Vorbereitung zu ‚INNOVATIV – SMART – DIGITAL? Perspektiven für Arbeit und Wirtschaft von morgen‘ mit Hannelore Kraft und Christina Kampmann

Morgen (17.07.2015) werde ich mit Hannelore Kraft (Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen), Christina Kampmann (Bundestagsabgeordnete), Wolfgang Nettelstroth (IG Metall NRW), Prof. Dr. Gregor Engels (Vorstand InnoZent OWL e.V.; Universität Paderborn), Uwe Borchers (Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft), Herbert Weber (it’s OWL), Jens Monsees (arvato) und weiteren Gesprächspartnern über die Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeitswelt sprechen. Evenankündigung.

Mir wurde gesagt, dass bei meiner Perspektive vor allem der digitale Arbeitsalltag interessant ist. Grundsätzlich bin ich als Mitgründer von work|i|o dort. Auch wenn meine aktive Zeit dort ein paar Jahre vergangen ist. Ich kann vieles aus unserem Arbeitsalltag erzählen. Ich weigere mich aber, ihn als ‚digitalen Arbeitsalltag‘ zu bezeichnen, weil nie einen anderen hatte. Neben diesen subjektiven Eindrücken, würde ich auch gerne ein paar Gedanken zu Startups loswerden. Wie weit das in der recht großen Diskussionsrunde möglich sein wird, wird sich zeigen. Zusätzlich können sie in diesem Beitrag vor-/nachgelesen werden.

Coworkingspaces: Nährboden für Startups

In Wien hat sich der Coworkingspace sektor5 zum zentralen Punkt für zahlreiche Startups und Freelancer entwickelt. Als wir unser Startup gegründet haben, haben wir dort oft gearbeitet. Am gleichen Tisch saß oft das Team von blossom (eines der beliebtesten Product Management Tools im Softwarebereich) und schräg gegenüber Qriously (bisher $5.1m Investment). Ein Coworkingspace ist ein Gemeinschaftsbüro, wo man flexibel einen Arbeitsplatz mieten kann. Es gibt Tagestickets, Monatstickets und flexible Tickets dazwischen. Coworkingspaces sind perfekt für Startups, weil sie ein flexibles Wachsen und Schrumpfen der Bürogröße je nach Bedarf ermögliche. Aber bei einem Coworkingspace geht es nicht nur um den reinen Arbeitsplatz, wie er inzwischen in zahlreichen Bürgebäuden angeboten wird, sondern um die Gemeinschaft und Kultur, die dort herrscht. In einem Coworking Space herrscht eine produktive Atmosphäre, es ist immer jemand da, mit dem man über neue Features sprechen, allgemeine Trends austauschen oder um Hilfe bei einem Problem bitten kann. Es ist ein bisschen wie eine große Familie. So entstehen auch tolle Projekte aus der Gemeinschaft heraus, wie etwa eine Bücherecke, die durch die Coworker gefüllt wurde. Ich habe selten so wenig gearbeitet und dabei so viel geschafft wie im sektor5. Und an zahlreichen Abenden gibt es Veranstaltungen zu unterschiedlichsten Themen. Inhaltlich und/oder gemeinschaftsbildend. Wie etwa meine Abschiedsfeier.

Digitale Nomanden: Arbeiten von überall

Aber nicht das gesamte Team hat im Coworkingspace gearbeitet. Manche haben die Ruhe ihrer Wohnung bevorzugt. Und nach einigen Monaten hat sich das Team auf unterschiedliche Kontinente verstreut. Nordamerika, Südamerika und Europa. Die Kommunikation hat sich noch stärker in Chat und Mail verschoben. Damals war Hipchat gerade am aufkommen. Heute würde man sich auf Slack und Chatgrape stürzen.

Die Arbeit von Digitalen Nomaden ist nicht an einen Ort gebunden. Der Begriff ist stark mit Personen verbunden, die mit Laptop die Welt bereisen und in Coworkingspaces und Internetcafes arbeiten. Aber für mich sind das auch die Menschen, die von zuhause arbeiten. So genieße ich es derzeit, dass ich am Nachmittag mit meinem Kind im Garten spielen kann und anschließend ins Haus gehe und erst ein paar Stunden für meine Arbeit an der Uni Paderborn etwas recherchiere und anschließend noch einen Artikel für AmbassadorBase schreibe. Oder wie heute statt am Nachmittag diese Vorbereitung, sie erst nach dem Abendessen mache (Danke für das Favorisieren.).

Laut Dan Buettner ist der tägliche Arbeitsweg einer der wichtigsten Faktor, was unsere Zufriedenheit betrifft. So würde der Wegfall eines einstündigen Arbeitsweges (je Richtung) gleichviel Zufriedenheit bringen wie $40,000 Gehalt. Warum das in Geld ausgedrückt wird, wäre schon wieder eine Diskussion für sich. Aber die Entfernung zum Arbeitsplatz ist wichtig. Digitale Nomaden tragen ihren bei sich.

9 von 10 Startups versagen: Die Gründer_innen nicht

Startups sind extrem riskant. In Venture Capital getriebenen Startupszenen gehört das Failen dazu. Ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff ‚Versagen‘ schon Anzeichen ist, für die Negativität, mit der das Auflösen von Unternehmen in vielen Gebieten begegnet wird. Auf der einen Seite gibt es hohes Ansehen für Menschen mit viel Erfahrung, auf der anderen Seite wird die Erfahrung aus Fehlern nicht wertgeschätzt. Es ist ein vielseitiges Problem, das nicht mal eben gelöst werden kann, weil es mehr als die direkt agierenden Personen betrifft.

