Vor dem Aufstieg: Favoritenwechsel im Fernduell

Vor dem Aufstieg: Favoritenwechsel im FernduellWäre es nach der Tribüne gegangen, hätte es keinen Grund zum Feiern gegeben, nach diesen 90 Minuten des Halleschen FC in der neuen Fernduellrunde mit RB Leipzig. "Lindenhahn schlechtester Mann auf dem Platz", befand ein ausgewiesener Experte. "Und nun bringt er auch noch Shala", nörgelte ein älterer Herr. Unzufriedenheit allenthalben, obwohl das Spiel des Tabellenzweiten gegen den Tabellenfünften Havelse schon nach zwei Minuten in die richtigen Bahnen gelenkt worden war. Nach einem schönen Flankenlauf von Dennis Mast, den Halles Trainer Sven Köhler mal wieder von Anfang an aufgestellt hatte, traf Aushilfskapitän Maik Wagefeld aus elf Metern Abstand. Erstaunliche 6.000 Zuschauer - bei einem Vorverkaufsstand von 6.700 verkauften Karten - freuten sich mit ihrer Elf, die es nach dem jüngsten Patzer des dritten Konkurrenten Kiel wieder selbst in der Hand hat, den Aufstieg zu schaffen.
Dann aber verletzt sich HFC-Innenverteidiger Steven Ruprecht. Köhler holt den etatmäßigen Mannschaftskapitän Nico Kanitz von der Bank und sortiert die Abwehr neu. Eismann rückt neben Mouyaya nach innen, Benes wechselt die Seite, Kanitz, nach der Niederlage beim Tabellenletzten in Wilhelmshaven als einer der Verantwortlichen ausgemacht, beendet seine Denkpause schon nach zehn Minuten, bekommt aber die Kapitänsbinde von Maik Wagefeld trotzdem nicht zurück.
Wagefeld ist es aber auch, der den leicht durchgerüttelten HFC in dieser Phase aufrecht hält. Während bei Hartmann-Vertreter Anton Müller allerlei schiefgeht, Benes sich festläuft und Hauk vorn in der Spitze schnell, aber nie schenll genug ist, ordnet und sortiert der Ex-Dresdner das Spiel. Einmal köpft er zudem an die Latte, einmal lässt er brillant auf Telmo Texeira durch, der aber ist so verwundert von so viel Kollegialität, dass er den Ball erschrocken in die Wolken hämmert.
Die Gastgeber sind überlegen, nur Tore schießen sie wie immer nicht. Liegt es an den Spielern oder liegt es doch an der Taktik? Hauk, der Konterstürmer, von Anfang an? Und nach der Führung, wenn Havelse hinten aufmacht und die Räume größer werden, kommt dann der Stehgeiger Andis Shala?
Genau so macht Sven Köhler das. Er nimmt Lindenhahn nicht vom Platz, obwohl der lange Zeit nicht zu sehen ist. Und der Dribbelkönig der Rotweißen bedankt sich in der 58. Minute prompt mit dem 2:0. Wieder kommt die Flanke von Dennis Mast, erst überlegt Lindenhahn noch, ob er sich nach einem Foul im Strafraum fallen lassen soll. Er tut es aber nicht, sondern dreht sich einmal um sich selbst und schießt ins Tor.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Telmo Texeira macht es Lindenhahn nur zwei Minuten nach dessen Treffer nach. Das 3:0, oder auch nicht: Schiedsrichter Simon Marx will ein Foul an Havelse-Torwart Straten gesehen haben. Wieder wackelt der HFC jetzt, Havelse hat nun mehr Ballbesitz, ohne mehr Torgefahr zu erzeugen. Die Gäste rücken auf, und Sven Köhler macht den ersten Fehler des Tages, wie die Tribüne findet: Er nimmt den schnellen Hauk raus und wechselt Andis Shala ein. Mit bösen Folgen: Bis dahin musste Darko Horvat nicht einmal ernsthaft eingreifen. Und nun liegt der Ball plötzlich gleich hinter ihm im Netz. Ein Kopfball von der Strafraumgrenze, der als Bogenlampe einschlägt.
Alles wieder offen. Oder auch nicht. Denn das Tor aus dem Nichts bleibt Havelses bestes Angebot. Viel mehr kommt von den Gästen nicht. Dafür aber noch einmal von Dennis Mast, der mit einem Zuckerpass auf Andis Shala einen Konter einleitet. Shala, bis dahin immer zu spät oder sowieso gut versteckt, zeigt jetzt, dass er kann, weshalb er vor der Saison als große Sturmhoffnung geholt wurde. Statt auf die mitgelaufenen Kollegen zu passen, geht er direkt aufs Tor. Und schließt sauber zum 3:1 ab.
Drei Punkte für die Gesamtabrechnung, zwei gutgemacht im Fernvergleich mit Redbull. Die schaffen gegen Cottbus nur ein 1:1 und liegen nun mit einem Spiel mehr nur noch zwei Punkte vorn. Holt Halle drei Punkte beim Nachholspiel in Halberstadt, wechselt der Favorit im Aufstiegsrennen. Die Brause darf dann hinten schäumen - mit dem schwereren Restprogramm und der Aussicht, beim letzten Spiel in Halle gewinnen zu müssen.
Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen. Meinen aber etwas völlig anderes.

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