Um Punkt sieben Uhr bin ich heute am Start. Und ich bin besonders motiviert, denn mich erwarten nach mehreren hügeligen Auf-und Abstiegen die umwerfenden Yorkshire Dales. Doch bevor ich da hingelange, liegen noch einige Hürden vor mir. Dieser Morgen ist nämlich verdammt neblig und ich kann bei den schummrigen Sichtverhältnissen kaum den Pfad erkennen. Dennoch, wie der Nebel da so über dem Tal hängt und ganze Landschaften einhüllt, das ist schon sagenhaft. Und passt ganz und gar zur Mystik des Nordens, in den ich nun immer tiefer vordringe.
Zunächst geht es durch Elslack Moor zu einem wichtigen Meilenstein, Pinhaw Beacon. Hier zelebriere ich ganz ungeniert meine ersten hundert Kilometer. Naja, eigentlich muss ich nur mal ganz dringend. Das ist hier draußen doch recht einfach, meint man, doch wenn einem nicht gerade die Gnitzen in den Hintern beißen, taucht mit Sicherheit hinter dem nächsten Hügel ein Spaziergänger auf oder ein knallrotes englisches Postauto fährt zweimal an dir vorüber, damit es auch richtig peinlich wird. Aber da bin ich inzwischen schon lässiger. Muss ja keiner hingucken, nich?
Die nächste Mutprobe für heute lauert beinah auf jedem Feld, das ich durchquere, und das sind viele heute. Nicht nur, dass die Farmer gerade Heuernte betreiben und der Pfad unter Tonnen von trockenem Gras verborgen bleibt, nein heute ist auch der Tag, an dem ich lernen muss, ruhig und gefasst zu bleiben. Denn ich muss mehrmals mitten durch Kuhherden hindurchtrampeln, die auf dem Pennine Way weiden. Darunter junge Stiere, die mich kampflustig anschauen und mir gleich zu fünft auf die Pelle rücken. Ich umklammere meine Pfadpfinderpfeife in der Tasche und tue so, als sähe und höre ich nichts. Das scheint zu funktionieren. Ich bleibe unversehrt.
Allerdings gerate ich wenig später in eine deftige Auseinandersetzung mit einem fast ausgewachsenen Junggaul, der meint, er müsse mir von hinten in den Rucksack beißen. Ich drehe mich prompt um und schreie ihm in bestem Yorkshire Englisch entgegen” Ey Stoooopppp!” Der Gaul gefriert auf der Stelle und ich ziehe stolz wie Oskar von dannen.
In Gargrave, dem ersten Ort mit zivilisatorischen Errungenschaften wie einem Supermarkt und mehreren Tearooms und Pubs gönne ich mir auf halber Strecke ein Eis und bin sofort von ganz Entenhausen umringt. Gestärkt und erfrischt ziehe ich weiter Richtung Malham, einem hübschen kleinen Dörfchen, umringt von mächtigen Kreidefelsen. Hier steht mein Hostel, das ich mir heute mal gönne, denn morgen kehre ich zu einem geliebten Urgetüm zurück, dessen Besteigung mir die letzte Puste rauben wird.
Im Hostel teile ich mir das Zimmer mit Sabine aus Oberbayern, die schon zum zweiten Mal versucht, den Pennine Way oder “Peenini Weg”, wie sie ihn liebevoll nennt, zu bezwingen. Sie hikt allein wie ich, ist aber wesentlich älter. Ein Wahnsinnszufall. Außerdem treffe ich ein niedliches holländisches Pärchen. Im Pub verspeise ich noch einen fettigen Burger, bevor für heute die Lichter ausgehen. Und hier die Bildchen zum heutigen Tage: