Heute sind es noch 76 Tage, bis ich in den Flieger nach Spanien steige; mein Camino 2015 hat allerdings schon im Moment der Entscheidung begonnen. Der Reiseführer ist angelesen und die Flüge gebucht – es gibt also kein Zurück mehr und ich kann meinen Weg um die Flüge herum planen. Ja, ja, ich weiß: ich sollte nicht zu viel planen, den Weg lieber auf sich zukommen lassen. Allerdings ist diese Planung auch schon Teil meiner Vorfreude und genau so ist der Weg für mich richtig und war es bisher in den vergangen Jahren eben auch.
Ob sich in Spanien selbst alles so ergibt, sei mal dahin gestellt. Sollte es nicht so sein, ist das aber auch nicht schlimm. Es geht hier nur ein bißchen darum, schon im Vorfeld zu wissen, was ich unbedingt sehen möchte, wo ich sehr gerne nächtigen möchte. Und wenn da wie 2010 Foncebadón dabei ist oder in diesem Jahr die Herberge im Kloster Zenarruza, die bei der Glaubensgemeinschaft der 12 Stämme oder das von Reiseführer, anderen Blogs und meinem Camino-Freund Alessio empfohlene Güemes, versuche ich eben die vorherigen und nachfolgenden Etappen so zu planen, dass das auch klappt.
Dazu kommt, dass ich nicht unendlich Urlaub habe oder gar ein Sabatt-Jahr, wie einige andere auf dem Camino, sondern meinen Weg um feststehende Flüge herum planen muss. Schließlich muss ich auch sicher gehen, am Ende irgendwie zum Flughafen zurück zu kommen, ohne dabei aber großartig viele Lauftage zu verschwenden. 2010 war klar, dass ich in Santiago de Compostela ankommen werde. Eine Verletzung oder sonstige Unterbrechung oder gar den Abbruch hatte ich mit keinem Gedanken in Betracht gezogen, ehrlich nicht. Mir war von vornherein klar, dass ich es bis Santiago schaffen werde. Zwar mit kleiner Bus-Unterbrechung zwischendurch, aber trotzdem. In Najera hatte ich dann meinen Rückflug gebucht, da ich dort abschätzen konnte, wie lang es dauert, bis ich Santiago erreiche. Die wichtigen Puffertage habe ich nicht benötigt, konnte sie aber ja für ein schönes Wiedersehen nutzen.
In diesem Jahr habe ich beide Flüge direkt gebucht, allerdings laufe ich auch nicht den gesamten Weg, vor allem muss ich nicht mehr in Santiago ankommen. Und ehrlich: Ich möchte es auch gar nicht mehr. Das Ankommen in Santiago war nicht schön für mich, ich habe es weder genossen, noch in bester Erinnerung. Der Camino ist einfach alles davor für mich. Ich muss nicht vor der Kathedrale in Santiago stehen, um zu wissen, was ich geschafft habe und dass ich etwas erreicht habe. Ich muss nicht die Statue des Hl. Jakobus umarmen, ich muss nicht dem Abschlussgottesdienst beiwohnen. Ich habe es einmal geschafft und habe auch meine Compostela bekommen, und damit ist es genug. Ich möchte den Weg erleben, nicht das Ankommen!
Meine Compostela aus 2010
Das Grundgerüst für den diesjährigen Camino war schnell aufgestellt: nach Santander fliegen, von dort mit dem Überlandbus nach Irun fahren und am Folgetag auf dem Camino de la Costa (oder auch Camino del Norte) wieder Richtung Santander zu laufen. Das wären rund 300km. Dann habe ich das wunderbare Blog von Sabine (Klick hier) entdeckt: sie ist 2011 auf dem Küstenweg gewandelt und hat mit ihrem Pilger-Tagebuch ein wunderbares Kleinod geschaffen, das dank ihres wunderbaren Schreibstils mehr als nur amüsiert und gefangen nimmt, aber eben auch einen großartigen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt eines Einzelpilgers auf dem Camino de Santiago gibt. Sie ist ebenfalls in Irun gestartet, allerdings bis Llanes gelaufen. Diese Stadt ist nun auch mein gedankliches Ziel. Ob ich es bis dahin schaffe und wie die Etappen davor aussehen, ist nicht klar. Und das ist auch richtig so. Aber ein Ziel möchte ich doch haben.
Meine Credencial ist auch schon eingetroffen – der Pilgerausweis, der mir die Übernachtung in den Herbergen erlaubt und in dem sich diese und andere Einrichtungen mit einem Stempeldruck, einer schöner als der andere, verewigen. Nun fehlen nur noch wenige Ausrüstungsgegenstände und ein paar Klamotten, und dann kann es bitte endlich losgehen.
Meine Pilgerausweise aus 2010
Die Frage um Ausrüstungsgegenstände und Equipment hat mich in den vergangenen Tagen bewegt. In einer der Jakobsweg-Gruppen auf Facebook kam Unmut über die sogenannten High Tech-Pilger auf; eben Menschen wie mich, die sich Gedanken um das Gewicht ihres Rucksacks machen und nicht nach dem “ursprünglichen Weg” pilgern. Die nicht auf Kamera und Smartphone verzichten. Die sich nicht an die Meinungen anderer halten, welches Teil für sie Luxus und damit als zusätzliches Gewicht im Rucksack deklarieren. Ich bin zwar in Foren und auf Facebook in diesen Gruppen unterwegs, schreibe dort allerdings nicht sonderlich intensiv. Dieser Beitrag hat mich aber doch bewegt und auch ein bißchen geärgert – ich wollte antworten und mich auch ein bißchen rechtfertigen. Und eigentlich finde ich schade, dass das sein musste.
Es soll doch jeder seinen Camino so gehen wie er meint. Ob er wie Hape in Pensionen unterkommt statt in Herbergen, ob er sich für einen Ultraleicht-Rucksack statt irgendeinen Rucksack entscheidet, ob er lieber nur 10km am Tag statt 35km geht, ob er iPad und iPhone mit nimmt oder komplett auf Technik verzichtet, ob er sich jeden Abend ein tolles Menü gönnt oder doch lieber alleine kocht – ich habe auf meinen Caminos die unbändige Akzeptanz für andere Einstellungen, Ansichten und Lebensweisen geliebt, dass alles in Ordnung ist und jeder für sich selbst entscheiden muss und darf (!), wie der Camino zu seinem Camino wird.
So beliebt Hapes Buch war, so viele Menschen hat es auf den Camino aufmerksam gemacht. Aber seine Entscheidung, eben nicht in den Herbergen unterzukommen, sondern lieber die Ruhe der Pension und eines Einzelzimmers zu wählen, ist von den hartgesottenen, sich selbst als “richtige Pilger” Beschreibenden verurteilt worden. Leider habe ich festgestellt, dass diese Vorwürfe, auch die der aktuellen Facebook-Diskussion immer aus der gleichen Ecke kommen.
Dieser Weg schenkt so viele tolle Momente, Einsichten und eine großartige Vielfalt – weshalb das nicht in manche Köpfe passt und warum das nicht jeder akzeptieren kann, ist mir unverständlich. Jeder muss für sich entscheiden, wie der Camino für ihn richtig ist. Wenn das im Bus oder mit vorgeschicktem Rucksack so ist, dann ist das halt so. Wenn ich nicht auf mein iPhone verzichten möchte, weil ich blogge und (auch für Mamas innere Ruhe) einfach gerne für den Notfall erreichbar sein möchte, dann ist das eben auch so.
Vorfreude und Gedankenspiele is a post from: Jakobsweg & Metabolic Balance