Vorbereitung auf den Jakobsweg: Das Training.

Von Geradine @GeradineMcC

Ich habe auf dem Weg durchtrainierte Sportler gesehen, die durch Blasen, Entzündungen oder sonstige Gebrechen in die Knie gezwungen wurden, dagegen Normalos im eher-nicht-fit-Modus wie mich, die ziemlich gut zurecht kamen. Wie das sein kann und was die beste Vorbereitung für jeden Einzelnen ist, kann auch hier wieder nicht pauschalisiert gesagt werden. Jeder kennt seinen Körper am besten und weiß, was er vertragen kann und was nicht. Aber die Herausforderung, jeden Tag im Schnitt 25km mit rund 10kg auf dem Rücken bei Wind und Wetter, bei Regen von vorne-oben-unten-überall oder sengender Hitze, aus Asphalt oder Schotterpfaden durch die Meseta ist nicht zu vergleichen mit Marathonläufen oder anderen Sportarten, die man sonst zu Hause so macht.

Themenreihe
Camino-Vorbereitung

Aufgrund vieler Fragen rund um meine persönliche Vorbereitung auf den Jakobsweg habe ich eine kleine Themenreihe gestartet. Der erste Beitrag behandelte die die Ausrüstung und meine Gedanken dazu, hier soll es nun rund um das Thema des Trainings gehen – was ist nötig und was nicht?

Genau wie mir vor meinem ersten Camino geht es vielen ‘Neulingen’, wie ich auf Facebook oder in den einschlägigen Foren lese, dass sie sich nicht vorstellen können, wie sich die Anstrengung des kilometerlangen Laufens an jedem einzelnen Tag auf den Körper auswirkt, wie schnell er sich auf die Bewegung einstellt, was man tun oder besser lassen sollte. Jeden Morgen aufs Neue den Rucksack schultern, die Riemen festziehen und wieder den Pfeilen und Muscheln folgen. Die schweren Stiefel anziehen und weitere 8 – 10 Stunden auf staubigen Wegen, asphaltierten Straßen oder durch bunte Felder zu laufen. Ehrlich: Das kann man sich im Vorfeld auch nicht vorstellen. Es ist ein befreiendes Gefühl, aber ohne Frage mit jeder Menge Anstrengung und auch Schmerz verbunden. So romantisch Bilder und Geschichten vom Camino klingen, so gerne sich die Pilger und Wanderer an die schönen Zeiten erinneren – es gibt nicht wenige dieser Momente, in denen man zweifelt und sich fragt, ob das alles so gesund ist, ob man das richtige tut und vielleicht sogar, ob man nicht aufgeben sollte.

Davon spricht nur niemand.

Das ist allerdings auch in Ordnung so. Und normal. Wir verdrängen immer schnell die weniger schöner Momente und erinnern und dafür zu gerne an die tollen. Der Jakobweg ist ohne Frage ein wundervolles Erlebnis und ein Myterium, er kann diejenigen, die auf ihm laufen aber auch in die Knie zwingen und nicht aus emotionalen Gründen weinen lassen, sondern aus reinem Schmerz. Nicht jeder muss diese Erfahrung machen, es kann aber passieren. Es ist nunmal eine Fernwanderung, während der der Körper Dinge tun muss, die er in dieser Intensität in den seltensten Fällen aus dem Alltag kennt. Da bekommt man Muskelkater an Stellen, an denen man noch nie einen Muskel zuvor gespürt hat. Am Schienbein zum Beispiel – ist der Schuh zu schwer oder einfach nicht ausreichend eingelaufen, kann sich dieser Muskelkater zu einer Entzündung verschlimmern, die eigentlich eine Pause erfordert. Alessio ging es 2010 so, sodass er dann mal drei Tage lang nur in Schlappen gehumpelt ist, da der Doc ihm Ruhe von den schweren Wanderstiefeln verschrieben hatte.

Kann passieren.
Muss aber nicht.

Vor meinem ersten Camino 2010 hatte ich etwa ein Jahr lang Zeit, mich darauf vorzubereiten. ich habe viel gelesen und gestöbert, einiges geplant, die Ausrüstung zusammen gesucht und natürlich auch mit dem regelmäßigen Laufen angefangen. Ob es am Heilfleisch lag, ich einfach Glück hatte oder sich die Vorbereitung ausgezahlt hatte – bis auf Muskelkater in den ersten Tagen auf dem Weg und Probleme mit dem Schienbein ganz zum Schluss hatte ich keine Schmerzen, keine Blasen, keine Entzündungen. Der Muskelkater war zu erwarten und ist auch schnell wieder verschwunden, die Schienbeinschmerzen führe ich auf andere Dinge zurück – mein Körper wollte sich gegen das Ende des Caminos auflehnen, wollte nicht dass es vorbei ist. Genau wie Kopf und Herz. Klingt verrückt – ist es auch!

Vor all meinen Wegen habe ich Trainingstouren gemacht, die zwar nicht an die Tageskilometer auf dem Camino herankamen, aber dennoch den Körper auf die Tour vorbereitet haben, Möglichkeit zum Einlaufen der Schuhe (und Socken!) boten und dazu Rücken, Hüfte, Knie etc. auf das nicht ganz unerhebliche Gewicht auf dem Rücken einstimmen konnten. Der 10kg Rucksack ist beim ersten Aufsatteln sicherlich kein Problem – aber nach 20km auf Schotterstraßen, bergab und bergauf macht sich dieses Gewicht gehörig bemerkbar. Erst recht, wenn man weiß, dass da noch 5 – 10 weitere Kilometer folgen, bis man am Zielort angekommen ist. Die Muskeln können noch so gut auf diese Kilometerzahlen vorbereitet sein, ein Marathonläufer hat da noch ganz andere Zahlen parat – aber die Reaktion des Körpers auf das Rucksackgewicht, auf eventuell nasse Schuhe, Laufen im strömenden Regen oder sonstige Situationen sollte auf keinen Fall heruntergespielt werden.

Im Vorfeld des Caminos zu laufen und sich auf die Reise einstimmen ist schön und gut – auf jeden Fall sollte aber auch hier schon der Rucksack mit ein wenig Gewicht dabei sein. Vor meinem ersten Weg war ich mit den gesammelten Werken von Shakespeare unterwegs, da diese im Rucksack in etwa das richtige Gewicht hatten. Heute halte ich mich nicht mehr so penibel daran: Der Rucksack sollte schon gefüllt sein, auch mal ein paar schwerere Sachen, dazu ein Liter Wasser (ich habe nun nach einiger Zeit meinen Deuter Steamer wieder aus dem Gefrierfach geholt und reaktiviert) und man bekommt in etwa ein Gefühl für das spätere Gewicht auf dem Rücken.

Je nachdem, wo ihr wohnt, habt ihr vielleicht sogar das Glück, dass der Jakobsweg in eurer Nähe entlang führt. Das Camino-geschulte Auge findet gelbe Pfeile und Muscheln sehr schnell – die Bilder stammen aus Essen-Werden, Bacharach und Berlin – das Pilgerherzchen macht auf jedes Mal aufs Neue einen kleinen Hüpfer, wenn die bekannten Symbole irgendwo auftauchen.

Das Camino ist überall –
und endet nie!

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