Zugleich birgt es immer das Risiko, dass fahrlässiges Handeln mit auswegloser Anstrengung gleichgesetzt wird.

Nicht jede Gründung ist ein Startup: Es geht um Wachstum

Die Definition von Startups von Paul Graham (Venture Capitalist) geht primär über das Wachstum. Den kann ich mich größtenteils anschließen. Wobei ich es vielleicht etwas verallgemeinern würde. Mit geringen Mitteln Werte für viele schaffen. Es geht um Skalierbarkeit und Geschwindigkeit. Ein Restaurant kann nur eine gewisse Anzahl an Gästen verköstigen. Es kann ausbauen. Neue Standorte hinzufügen. Aber Mitteleinsatz und geschaffene Werte skalieren dabei fast parallel. Startups können bei fast gleichbleibendem Einsatz eine große Anzahl Menschen versorgen.

Damit einhergehend ist auch das Potential. Die meisten Startups versagen, aber die, die es schaffen, sind um ein Vielfaches erfolgreicher als „normale Unternehmen“. BWLer würden von einem ROI jenseits von 50fach sprechen.

BWL hindert Startups: Viele Ideen wirken verrückt

Die Betriebswirtschaftslehre fördert klassische Innovation, kann Startups beschreiben, aber sie nur in wenigen Fällen erzeugen. Weil Startups selten funktionieren, wenn sie mit dem Wunsch reich zu werden, gegründet werden. Die BWL erzeugt Unternehmen, deren Businessplan überzeugt. Oder: Die BWL erzeugt Unternehmen mit einem Businessplan. Startups brauchen nicht einmal ein Geschäftsmodell, wenn sie starten. Sie müssen den Gründer_innen wichtig sein. Die Idee selbst, nicht was damit möglich ist.

Inkubatoren können stärken oder stören: Es geht um Kultur

Inkubatoren, die helfen aus Ideen Startups zu machen, können extrem hilfreich sein, weil sie Gründer_innen gerade dann mit Geld und Expertise weiterhelfen, wenn es am wichtigsten ist. Je nach Größe und Relevanz für eine Region, haben sie viel Einfluss. Dadurch können sie aber auch die gesamte Szene in die Knie zwingen. Etwa, wenn nur einfach verständliche Ideen unterstützt werden, noch schlimmer: schlechte Ratschläge gegeben werden oder eine Weiterentwicklung der Startups durch straffe Verträge verhindert wird.

Investoren beschleunigen das Wachstum: International denken

US-Investoren sind durchaus interessiert in europäische Startups zu investieren. Allerdings ist es für sie problematisch in eine GmbH zu investieren, weil sie UK Limited und US LLC gewohnt sind. So kommt es manchmal dazu, dass extra ausländische Unternehmen gegründet werden, von denen die GmbH eine Tochterfirma wird. Erzeugt viel Bürokratie für alle. Eine LLC ist unter Umständen einfacher zu gründen als eine GmbH. In Zukunft könnten wir auch viele estnische Firmen sehen, weil Estland durch eResidency bürokratische Wege auf Onlineformulare reduziert.

Ich bin bei Venture Capital sehr kritisch. Oft gibt man zuviel dafür auf und verliert die Möglichkeit, seine Idee mit Leidenschaft weiterzuverfolgen, weil man das Startup an den Markt drücken muss. Gute Investoren bringen mehr als das Geld, sie bringen Expertise und Netzwerke. Zusammen können sie bei entsprechenden Startups das Wachstum stark beschleunigen. Und auch wenn ein großer Teil des Kapitals am Ende ins Ausland fließt, wäre das Startup ohne dem Kapital möglicherweise gar nicht dahin gekommen. Erfolgreiche Startups haben einen Schneeballeffekt. Die Vernetzung und das Kapital, das die Gründer_innen in die Region bringen sind sehr wertvoll. Sie beeinflussen die Einstellung und ermöglichen anderen ähnliche Wege zu gehen.

Ideen sind wertlos: Umsetzung ist alles

Deutschland ist bekannt für seine Copycat-Startups. Es werden Startups aus anderen Ländern kopiert, groß gemacht und manchmal an das „Original“ verkauft. Entscheidend ist allerdings, dass nicht irgendwelche Ideen geklaut werden, sondern Ideen, die schon als mehr oder weniger erfolgreiche Startups umgesetzt wurden. Wo bereits sichtbar ist, dass sie angenommen werden.

Von Derek Sivers gibt es einen kurzen Beitrag, der das Problem der Ideen veranschaulicht. Die Idee wirkt als Multiplikator. Die Umsetzung ist der eigentliche Wert. Die beiden werden miteinander multipliziert. Selbst eine großartige Idee, bringt bei schlechter Umsetzung nur wenig. Genauso kann aber auch eine mittelmäßige Idee bei hervorragender Umsetzung sehr erfolgreich sein.

Startups und Gewerkschaft: Gefahr der Selbstausnutzung

Früher hat die Gewerkschaft die Menschen vor den gierigen Arbeitgeber_innen geschützt. Bei Startups und anderen Digitalen Nomaden müssen die Menschen meist von sich selbst geschützt werden. Immer und überall arbeiten zu können birgt die Gefahr dies auch zu tun. Startups spielen mit Träumen und suggerieren oft, dass diese nur durch komplette Selbstaufgabe erreicht werden können. Das ganze Leben nur für das Startup. Das funktioniert alleine schon wegen dem Burnout nach zwei Jahren nicht.


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