Bei Kindern kann der Dæmon noch seine Gestalt wechseln – erst mit dem Erwachsen-sein bleibt er in einer festen Tiergestalt. Beispielsweise haben folgsame und treue Menschen meist einen Hunde-Dæmon. Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen, wie oft ich schon darüber nachgedacht habe, welchen Tier-Dæmon ich wohl hätte. Wahrscheinlich eine Katze?
Grandioses Kopfkino
Über den wilden Fluss ist wirklich tiefsinnig, mitreißend, spannend und am Ende sogar sehr mystisch. Ein Fantasy-Buch nach meinem Geschmack. Und ich kann den nächsten Teil kaum abwarten.
Ich mochte die Verfilmung von “Der Goldene Kompass” mit einer gradios kalt-schönen Nicole Kidman in einer der Hauptrollen sehr – und war etwas traurig, dass nicht auch die anderen Teile ins Kino kamen. Das lässt mich leider nicht hoffen, dass auch diese neue Trilogie, dessen Auftakt Über den wilden Fluss ist, irgendwann einmal verfilmt wird. Aber das Kopfkino, das ist auch schon sehr geil.
Autor: Philip Pullman
Verlag: Carlsen
Übersetung: Antoinette Gittinger
Altersempfehlung: ab 14 Jahre
Seiten: 560ISBN: 9783734840104
Preis: 24,- €