von süßgräsern, sauergräsern und binsen

von süßgräsern, sauergräsern und binsenSie wachsen wirklich überall, sind äußerst genügsam und selbst wenn im Winter alles trist ist, sorgen einige von ihnen noch für frisches Grün: Unsere Gräser. Genau so heißt der neue Kosmos-Naturführer von Dietmar Aichele und Heinz-Werner Schwegler, der bereits in der 13. Auflage erscheint.

Die beiden Autoren erklären mal mehr, mal weniger (populär-)wissenschaftlich die Welt der Gräser, stellen die wichtigsten (Unterscheidungs-)Merkmale, Bau und Eigenschaften von Süß-, Sauergräsern und Binsen vor und portraitieren im Anhang die in Deutschland bekanntesten und verbreitetsten Grasarten ausführlich. Ein Quereinstieg ins Buch ist übrigens an jeder Stelle möglich.

Mehr als 750 detaillierte Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen ergänzen die Texte und machen den besonderen Reiz des Standardwerkes aus. Dazu kommen zahlreiche Farbfotos in den Grundlagen-Kapiteln, die hauptsächlich in Großaufnahme zeigen, wie  filigran sich beispielsweise typische Blütenstände unterschiedlicher Süßgräserarten zeigen oder welche Wuchsformen Sauergräser ausbilden können.

Ob Mais, Pfeifengras – das wohl tatsächlich zum Pfeifenreinigen verwendet wurde -, ob Schillergras, Gerste, Quecke oder Segge: Ein ausgeklügelter Bestimmungsschlüssel mit Farbschema soll die Einordnung in die jeweilige Gruppe erleichtern. Selbst Experten fällt es oft schwer, Gräser eindeutig zu bestimmen, deshalb sollten Laien vor allem mit blühenden Exemplaren beginnen.

Wie dicht ist der Blütenstand? Sind die Ährchen traubig, doldig oder rispig? Weisen die Halme Knoten auf oder nicht und welche Farbe haben die Spelzen? Der Merkmalkatalog der Grasfamilien ist umfangreich und komplex und jemand, der einfach nur die Gräser vor der Haustüre näher kennen lernen möchte, muss sich damit nicht en detail auskennen, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Mir macht es zum Beispiel großen Spaß, im hinteren Bestimmungsteil Seite für Seite umzublättern und die wunderbaren Farb-Zeichnungen von Reinhild Hofmann zu genießen. Sie sind für mich der schönste und gleichzeitig exakteste Bestimmungsschlüssel und was ich hier auf dem Schurwald so finde, ist mit Sicherheit abgebildet.

Trotzdem ist es natürlich hochinteressant zu erfahren, dass Süßgräser mit rund 10 000 Arten in 620 Gattungen die größte Familie im Pflanzenreich stellen, was Rhizome sind – Stichwort für alle, die sich wundern, wo im Garten manchmal Ableger einer Pflanze auftauchen können – und warum sich ein Roggenhalm extrem biegen lässt, ohne zu knicken.

Ich habe staunend erfahren, dass bei einem Bambusgras auf Kuba mehr als 30 Zentimeter Zuwachs am Tag gemessen wurden, dass eines der winzigsten Gräser eine Hirseart ist, dass die ältesten Haferfunde aus der späten Bronzezeit stammen und dass Zuckerrohr natürlich auch zu den Gräsern zählt, was mir gar nicht so bewusst war.

Ebenso erstaunlich ist die Tatsache, dass Gräser mit fast allen Standorten zurecht kommen: wir finden sie auf alpinen Matten, in arktischen Tundren, in tropischen Regenwäldern, auf Dünen am Meer, in Schilfgürteln, afrikanischen Steppen und in der südamerikanischen Pampa.

Ich werde jedenfalls ab sofort noch aufmerksamer spazieren gehen und dank seines handlichen Formats kann ich den „Grasatlas“ gleich prima mitnehmen. Die Fragen, warum abgedroschene Wahrheiten „Binsenweisheiten“ heißen und warum so manches in die Binsen gehen kann, blieben allerdings unbeantwortet. Da muss ich wohl doch bei  Google fragen…

Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler „Unsere Gräser“, 224 Seiten, Hardcover, 29 Euro 99, Kosmos Verlag


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