Von Gewinnern und Verlierern. Wie wir unsere Kinder erziehen.

Dieses Wochenende stieß ich emotional an Grenzen.
Normalerweise prallen Stammtisch-Diskussionen an mir ab. Zu wenig Tiefgang, zuviele Phrasen, zu wenig Ernsthaftigkeit.
Doch manchmal kannst du dir kein dickes Fell zulegen. Da trifft dich etwas bis ins Innerste und du musst erst einmal herausfinden, warum.

Von Gewinnern und Verlierern

In Sachsen wünschen sich viele Eltern ein längeres gemeinsames Lernen in der Grundschule, wie eine Umfrage ergab.
So schreibt dazu die Sächsische Zeitung 2017:

Knapp zwei Drittel (64 Prozent) lehnten die bislang übliche Aufteilung der Kinder nach Klasse vier (Grundschule) ab. 31 Prozent halten die frühe Differenzierung für richtig, der Rest hielt sich bedeckt. Von den anderen wünscht sich gut die Hälfte (51 Prozent) das gemeinsame Lernen bis zur 8. Klasse - so wie es in der DDR Praxis war. Je 24 Prozent wollen das bis zur 6. beziehungsweise bis zur 10. Klasse.

Auch über die Art und Weise der Veränderung gibt es klare Vorstellungen:

Drei Viertel der Menschen sind zudem der Ansicht, dass es zu dem Thema einen Volksentscheid geben soll. „Eine einzige Partei, die CDU, ist dem längeren gemeinsamen Lernen im Weg. Diese Blockade durch einen Volksentscheid aufzulösen, wäre ein vernünftiger Weg", sagte Linke-Politikerin Cornelia Falken.
Jetzt sei die Zeit für eine gemeinsame Initiative quer durch alles Gruppen gekommen. In der Umfrage sprachen sich zudem 66 Prozent für die Einführung einer Gemeinschaftsschule mit Oberschule und Gymnasium unter einem Dach aus.

Quelle: Link zum Artikel SZ-Online 28.07.2017

Genau so sehe ich das auch und freue mich, dass ich damit nicht alleine da stehe.
Trotzdem ist es quasi unmöglich, an dieser frühen Trennung etwas zu ändern.
Weil die CDU es eben nicht will und genau das sollte im Übrigen schnellstens geändert werden. Ich möchte nämlich nicht wissen, wie dass unter der AfD läuft und habe gar keine Lust darauf, es zu erfahren.
Was ich nicht begreifen kann, ist, dass eine einzige Partei über etwas entscheidet, was vorrangig ein Elternthema ist.
Der Staat sollte niemals soviel Einfluss auf seine Bewohner haben dürfen, dass Eltern die Mitsprache über ihre Kinder verlieren! #meinemeinung

Nun aber zurück zu meiner erlebten Stammtischdiskussion am Wochenende.

Ich empfinde eine so frühe Trennung der Kinder für das Lernen kontraproduktiv. Kinder schließen gerade in den ersten Jahren intensive Freundschaften, die sehr wichtig sind für die Entwicklung einer sozialen Kompetenz und das Herausbilden von Teamfähigkeit.
Mein Kind soll nicht zu einem Egoisten herangezogen werden, der nur danach strebt, der "Beste" zu sein. Wettbewerb ist auch immer Vergleich und wer so früh nach Gut und Schlecht sortiert und getrennt wird, der hat dann später wahrscheinlich so ein Weltbild wie dieses:

