Von wegen Lisbeth
„Grande“
(Columbia/Sony)
Ist es denn tatsächlich so, dass ein schlechtes, gesamtgesellschaftliches Umfeld (bei Lippenstiften und Rocklängen sollen die wirtschaftlichen Zusammenhänge ja erwiesen sein) der Kunst einen kreativen Schub verleiht? Wenn ja, man traut es sich kaum zu segen, dann dürfen die Zeiten wohl gern so schlimm bleiben, wie sie von vielen herbeigejammert werden. Denn es ist unbestritten, dass gerade in Sachen Rock- und Popmusik hierzulande im Moment ein lobenswert vielfältiges und noch dazu interessantes Angebot vorliegt. Und auch wenn die sympathische Berliner Jungenskombo Von wegen Lisbeth von wütendem Punk um Lichtjahre entfernt und selbst mit verkopftem Diskurspop nur sehr mangelhaft umschrieben ist – Matthias Rohde und Kollegen wissen sehr wohl, wo und wie sie ihre winzigen Nadelstiche setzen müssen, um nicht als beliebig, harmlos oder gar langweilig zu gelten.
Erstes großes Plus: Das Songwriting. Von wegen Lisbeth machen wirklich feine Musik. Nun möchte man meinen, das sei ja selbstverständlich, aber über die Spiellänge von vierzehn Stücken schaffen es ganz sicher nicht viele Bands, die Spannung und Inspiration hoch zu halten, irgendwann kommt unweigerlich ein Hänger – hier nicht. Dabei haben sie die Bandbreite ihres Sounds im Vergleich zu den ersten Veröffentlichungen noch einmal deutlich erweitert, so hört man neben zackigem Gitarrenpop und manch hektischem Rockriff auch hübsche Verweise auf Air oder Arcade Fire, rückt der Brass zum Reggae an und keiner schämt sich, wenn’s mal etwas cheesy oder albern wird, warum auch? Merci, Chérie! Rohdes Stimme tut ein Übriges, den Laden zusammenzuhalten und erklingt dabei in so vielen Facetten, wie es dem Charakter der Musik eben zuträglich ist.
Ganz dick auf der Haben-Seite: Ihr Charme. Selbst wenn sie bissig sind, bleiben die Herren höflich genug, um niemanden allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. Getreu dem Motto: Mach doch was du willst, und wenn es uns nicht gefällt, so lass uns bitteschön damit in Ruhe. Foodporn, falsche Freunde, Trendgelaber und Blingbling, Alternativen, die keine sind und sein dürfen – hier wird alles und jede/r auf die Schippe genommen, der Streber mit dem Spermapulli, die Hauptstadt-Hipster, Smartphoner und Besserwisser. Einen Spitzenplatz nimmt dabei, neben den bekannten Singles, natürlich „Der Untergang des Abendlandes“ ein, viel schöner kann man die Stimmungslage im Lande kaum vertonen, herbeigeredet von Schwarzmalern, Facebook-Hatern und selbsternannten Anstandshütern. Ein trauriges Kapitel in hellen Farben gemalt.
Melancholie können die natürlich auch, da stehen sie dann ganz kurz und ganz nah bei den anderen Durchstartern des Sommers, bei Isolation Berlin. Auch die berufen sich gern auf den Dunkeldeuter Sven Regener und seine Element Of Crime und vermutlich findet sich, hört man sich „Penny“ und „Unterm Schrank“ an, auch bei Von wegen Lisbeth die eine oder andere traurige Platte im Schrank. Die Liste der verklärten, provinziellen Sehnsuchtsorte (Schlachtensee, Jenfeld, Jarmen, Delmenhorst, tbc.) wird um den „Bärwaldpark“ erweitert und wieder einmal haben sie einen irritiert. Eine Band für Zwischentöne: Leichte Unterhaltung – aber nicht nur, beschwingte Humoristen – aber nicht nur, lieber Mittel- als Zeigefinger – aber nicht nur, gern nett und nice – aber nicht nur, besser ohne Politik – aber nicht nur. Und bei allem darf man nicht vergessen (gerade hat’s wer geflüstert), dass die Jungs zu alledem auch noch ganz süß aussehen. Stimmt, aber? Eben: Nicht nur. http://www.vonwegenlisbeth.de/
Alle Tourtermine: hier.
