Das hatten sie sich so schön gedacht, haben aber nicht mit der Zivilcourage und dem Zusammenhalt der griechischen Bevölkerung gerechnet. Gestern (gestern!) noch hatte man berichtet, es gebe eine Vereinbarung. Regierungschef Lukas Papademos habe sich mit Samaras getroffen und alles sei in trockenen Tüchern. Nach nur 24 Stunden fällt das ganze “Einigungs”-Gebäude wieder zusammen. Das Volk protestiert in den Strassen, Minister treten zurück, die griechische Polizeigewerkschaft will sogar die Troika festnehmen lassen. Griechenland brennt lichterloh – und damit der Euro. Das dürfte erst der Anfang sein von dem, was auch andere europäische Länder bald erwartet.
In Athen flogen am Freitag die Molotow-Cocktails. Bei Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei gab es mehrere Verletzte. Unter dem Motto “„Nein zu Entlassungen, Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!“ und begleitet von einem Generalstreik, gab es Proteste in der Innenstadt. Gewerkschafter besetzten das Büro der “Arbeitsgruppe Griechenland”, das der Deutsche Horst Reichenbach für die EU-Kommission leitet.
Derweil drohte die griechische Polizei-Gewerkschaft gar damit, die Troika festnehmen zu lassen, weil die “ausländischen Finanzkontrolleure die Demokratie gefährden”. Giorgios Karatzaferis, Chef der an der Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lukas Papademos beteiligten nationalistischen Bewegung „Laos“, forderte unterdessen, sein Land solle den dänischen Chef der Griechenland-Mission des Internationalen Währungsfonds, Thomsen, zur unerwünschten Person erklären.
Am Sonntag soll das Athener Parlament die Sparmassnahmen billigen. Ob das passiert, darf allerdings nach dem aktuellen Stand bezweifelt werden. “Laos” will dagegen stimmen und auch in den anderen Regierungsparteien kriselt es. Karatzaferis beschuldigte die Deutschen, in Europa allein regieren zu wollen, “weil sie eine dicke Brieftasche haben”. Griechenland könne und dürfe nicht ausserhalb Europas leben, bekräftigte er, “doch wir können ausserhalb einer deutschen Diktatur leben – das hier ist keine EU, es ist deutsche Dominanz”.
Auch die Parteien von Giorgos Papandreou (Pasok) und Antonis Samaras (Nea Dimokratia; ND), der als kommender Regierungschef gehandelt wird, haben erhebliche Probleme, ihre Fraktion hinter sich zu bringen. Mehrere Kabinettsmitglieder traten bereits zurück. Der stellvertretende Arbeitsminister Koutsoukos begründete seinen Rücktritt gar damit, dass er einige der Sparbeschlüsse für verfassungswidrig hält. Es ist durchaus möglich, dass die Regierung innerhalb der kommenden 48 Stunden auseinander fällt und die lauthals verkündete “Einigung” damit zerbröselt.
Griechenland droht damit eine ungeordnete Staatspleite. Das macht allen grosse Sorgen, den Griechen aber am wenigsten. Viele Politiker in Athen wissen genau, dass sie ihre Karriere sofort an den Nagel hängen können, wenn sie jetzt den Massnahmen zustimmen, die die Bevölkerungen für Jahrzehnte in die Armut treiben und die griechische Souveränität an Brüssel abgeben werden. Wie sehr die Hütte allerdings ausserhalb der Landesgrenzen brennt, hat heute die Ratingagentur Fitch bewiesen. Griechenland müsse innerhalb von ganz wenigen Tagen einen Schuldenschnitt präsentieren, sonst drohe sofortige Kapitalflucht aus Portugal und Irland, beschwor Fitch die Verantwortlichen in Athen.
* Lesen Sie dazu auch:
Wo bleibt der Aufschrei?