Von Fledermausohren und vermutlich genetisch determinierten Aufräumblockaden.

Von Berit Andersen

Der erste und wichtigste Raum, den eine Mutter auskundschaftet, wenn sie auf neues Terrain stößt, ist das Stille Örtchen.

Dabei geht es nicht nur m die Verkürzung der im Fall der Fälle knapp bemessenen Zeit, die dem Mutter-Kind-Gespann zur Verfügung steht, um auf den Topp zu gelangen, nein, es geht auch um die freie Verfügbarkeit lebenswichtiger Utensilien, wie beispielsweise in Wasser getränkte Trockentücher zur Reinigung der Jogurt-Frühstücksschnute oder von Abfallbehältern zur Entsorgung des Zähneputzen-nicht-geschafft-dann-eben-Zahnpflege-Kaugummis.

Wenn all dies erledigt ist, muss nur noch das Shirt von Zwilling II um 180° gedreht werden, damit es den Ansprüchen der Gesellschaft Genüge tun kann. Keine Minute zu früh, da waren wir auch schon dran, heute morgen, um halb 8 in der Pädaudiologie.

Wir erinnern uns an die Terminvergabe, die im MÄRZ stattfand.

Die Logopädin war langhaarig, blond und nett und bot uns sogar an, dass Sohni seinen Jogurt noch aufessen durfte, bevor sie sein Sprachvermögen testete.

Zeitgleich verschwand Maxe mit einem jungen Herrn in Weiß zum Hörtest in der Camera silenta – ohne Mama. Nach der Erfahrung vom letzten Samstag, wo er während eines Kinderfestes per Megaphone ausgerufen wurde (“Hier ist ein kleiner Junge, er heißt Max-Frederik und ist vier Jahre alt!”) fand ich seine Unbesorgtheit, nun, sagen wir: erstaunlich. Vielleicht erinnerte er sich an das freudige Ende unserer Trennung in den Menschenmassen, als die Umstehenden applaudierten, während wir uns wieder in die Arme schlossen. Außerdem gab es Gummibärchen für das verlorene Kind.

Zurück zum Hörtest. Max-Frederik hört schonmal wie eine Fledermaus.

Meine Einwände, er höre fast nie, wenn ich “AUFRÄUMEN!” oder “REINKOMMEN! ESSEN FASSEN!” brüllte, ließ die HNO-Ärzten nicht gelten. Vermutlich ist das eine genetische Veranlagung, die bei allen Menschenkindern auftritt.

Als Sohni zum Hörtest abgeholt wurde, verwirrte er den jungen Mann mit seinen “Wieso denn?”-Fragen.

“Das fragt er immer”, erklärte ich dem HNO-Assistenten.

Bei Sohni sollte ich allerdings mitkommen, der kleine Zauderer wollte doch die Mama im Hintergrund haben. Maxe blieb, potzblitz, schon wieder allein. Was Plastikparkhäuser doch alles bewirken können.

“Jetzt darfst du dich hier hin setzen”, erklärte der junge Mann Sohni mit Tonbandstimme.

“Wieso denn?” gab das Kind von sich.

“Ich will mal schauen, ob du gut hören kannst.”

“Wieso denn?”

Der junge Mann biss in die Tischplatte.

Nachdem alles Sprachverständnis, Grammatik, Lautbildung, Ohren und Mundmotorik überprüft worden waren, kamen wir zum Höhepunkt unseres Besuches in der Pädaudiologie. Halb 10 in Deutschland. Die Mutter mit ihren Zwillingen betritt das Ärztezimmer.

Es war ein kurzer Höhepunkt. Ich erfuhr, was ich schon weiss. Bei Maxe hapert es an der Grammatik, Sohni nuschelt, die Ohren sind top, alle vier.

Und wir sollen in neun Monaten wiederkommen.

“Warum?” erkundigte ich mich erstaunt.

“Nur wenn Sie wollen. Wenn Sie sich bestens versorgt fühlen, müssen Sie  nicht.”

Wie gut, dass ich gefragt habe.

Die Augenärztin will ja auch, dass wir alle halbe Jahr wiederkommen, um ihre 80 Euro zu kassieren, weil die Kasse die ja so notwändige Untersuchung bei Ex-Frühchen nicht bezahlt. Das habe ich dann mal dezent auslaufen lassen.

Übrigens hat meine Idee, die Kinder durch den Geruch von ofenfrischen Kroketten eine Stunde früher als gewöhnlich aus den Betten zu locken, nicht geklappt. Wie gut, dass es Jogurt mit der Ecke gibt. Kann man schnell in die Verpflegungstasche stecken.