“Vor dem Fest”/Lesung von Sasa Stanisic im Literaturhaus Kiel

“Wir sind traurig.Wir haben keinen Fährmann mehr.Der Fährmann ist tot. Zwei Seen, kein Fährmann.”

Mit diesem Satz beginnt das Buch. Mit diesem Satz beginnt die Lesung. Sprachgewaltig ist dieser Einstieg in das Dorfleben Fürstenfeldes. Das “Wir”, Erzählerich, es ist das Dorf selbst, dass seine Geschichte erzählt, entwickelt eine suggestive Wirkung.

Stanisic erzählt: Als er einer Freundin die Idee anvertraut, über ein Dorf zu schreiben, den” Körper Dorf” zu sezieren, hat er die Topografie des Ortes bereits im Kopf. “Dieses Dorf gibt es schon”, merkt die Freundin an. Das fiktive Fürstenfelde findet ein Zuhause im realen Fürstenwerder. Fürstenwerder ein Dorf in der Uckermark, im Verschwinden begriffen. “Fürstenfelde, Einwohnerzahl sinkend.”

“Mich interessiert das Verschwinden, mich interessieren die Menschen, die ahnen, dass sie die Letzten sind”(Zitat KN 10.Mai2014/Thomas Paterjey). Das Fürstenwerder in der  Zeit des Beobachtens und Recherchierens zu seinem Dorf geworden ist, ist erfahrbar beim Lesen und Zuhören.

Gelesenes und Erzähltes präsentiert Sasa Stanicic mit wachem Blick, Humor und Charme. Die Zuhörer folgen der Lesung mit ebenso wacher Aufmerksamkeit, im bis auf den letzten Platz ausgebuchten Literaturhaus.

Herrlich zum Beispiel die Schilderung seiner ersten Begegnung mit dem Bäcker des Dorfes.

Stanisic stellt in seiner Lesung einen Teil der Dorfbewohner vor, lässt sie zu Wort kommen. Das Faszinierende ist, dass Stanisic seine Protagonisten, Jeden auf seine ganz eigene Art und Weise erzählen lässt. Zum Beispiel Ulli, der mit seiner zur Kneipe umgebauten Garage das Zentrum des Dorfes bildet. Da ist der Schweinezüchter Gölow, eine ehrliche Haut, der jedes Jahr sechs Schweine fürs Annenfest spendet und Dietzsche…. Dietzsche, vor der wende Briefträger, nebenberuflich vermutlich IM, heute stolzer Besitzer von 15 Hühnern, Eierverkäufer. Nicht zuletzt die alte, Zigarre rauchende Frau Kranz. Frau Kranz malt immer schon. Malt ausschließlich Fürstenfelde und Fürstenfelder. In der Lesung wird die Begebenheit erzählt, in der Frau Kranz einem Journalisten ein Interview gibt und in dem Herkunft und Heimat eine Rolle spielen.

“Wir können über das Banat sprechen.Ich habe mir Fotos angeschaut.Flach und ländlich wie die Uckermark.Hilft die Ähnlichkeit der Landschaft bei der Eingewöhnung?”

Herkunft und Heimat….

Ich muss zugeben, dass ich mich beim Lesen des Buches mehrmals fragte, wie ein Autor der seine Wurzeln nicht in Deutschland hat , in der Lage ist so einen Roman zu schreiben.Wie ist es ihm gelungen Klang, Stimmung, Gestus dieses Dorfes so atmosphärisch dicht einzufangen?  Ein Sezieren, das Leben geschaffe , bewahrt und verdichtet hat.

Sein Blick auf das Dorf ist voller Wärme, wertet nicht, beschreibt, nimmt Anteil, beobachtet genau. Und -er kann schreiben, jedes Wort  sitzt. Seine Sprache ist ein Fest.

Es liegt Melancholie in der Geschichte, zugleich ist sie urkomisch, besonders wenn Stanisic sie liest. Urkomisch sind Dietzsches Eierboxen, die sich einen  Platz auf Fürstenwerder Postkarten errungen haben. Dietzsches Eierboxen sind typisch für Fürstenfelde. Für die nicht lupenreine politische Vergangenheit Dietzsches können sie schließlich nichts. Urkomisch sind auch Blumen und Radtouristen die einem das sich Betrinken verleiden. Kuriositäten, die der Melancholie des Verschwindens mit Witz begegnen.

Stanisics Kommentare zum Gelesen sind erfrischend unverstellt. Ich kann mich hier der Mützenfalterin  anschließen, die in ihrer schönen Besprechung einer Lesung vonStanisic in Bielefeld schrieb:” Stanisic jedenfalls ist wie seine Bücher: sprachgewaltig, humorvoll und liebenswert.”

Eine Lesung die einfach Klasse war. Gekauft haben wir das Buch dann alle:)

 



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