„Grande“
(Columbia/Sony)
Ist es denn tatsächlich so, dass ein schlechtes, gesamtgesellschaftliches Umfeld (bei Lippenstiften und Rocklängen sollen die wirtschaftlichen Zusammenhänge ja erwiesen sein) der Kunst einen kreativen Schub verleiht? Wenn ja, man traut es sich kaum zu segen, dann dürfen die Zeiten wohl gern so schlimm bleiben, wie sie von vielen herbeigejammert werden. Denn es ist unbestritten, dass gerade in Sachen Rock- und Popmusik hierzulande im Moment ein lobenswert vielfältiges und noch dazu interessantes Angebot vorliegt. Und auch wenn die sympathische Berliner Jungenskombo Von wegen Lisbeth von wütendem Punk um Lichtjahre entfernt und selbst mit verkopftem Diskurspop nur sehr mangelhaft umschrieben ist – Matthias Rohde und Kollegen wissen sehr wohl, wo und wie sie ihre winzigen Nadelstiche setzen müssen, um nicht als beliebig, harmlos oder gar langweilig zu gelten.
Erstes großes Plus: Das Songwriting. Von wegen Lisbeth machen wirklich feine Musik. Nun möchte man meinen, das sei ja selbstverständlich, aber über die Spiellänge von vierzehn Stücken schaffen es ganz sicher nicht viele Bands, die Spannung und Inspiration hoch zu halten, irgendwann kommt unweigerlich ein Hänger – hier nicht. Dabei haben sie die Bandbreite ihres Sounds im Vergleich zu den ersten Veröffentlichungen noch einmal deutlich erweitert, so hört man neben zackigem Gitarrenpop und manch hektischem Rockriff auch hübsche Verweise auf Air oder Arcade Fire, rückt der Brass zum Reggae an und keiner schämt sich, wenn’s mal etwas cheesy oder albern wird, warum auch? Merci, Chérie! Rohdes Stimme tut ein Übriges, den Laden zusammenzuhalten und erklingt dabei in so vielen Facetten, wie es dem Charakter der Musik eben zuträglich ist.
Ganz dick auf der Haben-Seite: Ihr Charme. Selbst wenn sie bissig sind, bleiben die Herren höflich genug, um niemanden allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. Getreu dem Motto: Mach doch was du willst, und wenn es uns nicht gefällt, so lass uns bitteschön damit in Ruhe. Foodporn, falsche Freunde, Trendgelaber und Blingbling, Alternativen, die keine sind und sein dürfen – hier wird alles und jede/r auf die Schippe genommen, der Streber mit dem Spermapulli, die Hauptstadt-Hipster, Smartphoner und Besserwisser. Einen Spitzenplatz nimmt dabei, neben den bekannten Singles, natürlich „Der Untergang des Abendlandes“ ein, viel schöner kann man die Stimmungslage im Lande kaum vertonen, herbeigeredet von Schwarzmalern, Facebook-Hatern und selbsternannten Anstandshütern. Ein trauriges Kapitel in hellen Farben gemalt.
Melancholie können die natürlich auch, da stehen sie dann ganz kurz und ganz nah bei den anderen Durchstartern des Sommers, bei Isolation Berlin. Auch die berufen sich gern auf den Dunkeldeuter Sven Regener und seine Element Of Crime und vermutlich findet sich, hört man sich „Penny“ und „Unterm Schrank“ an, auch bei Von wegen Lisbeth die eine oder andere traurige Platte im Schrank. Die Liste der verklärten, provinziellen Sehnsuchtsorte (Schlachtensee, Jenfeld, Jarmen, Delmenhorst, tbc.) wird um den „Bärwaldpark“ erweitert und wieder einmal haben sie einen irritiert. Eine Band für Zwischentöne: Leichte Unterhaltung – aber nicht nur, beschwingte Humoristen – aber nicht nur, lieber Mittel- als Zeigefinger – aber nicht nur, gern nett und nice – aber nicht nur, besser ohne Politik – aber nicht nur. Und bei allem darf man nicht vergessen (gerade hat’s wer geflüstert), dass die Jungs zu alledem auch noch ganz süß aussehen. Stimmt, aber? Eben: Nicht nur. http://www.vonwegenlisbeth.de/
Alle Tourtermine: hier.