Vor dem Aufstieg: Zeichen und Wunden

Vor dem Aufstieg: Zeichen und WundenEin bisschen schwerer ist es doch gewesen als vor sechs Monaten. Damals schickte der kriselnde Bundesliga-Verein HSV seine zweite Mannschaft als Vertretung der als Ehrengast zur Stadioneinweihung eingekauften Profitruppe an die Saale, um die echten Profis zu schonen, die Antrittsgage abzufassen und das hallesche Publikum zu verhohnepipeln. Zusätzlich nahmen sich die Norddeutschen auch noch die Freiheit, die Gastgeber lässig zu schlagen.
Eine Premiere, wie sie sein muss. Seit dem Eröffnungsspiel hat der HFC im ehemaligen Kurt-Wabbel-Stadion, das nach einem als "Umbau" erklärten Neubau und einem Ratsschluss der Stadtoberen inzwischen "Erdgas-Park" heißen muss, nicht mehr verloren. Und schon wieder kommt die Zweite des HSV, angereist am Tag zuvor, weil der Traditionsklub das Punktspiel ernst nimmt. Nützt nicht viel: 7.000 Zuschauer, die eine neu aufgebrochenen Fußballeuphorie an der Saale bezeugen, macht die Elf von Trainer Sven Köhler anno 2012 alles besser als noch 2010. Seinerzeit verdarb eine Heimniederlage gegen Hamburg schon zu Frühjahrsbeginn alle Aussichten auf eine erfolgreiche Aufholjagd zur Tabellenspitze. Diesmal ist das Spiel gerade drei Minuten alt, da hat Toni Lindenhahn getan, was er nur selten tut: Den Ball ins Netz schießen.
Das 1:0 aber lähmt. Nach einer Viertelstunde haben die Gäste, vor dem Spiel immerhin das drittbeste Auswärtsteam der Liga, das Spiel im Griff. Hamburg spielt, Halle - erstmals in dieser Saison ohne den im Gesicht verletzten Marko Hartmann - wartet auf Konter. Richtige Chancen sind Mangelware - ein Schuss von Müller geht aufs HSV-Tor, einer von Lam auf das von Darko Horvat. Spielt aber keine Rolle, denn das Stadion feiert die unterdessen luxuriöse Ausgangsposition des eigenen Vereins. Der blau lädierte Marko Hartmann zeigt auf der Tribüne Wunden, der Leute im eckigen Rund glauben mittlerweile wirklich an das Aufstiegswunder: Kiel, im ersten Anlauf vor drei Jahren noch Sieger im Aufstiegsrennen mit Halle, ist nach der Niederlage gegen Lübeck vor einer Woche vom aus eigener Kraft uneinholbaren Spitzenreiter zum Wettbewerber geworden, der aus eigener Krfat nicht mehr aufsteigen kann. Und RedBull Leipzig liegt zwar derzeit noch einen Punkt und mindestens 13 Tore vorn. Muss aber am letzten Spieltag noch hierher in die Gas-Arena.
Wie schnell die Luft dort knapp werden kann, zeigt sich gegen Hamburg. Zwanzig Minuten haben die Amateure das Spiel zumindest optisch im Griff. Vor der Pause sieht es sogar eine Sekunde nach dem Ausgleich aus, als ein Hamburger Stürmer den Ball aufs Tornetz legt und die Kurve für einen Moment aufstöhnt.
War aber nichts und wird auch nichts mehr. Nach Wiederanpfiff dauert es wie in der ersten Halbzeit drei Minuten, da fällt das zweite Tor für Halle. Telmo Texeira, der im Sommer ausgemusterte Verteidiger, der im Herbst zum Regisseur und im Winter zum Serien-Matchwinner wurde, startet kurz hinter der Mittellinie und vollendet sicher. Der Treffer aber zählt nicht, weil der Linienrichter ein Abseits gesehen haben will. Anschließend muss Darko Horvat im HFC-Tor zweimal retten, dann scheitert Texeira auf der Gegenseite aus Nahdistanz an Keeper Dehmelt. Das Stadion singt sein "Chemie - Halle", als könne es keinen Zweifel geben, wer hier heute die Punkte holt.
Nach der 83. Minute kann es die auch nicht mehr geben. Köhler hat mittlerweile Lindenhahn und Wegner rausgenommen und Mast und Preuß gebracht, Letzterer bedankt sich prompt mit einem schönen Flankenlauf nebst wunderbarer Hereingabe auf den am langen pfosten mitgelaufenen Texeira. Der hat keine Mühe und erzielt das 2:0.
Spiel, Satz und Sieg wie immer seit September, von einer kleinen Ausnahme abgesehen. Der HFC hat noch fünf Heimspiele und nur ein Auswärtsspiel gegen eine Mannschaft auf der oberen Tabellenhälfte. Kiel spielt noch viermal zu Hause und muss noch nach Hannover (Tabellen-4.), Berlin(6.) und Plauen (8.. RedBull geht fünfmal auf Reisen, darf aber neben Berlin, Plauen und Hannover auch noch Kiel besuchen. Nach der Papierform ist die Saison also so gut wie gelaufen - und wie! Aber wie hieß es hier früher mal? Die Statistik stirbt zuletzt.

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