Jana Carpenter, die aus London nach Wien reiste und Jim Libby, der schon lang hier wohnt, gaben sich für einen „Meet the Masters“-Abend in der Gumpendorfer Straße die Ehre. Sie präsentierten ein zauberhaftes Programm, mit dem sie im Handumdrehen die Herzen ihres Publikums eroberten.
Sunrise/Sunset war der Titel, der das Szenario schon in aller Kürze umschreibt. Denn in dem Plot ging es um einen Tag von Jane, einer alleinlebenden Lehrerin mittleren Alters und Marc, der nach seiner wenig erfolgreichen Karriere bei der Navy bereits in Frühpension geschickt wurde. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang durften die Zuseherinnen und Zuseher die beiden begleiten und dabei jede Menge über sie, ihre Freunde und ihre Beziehungen erfahren.
Zauberhaft war dieser Impro-Abend deswegen, weil er keine marktschreierischen Szenen aufwies, sondern wie an einer Perlenschnur aufgefädelt, jede Menge kurze, aber feine Impressionen aufblitzen ließ, in welchen man die verschiedenen Charaktere näher kennenlernen durfte. Da gab es nicht nur Jane, die ihr Herz der Geschichtsvermittlung verschrieben hat, sondern auch einen pubertierenden Schüler von ihr. Wunderbar, wie Jim Libby diesen Dickkopf wiedergab, der nicht einsehen wollte, warum er nur eine 2+ und keine 1 auf eine Klassenarbeit bekommen hatte. Er schlüpfte aber auch in die Rolle von Janes Ex-Freund, der verbittert nach der Trennung genug von Beziehungen hat. Aber auch in Ramon, einen furchtlosen Museumswärter, der sich nicht scheute, Jane in ihrer Mittagspause bei der Betrachtung eines Rembrandts anzumachen.
Eine der grandiosesten und humorvollsten Momente – ein Rückblick auf ein Ereignis aus der Teenagerzeit von Jane und Marc – machte klar, warum die beiden gefragte Impro-Darsteller sind. Wie sich Jim Libby dabei seine imaginierten Haare aus der Stirn blies, seine Unsicherheit mit Gesten verdeutlichte, mit denen er an seinen Ohren und Haaren nestelte, wie er einen herrlich tollpatschigen Tanz mit jeder Menge „toller moves“ ablieferte – all das ergab ein Gesamtpaket von schauspielerischer Höchstleistung. Libby ist ein Komödiant durch und durch, den man gerne viel, viel öfter auf Wiens Bühnen sehen möchte.
Die Herausforderung, Publikumsideen in ihr Spiel einzubauen, meisterte Jana Carpenter bravourös. Die ersten Übungen an einer geschenkten Gitarre oder ihre Überraschung, als Marc ihr am Telefon erzählte, er hätte ihr Teenagertagebuch aufbewahrt – all das machte klar, dass es nicht nur Talent, sondern auch großer Erfahrung bedarf, um Szenen wie diese auf die Schnelle so professionell zu spielen.
Der große Spaß beim Impro-Theater ergibt sich aber auch aus der Tatsache, dass Carpenter und Libby es verstehen, Menschen aus dem Publikum fast wie nebenbei dazu zu bewegen, aus ihrem Leben zu erzählen. Sei es über das Geschenk einer Schwiegermutter, eine Halskette, die seit 20 Jahren als Talismann fungiert, sei es über eine weiße Jacke mit Schulterpolstern, die irgendwo verlegt wurde und Gewissensbisse hervorrief, weil es das Präsent einer Tante war.
Fazit: Ein höchst vergnüglicher Theaterabend, der zeigte, dass hohe Schauspielkunst nicht schwer verdaulich verpackt sein muss. Und ein Abend der Appetit auf mehr Impro-Inszenierungen machte.
Im März gibt es wieder die Möglichkeit hierzu. Näheres auf der Homepage des TAG.