Die leistungsschwachen ziehen die leistungstarken Schüler hinunter

So wurde es mir von einem jungen, studierenden Menschen erklärt und nahe gebracht. Das hat mich sehr getroffen, es klingt so dermaßen nach Leistungsgesellschaft, dass ich keine Worte fand. Die Person ist wirklich nett, jedoch hier gehen unsere Meinungen sehr weit auseinander. Jedoch nicht nur das, wir sind altersmäßig gut zwanzig Jahre auseinander. Es gibt zwischen uns offensichtlich andere Erfahrungen, vollkommen andere Sozialisierung und Prägung und ein anderes Weltbild.
Und nein, es ist definitiv nicht so wie argumentiert: Leistungsstarke und leistungsschwache Schüler lassen sich in einer vierten Klasse genauso wenig als "homogene" Gruppe festlegen wie in einer neunten Klasse.
Denn wir Menschen haben verschiedene Schwächen und Stärken, die sich in verschiedenem Alter aus - oder auch zurückbilden. Ein Auf und ab, hoch und runter. Deshalb kann es passieren, dass jemand, der die ersten Jahre nur mittelmäßig "leistungsstark" war, plötzlich wie ein Rakete nach oben schießt. Außer der Lernkompetenz gibt es schließlich auch Reife. Die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit, in der Schule "gut" zu sein, ist eine absolute Charakterfrage.
Außerdem ist es eine Sache des Selbstbewusstseins. Da spielen sogar noch einige Faktoren mehr mit.

Inklusion? Nicht auch noch!

Wenn wir so an die Sache herangehen, dass leistungsschwächere Schüler auf eine für sie angebrachte Schule gehen sollen (mit 10 Jahren in Sachsen!!!) brauchen wir über Inklusion nicht einmal nachdenken.
Ich nehme aber stark an, dass das dann auch nicht wirklich gewollt ist.
Es gibt nicht "den" leistungsschwachen Schüler, und schon gar nicht können wir uns bei 10-Jährigen darauf festlegen, ob sie "schlau" oder "nicht schlau" sind. Kinder befinden sich in einer stetigen Entwicklung und das weitaus länger, als bis sie zehn Jahre alt sind. Im Übrigen gilt das auch gar nicht nur für Kinder, sondern ein Leben lang - also auch für Erwachsene.
Es gibt Kinder, die sehr kreativ sind, im Schulalltag jedoch nicht so gut "funktionieren". Es gibt auch Erwachsene, die nicht so gut "funktionieren" in unserem ausgeklügelten System von Leistungsdruck und Perfektion.
Dann haben wir die hochbegabten Kinder, die aufgrund ständigem Nachfragens und Durchdenkens in dem simplen Stoff nicht hinterher kommen. Ich schildere euch jetzt mal nicht, was aus diesen Kindern wird, wenn sie erwachsen sind.
Wir haben Kinder, die noch sehr verspielt sind und sich nicht so gut konzentrieren können. Das Kinder spielen, ist dabei übrigens durchaus normal.
Kinder, die in der zweiten Klasse davon reden, später mal erfolgreich im Job zu sein, sind für mich persönlich gruseliger als Kinder, die schlammverschmiert durch den Flur stapfen, ohne mit einem Wimpernzuckern an die Hausaufgabe "für morgen" gedacht zu haben.

Der kreative Mensch und die Gewinnerlüge

Es gibt Sportskanonen, kleine Künstler, Märchenerzähler, Deutsch-Asse, Bastelkönige, Naturliebhaber, Mathe-Genies und Supersänger. Wir haben eine geballte Ladung Potential an unseren Grundschulen und dürfen die Kinder nicht in einem so jungen Alter bereits selektieren und sortieren. Es ist eine Schande. Das darf einfach nicht sein.
Außerdem sind Studenten später oft nicht schlauer, sondern gut finanziert.
Seid nicht böse, liebe Studenten. Ich kenne so viele junge, schlaue und engagierte junge Menschen, die wahnsinnig viel drauf haben.
Deshalb möchte ich auf keinen Fall den Eindruck erwecken, gegen alle Studenten zu wettern.
Doch wir benötigen keine Super-Elite, die der Meinung ist, es nach oben geschafft zu haben, weil sie schlauer als andere sind. Es stimmt ganz einfach nicht.
Das Studium sollte eigentlich nicht als Status-Symbol dienen, denn Status, Geld, "Bildungsniveau" und Studium haben ungefähr soviel miteinander gemeinsam wie ne Kuh mitm Pferd.
Längst nicht jeder, der studiert, ist sehr viel schlauer als ein Hauptschüler. Nicht jeder Hauptschüler ist "zu doof" zum Studieren. Das ist hahnebüchener Quatsch hoch drei, Menschen in solche Schubladen quetschen zu wollen!
Jeder, der eine Menge Lebenserfahrung sammeln konnte und in den Genuss kam, viele Lebensgeschichten anderer Menschen kennenzulernen, wird meine Aussage bestätigen können.
Diese Vorurteile gehören endlich abgeschafft.
Echte - also wirklich schlaue - Studenten wissen das auch- jedenfalls die, mit denen ich so zu tun hatte. Allerdings sind die in meinem Alter und nun natürlich auch keine Studenten mehr, sondern Ärzte, Marketingspezialisten, Journalisten oder Pädagogen.

