Von Entwicklungsländern in die Pfanne gehauen

Klaus Ernst findet den UN-Bericht, der Deutschland arge soziale Schieflage attestiert, beschämend. Beschämend ist allerdings ebenfalls, wie sich manches deutsche Blatt dazu äußert und versucht, den sozialen Standort Deutschland aufzupolieren.

Geschenkt, dass der Stern den Experten des UN-Ausschusses, die aus Entwicklungsländern stammen, unterstellt, sie hätten diebische Freude daran, die Industrienationen in die Pfanne zu hauen. Denn erfahrungsgemäß genießen Experten in deutschen Leitmedien nur dann ordentliche Reputation, wenn sie aus dem rechtslastigen oder konservativen Lager stammen. Erschreckender ist da schon eher, mit welchen Ausreden der UN-Bericht abgebügelt wird. Dieser sei veraltet, aus der Mottenkiste gar, weil er bestimmte Entwicklungen der letzten Jahre nicht berücksichtigt hat. Und man fragt sich unwillkürlich: Was hat sich für Hilfebedürftige denn in der letzten Zeit so dramatisch verändert?

Die Antwort ist denkbar einfach: Bildungspaket und Hartz IV-Erhöhung! Das sind ganz ernsthaft die beiden Indikatoren, die den UN-Bericht und die Schelte am deutschen Sozialwesen enthebeln sollen? Eine finanzielle "Besserstellung" um fünf Euro und ein Konzept, dass Kinder von Leistungsberechtigten, vor Schulen und Vereinen bloßstellt und sie vor der Gesellschaft brandmarkt? Eine lachhafte Anpassung der Bezüge wider aller Einwände diverser Sozialverbände und ein diskriminierender Ansatz zur kindlichen Teilhabe? Beides hat nichts verbessert, eher verschlechtert. Die Regelsätze gelten nun als durchgerechnet und dürften zunächst unantastbar sein - und Kinder, die den Segnungen des Bildungspaketes ausgeliefert sind, haben gleichen einem Rind, einen gut sichtbaren Stempel in Stirn gebrannt.

Es ist unglaublich, mit welchem Schmu der Stern versucht, den UN-Bericht zu entkräften. Im Grunde hätte er auch schreiben können, dass die Ungerechtigkeiten im hiesigen Sozialwesen wesentlich weniger drastisch sind, als der Bericht es darlegt, weil alle Mitarbeiter des Stern regelmäßig fünfzig Cent in die Hüte diverser Bettler wirft, die vor dem Verlagshaus Gruner & Jahr hocken und um milde Gaben bitten. Überhaupt: Gruner & Jahr! Ein Unternehmen der Bertelsmann Media Group! Zufall, dass Bertelsmann eine mal stille, mal etwas lautere mitwirkende Kraft bei der Umgestaltung des Sozialwesens war?

Ärmeren Menschen - der Stern schreibt "sozial Schwache" - gehe es im internationalen Vergleich hierzulande relativ gut. Das kann, rein die finanziellen Aspekte abwägend, sogar stimmen. Unerwähnt bleibt dabei aber, dass a) die finanzielle Höhe einer Sozialleistung nichts über die Lebensqualität aussagt und b) diese finanzielle Höhe nur ein Aspekt der Lebensqualität ist. Anders gesagt, mit der Hälfte des hiesigen Regelsatzes mag man in Süditalien einigermaßen leben können. Und die staatliche Zuwendung alleine ist nicht das, was Lebensqualität ausmacht. Bekämen Erwerbslose hierzulande fünfhundert Euro als Regelsatz überwiesen, lebten aber weiterhin in diesem Klima sozialer Ausgrenzung, angestachelt durch Politik, Wirtschaft und deren Steigbügelhalter aus der Presse, so wäre vielleicht das Bankkonto genesen, nicht aber die seelischen Narben des Betroffenen. Seine Befindlichkeit im Angesicht der Gesellschaft wäre dieselbe. Man kann so gesehen auch in Süditalien bei niedrigeren Bezügen arbeitslos sein, dennoch "glücklicher" leben. Das soziale Klima dort, stark durch Familie, Nachbarn und Freunde und durch die "anarchistische" Bereitschaft, elitäre Maximen nicht unbedingt nachzubeten, bewirkt, dass sich der Betroffene nicht wie der letzte Dreck fühlen muß. Nochmal anders gesagt, in Deutschland scheint nur die finanzielle Komponente über soziale Gerechtigkeit befinden zu dürfen, während das Zwischenmenschliche keinerlei Maßstab zu sein scheint.

Zeitmangel war es, der Deutschland so schlecht abschneiden ließ. Man traut sich wirklich, den Experten anzuraten, mit etwas mehr Zeit Deutschland zu studieren, dann würden sie erkennen, es ist wirklich alles Gold was glänzt. Wenn sie mit viel Zeit nach Deutschland blickten, vielleicht würden sie dann auch erkennen, dass das deutsche Sozialwesen ein Produkt großer Interessensdynastien ist, allen voran der Bertelsmänner und -frauen, die den Stern für sie marschieren lassen.


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