“Hand aufs Herz! Wer hat ein mulmiges Gefühl am Freitag, dem Dreizehnten?” fragt der Museumsblog des Universalmuseums Joanneum. Ich würde am liebsten aufspringen und ganz laut rufen: ich! Ich bin wahnsinnig abergläubig. Und irgendwie finde ich das garnicht mal so schlecht. Aberglaube bringt so eine “Ordnung” in das Chaos der Dinge. Gibt kleine Regeln, bei denen man absurderweise felsenfest sicher ist, dass sie stimmen müssen: kleine Spinnen bringen Geld, Salz hinter die Schulter werfen macht alles wieder gut, zu dreizeht sollte man nie zu Tisch sitzen, also lädt man noch einen ein, und solche Dinge.
Aberglaube ist ja in der Gesellschaft auch dazu da, bestimmte Regeln aufzustellen: ohne etwas erklären zu müssen, folgen alle brav dem, was der Aberglaube sagt. Auch – und wohl vor allem – die Kinder, und darüber möchte ich hier berichten.
Wie ich schon zu einem anderen Blogparadenbeitrag erzählte, war ich vor einigen Jahren glücklich damit beschäftigt, in einem ländlichen, ausgedörrten Höhlenviertel in Spanien eine Recherche über das mündliche Erbe durchzuführen. Kurz: ich interviewte die Senioren des Viertels über ihre Erinnerungen: Küchenkräuter, Geheimrezepte, Arbeitswerkzeuge, Kindheit, Feiertage, Liebesleben, Frauenleben – unendlich viele Themen wurden dabei angesprochen.
Aberglaube natürlich auch.
Denn Aberglaube ist so eine Sache, die haftet in Spanien auf jeder Hauswand, in jeder Ecke, an so vielen Gesten und Redensarten. In der Tat wurde mir während der ersten Woche nach meiner Ankunft dort rund dreimal – von drei verschiedenen Zigeunerfrauen – die Hand gelesen. ( Die Dritte traf sogar dreifach ins Schwarze, und erspähte in meiner nächsten Zukunft eine lange Reise und den Mann meines Lebens. In der Tat folgte Beides unmittelbat, erst der Mann, dann die Reise nach Argentinien, die ich zwei Monate später – auf seine Einladung – antrat. Dritte Wahrsage, die auch stimmte: ich solle doch meine Mama mal wieder anrufen. Total recht hatte sie da. Danach lief ich den Zigeunerdamen alledings erstmal eine Weile aus dem Weg.)
Aberglaube traf ich also auch bei meinen Interviews für das “Archivo Sonoro del Sacromonte” , vor allem in den Kindheitserinnerungen von Doña Marina, der wahrscheinlich liebenswerteste Dame der Welt.
Ich (für sie eine vollkommene Unbekannte, die da eines morgens bei ihr antanzte) bekam eine umfangreiche Auswahl an frittierten und klebrig glasierten spanischen Kaffeegebäckstückchen vorgesetzt, meine Kaffeetasse mehrmals aufgefüllt, und lauschte derweil gespannt der Erzählung Marinas.
zum Download<< Die Gutenachtgeschichten, als wir ins Bett gingen, waren schrecklich. Weil schau, die Geschichte war so:
“Kommt, wir gehen ins Bett.” Und wir gingen ins Bett. Und so war die Geschichte:
“Er kommt die erste Stufe herauf…” “Ahi, Mamita, meine Mamita, wer ist das bloß?”
“Sei still, sei still, mein Kind, er wird schon gehen!”
“Er kommt die zweite Stufe herauf…” “Ahi, Mamita, meine Mamita, wer ist das bloß?”
“Sei still, sei ruhig, mein Kind, er wird schon gehen!”
“Ich komme die dritte Stufe herauf…”
… das war die Gutenachtgeschichte! Zum Einschlafen! Zu Tode erschrocken sollten wir einschlafen! Uns nichtmal bewegen, aus dem Bett! Weil das war die Geschichte, eine solche Geschichte, oder sowas ähnliches, alles so in der Richtung! Nicht so wie heute, dass man den Kindern erzählt…
Und dann, wenn wir Läuse hatten – denn wir hatten Läuse, viele! Früher, da sagten wir “piejos”. Jetzt sagen wir “piojos”, denn wir sind ja jetzt gebildeter, nicht wahr? Dann sagten sie zu uns: “Komm, ich muss Dir die Läuse herausnehmen, sonst ziehen sie dich zum Fluss! ” Und wir glaubten uns das, dass die Läuse uns an den Zöpfen packten und uns so bis zum Fluss zogen, also blieben wir ganz ruhig und still, weil wir ja dachten, dass uns die Läuse direkt zum Fluss zogen, an den Haaren!
Das ist krass? Das war so, weißt Du, Kind? Und so blieben wir ganz ruhig damit sie an uns tun und machen und hantieren konnten…
Und dann gab es noch den Mann mit dem Sack, wenn der kam, dann konntest Du Dich nicht bewegen, aus dem Haus, oder vom Vorplatz. Weil der Mann mit dem Sack das war ein Mann, der kam, und der nahm Dich mit und holte aus Dir das von drinnen heraus, weißt Du, der holte alles aus Dir raus, den Schmalz [die Gedärme] … Der Mann mit dem Sack, der Dir den Schmalz rausholt! Also gingst Du nicht weg dort wo Du warst, wo Dich die Nachbarinnen sehen konnten, weil damals lebte man, wie… weißt Du, das heutzutage, das ist kein Leben mehr. Das was es jetzt gibt, das ist eigentlich kein Leben.
Damals, das war Leben, auch wenn es Angst machte. Aber es war Leben! >>
Ja, da haben wir wohl die Kehrseite der Medaille: ein Aberglaube, der durch Furcht einflößen und das Einsetzen von grausamen “Fabelwesen” erreicht, dass die Kinder tun, was man möchte. Ich nehme mal an, dass die spanische Erziehung heutzutage etwas anders mit den Kleinen umgeht. Trotzdem sagt es uns Marina, auch wenn es Angst machte, war es Leben, mehr als heute. So ist es ja letzendlich immer. Früher war alles besser, auch der Aberglaube.
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