Prof. Dr. med. Klaus Brinkmann (Die Schwarzwaldklinik), Dr. Karsten Mattiesen bzw. Dr. Ulrich Teschner (Der Landarzt), Dr. Thomas Burgner (Der Bergdoktor), Oberstabsärztin Dr. Sabine Petersen (Die Rettungsflieger), Dr. Peter Brockmann bzw. Dr. Peter Sommerfeld (Praxis Bülowbogen), Dr. Margarethe Haase (Doctor´s Diary), Dr. Christian Kleist (Familie Dr. Kleist) und Frauenarzt Dr. Markus Merthin sind die Doktoren, die man so aus dem deutschen Fernsehen kennt. Fast ebenso bekannt, jedenfalls bei den Boxinteressierten, ist Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner aus Bayreuth. Dr. Wagner ist mit Sicherheit der bekannteste deutsche Ringarzt.
Erst vor kurzem aber, nämlich am 04.02.2012, fungierte Dr.Wagner beim Kampf von Sauerland Event nicht als Ringarzt, obwohl er dort sonst eigentlich immer seinen Dienst versieht. Der Grund war wohl, dass Steve Cunningham glaubte, in seinem ersten Kampf gegen Yoan Pablo Hernandez am 01.10.2011 hätte Dr. Wagner zu sehr in den Kampf eingegriffen.
Wir erinnern uns: Hernandez erlitt in der dritten Runde nach einem Zusammenstoß eine stark blutende Cutverletzung am Haaransatz. Am Ende der sechsten Runde kam es zu einem weiteren Zusammenstoß, durch den sich ein Cut an Hernandez’ rechter Augenbraue öffnete. Auf Anraten von Wagner wurde der Kampf von Ringrichter Mickey Vann gestoppt. Die Punktrichter entschieden für den Sauerland Boxer Hernandez. Cunningham wiederum glaubte, dass der Cut keinen Abbruch gerechtfertigt hätte. Seltsam war schon, dass vor, bei und nach der Urteilsverkündung kein Tropfen Blut zu sehen war.
Damit wären wir bei meinem Grundproblem der Beurteilung der Leistungen von Ringärzten angekommen. Ich bin kein Mediziner. Ärzten ist man in der Regel hilflos ausgeliefert, daher nennt man sie wohl auch Götter in Weiß und man hofft darauf, dass sie ihren Job anständig machen.
Seinen spektakulärsten Auftritt hatte Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner am 23.09.2006 in Wetzlar. Dort kämpften Arthur Abraham und Edison Miranda gegeneinander. In der vierten Runde zog sich Abraham einen doppelten Kieferbruch zu. Sein Gesicht schwoll grotesk an und Blut quoll die restlichen Runden aus seinem Mund. Wie gesagt, ich bin kein Mediziner. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es ungefährlich ist, mit einem doppelten Kieferbruch weiter zu kämpfen.
Es gibt den Eid des Hippokrates – benannt nach dem griechischen Arzt Hippokrates von Kós (um 460 bis 370 v. Chr.) -, der als erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik gilt, an die sich Ärzte halten sollten. Obwohl der Eid des Hippokrates heute in seiner klassischen Form nicht mehr von Ärzten geleistet wird und er auch keine Rechtswirkung hat, hat er doch Einfluss auf die Formulierung moderner Alternativen. In der ursprünglichen Eidesformel heißt es: „Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.“
Um es noch einmal deutlich zu machen. Ein Arzt darf seine Fähigkeit und sein Urteil nicht zum Schaden seiner Patienten nutzen. Er darf auch nicht seine Fähigkeit und sein Urteil in „unrechter Weise anwenden“. Also Dr. Wagner würde niemals einen Boxer bevorteilen und dadurch einen Anderen benachteiligen. Vermutlich ist es reiner Zufall, dass ich mich an keinen einzigen Boxkampf erinnern kann, bei dem Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner Einfluss auf den Ausgang eines Kampfes genommen hätte in der Weise, dass der Heimboxer durch die Entscheidung von Wagner einen Kampf verloren hätte.
Dementsprechend war wohl die schon angesprochene Cutverletzung von Hernandez viel gefährlicher als der doppelte Kieferbruch von Abraham. Vermutlich hat Dr. Wagner Hernandez sogar das Leben gerettet und kein Boxer sollte ohne Kieferbruch boxen. Für mich reiht sich Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner in die Reihe der großen TV-Ärzte ein.
© Uwe Betker