Ich habe das alles hier aufgeschrieben, weil ich an dem besagten Tag zu besagter Diskussion nicht zu Wort kam und nicht kommen wollte. Feiern sind nicht der richtige Ort, um über so eine wichtige Sache ernsthaft zu diskutieren.
Am meisten hat mich jedoch schockiert, dass ein älterer Mensch, vor dem ich immer den Hut gezogen habe wegen seiner sozialen Einstellung, dass dieser Mensch an dem Tag mit der blutjungen Studentin einer Meinung war.
Das geht mir alles immer noch sehr nah und ich muss es erst einmal verdauen.

Wir reden über uns, unsere Gesellschaft, in der wir leben und unsere Kinder!

Ich schreibe zu diesem Thema gewiss noch öfter. Es piekst mich dermaßen, weil ich sehr sozial eingestellt bin. Außerdem haben wir unser Kind, die mit zu den Klassenbesten zählt und trotzdem an dieser "Gewinner"forderung scheitern wird. Sie ist sehr schlau, jedoch leidet sie an selektivem Mutismus.Wer aber nicht mit Lehrern redet, hat schlechte Chancen, später weiter zu kommen. Die mündlichen Noten werden den Notendurchschnitt nach unten ziehen. Inklusion wird ja hier in Sachsen nicht sehr groß geschrieben. In unserem Fall mussten wir sonderpädagogischen Förderbedarf beantragen. Nun gilt sie - ein völlig gesundes, schlaues und kreatives, fröhliches Kind - als "behindert."
Weil es heutzutage ein social skill ist, sich verbal gut artikulieren zu können und die Schulen dies auch vermitteln sollen! Das ist doch krank.
Somit gehört sie zu welcher Art von Schüler? In menschliche Kategorien sortieren hilft keinem wirklich und ist absolut an der Realität vorbei!

Das heutige Schulsystem ist viel zu starr und im Schwarz-Weiss-Denken verankert.

Und - bist du gut oder schlecht?
Ich bin von jedem was.
Fachoberschulreife, kein Studium, zwei Ausbildungen, eine schwere Darmerkrankung ( Morbus Crohn), Selbstständigkeit als Werbetexterin für den Zuverdienst zur Erwerbsminderungsrente. Alles in allem bin ich ja dann auch nicht in Stuss-Schubladen zu pressen.

Will ich auch gar nicht! Ich bin stolz darauf, das Talent zu besitzen, mir über andere Menschen Gedanken zu machen!
Ich kann jedem nur ans Herz legen, sich ein wenig mehr um andere zu kümmern und wenn es nur gedanklich ist. Diese Ansicht gebe ich auch an mein Kind weiter und hoffe, dass sie es genauso sieht.

Denn immerhin leben wir alle in einer Gesellschaft. Unserer Gesellschaft. Es gibt eine gegenseitige Verantwortung. Das scheinen so manche Bewohner dieses Landes vergessen zu haben.

Und das deutsche Schulsystem in seiner jetzigen Form gehört abgeschafft. (OECD- Wirschaftsbericht von 2008!!!)

Die größten Wirtschaftsnationen der Welt haben ihr OECD-Partnerland Deutschland zu umfassenden Bildungsreformen aufgefordert. Zur Verbesserung des Fachkräftenachwuchses sollten künftig alle Haupt- und Realschulen zusammengelegt werden. Weiterlesen...

Viele Grüße mit einem leichten Bauchkneifen und sorgenvollem Grummeln in der Magengegend,
Von Gewinnern und Verlierern. Wie wir unsere Kinder erziehen.

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