Eine besonders kurze Geschichte der politisch konservativen Freiheit.
Edund Burke, der gegen die "Gleichmacherei" der Französischen Revolutionäre anschrieb, gilt heute als der Vater des politischen Konservatismus. Joachim Gauck, der sich die Aura eines Liberalen zugelegt hat, ist sein Urenkel. Ein kurzer Blick auf die Quintessenz von Burkes Werk verdeutlicht das. Auch er predigte Freiheit und meinte etwas ganz anderes damit.
I. Edmund Burke (1729 - 1797)
Gesellschaft war für Burke eine organisch gewachsene Ordnung, die nicht auf Vernunftprinzipien beruhe, sondern auf "the spirit of the gentleman" und "the spirit of religion". Wahre Freiheit ist die Freiheit zu tun, was sich zu tun gehört. Oder mit den Worten Burkes: "Wahre Freiheit ist die Freiheit, sich unter die Regeln zu fügen." Freiheit ist überdies, sich in Traditionen und Institutionen einzufügen. Der Bruch mit ihnen ist nicht freiheitliche Handlung, denn sie sind organisch gewachsen und daher nicht einfach zu amputieren.
Burke sah in den unteren Ständen keine richtigen Menschen. Er nannte sie "instrumentum vocale", Werkzeuge mit einer Stimme, die nicht viel wertvoller seien als das "instrumentum mutum", das stumme Werkzeug, also etwa ein Pflug oder ein Eimer. Seine "strukturierte Ordnung", beschreibt er so: "Das Tier ist für den Pflug und den Wagen, die es bewegt, das beseelende Prinzip; der Landarbeiter führt das Tier seiner Arbeit zu; und der denkende Bauer fungiert als leitendes Prinzip für den einfachen Landarbeiter. Diese Ordnungskette wo auch immer unterbrechen zu wollen wäre absurd."
Jeder hat seinen Platz. Und jeder sollte diesen Platz kennen. Das ist die natürliche Ordnung der Dinge, in der sich Freiheit entfalten können sollte. In der Französischen Revolution sah er einen Affront gegen dieses natürliche Konzept. Das müsse aber in einer Katastrophe enden - und mit Freiheit hat es nichts mehr zu tun. "Wenn die Masse nicht unter den disziplinarischen Vorgaben der Weisen, Befähigten und Reichen steht, so kann man schwerlich davon sprechen, dass sie in einer zivilisierten Gesellschaft lebt." Ganz offensichtlich ängstigte sich Burke vor der Demokratie. Über die Pariser Sansculotten schrieb er überdies: "Diese Art von Menschen hat nicht unter der Unterdrückung des Staates zu leiden, sondern der Staat würde in Niedergang geraten, wenn es solchen Leuten ob einzeln oder gemeinsam gestattet wäre, zu lenken oder zu verwalten."
II. Konservatismus und Freiheit
"Die Konservativen haben immer nur um Freiheit für die höheren sozialen Schichten und um Freiheitsbeschneidungen für die unteren sozialen Schichten gefochten", schreibt Corey Robin in seinem Buch The Reactionary Mind. Daher findet der Freiheitsbegriff bei Konservativen immer nur im engen Rahmen statt. In einer gottgewollten Ordnung, einem gewachsenen Organismus oder ähnlichen Denkkonstrukten und stets basierend auf Traditionen, die daraus sprossen.
Georg Kreisler singt in Meine Freiheit, deine Freiheit, dass Freiheit "was anderes als Zügellosigkeit" sei. "Freiheit heißt auch Fleiß, Männlichkeit und Schweiß." Man müsste im Sinne Burkes ergänzen, dass Freiheit auch bedeute, seinen Platz in der Welt zu kennen. Und davon handelt Kreislers Liedtext dann auch. Er hat einen sehr intelligenten Text über die politisch konservative Freiheit geschrieben. Über einen pervertierten Begriff, der bei Orwell mit der Losung "Freiheit ist Sklaverei" beschrieben wurde.
Der politische Konservatismus führte die Freiheit immer im Mund. Er hat davor gewarnt, dass die Freiheit in Gefahr sei, wenn der Sozialismus komme. Heute sieht er sie in Gefahr, wenn linke Wirtschaftspolitik gemacht wird. Freiheit meint aber immer eine eingeschränkte - eine die nicht einfach Freiheit ist oder die sich einfach die Freiheit nimmt, dies oder das zu tun, sondern die sich an Maßgaben auszurichten hat. Es ist eine Freiheit, um die man bitten muss und auf die man auch verzichten sollte, wenn der Bitte nicht stattgegeben wird.
Man sollte Konservative, die viel von Freiheit sprechen, nicht mit Liberalen verwechseln. Auch dann nicht, wenn sie es auf Geheiß des obersten Amtes im Lande tun. Und damit wären wir, indem wir Generationen von Konservativen und ihrer Freiheitsrhetorik galant übersprungen haben, bei Burkes Urenkel.
III. Joachim Gauck (1940 - heute)
Die" [Ordnungskette] unterbrechen zu wollen wäre absurd", schrieb Burke. Gauck erklärt Demonstrationen regelmäßig für absurd. Die Demos gegen die Agenda 2010, auch Montags-Demos genannt, griff er scharf an. Später spottete er über die Lächerlichkeit der Occupy-Demonstrationen. Für ihn sind das Zusammenrottungen von Menschen, die vergessen haben, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist. Menschen, die die Ordnungskette durchbrechen wollen und das leitende Prinzip der Hierarchie, diesen Grundpfeiler der Freiheit, missachten.
Die Freiheit, die sich Edward Snowden nahm, nannte Gauck einen "puren Verrat". Nachvollziehbar für jemanden, für den Freiheit bedeutet, nur das zu tun, was zu tun sich geziemt. Snowden hat den Platz, der ihm zugeteilt wurde, verantwortungslos verlassen und die konservative Freiheit völlig falsch verstanden. Dafür gehört er natürlich bestraft. Die organische Ordnung, die die Gesellschaft ist, hat eben Geheimdienste und deren Praxen entstehen lassen. Sie sind quasi mit dem Organismus gewachsen. Burke spricht davon, dass man Fehlentwicklungen korrigieren sollte. Allerdings organisch, was so viel heißt wie: Die Herrscher sollten einsehen, dass etwas zu ändern sei. Es liegt also nicht im Ermessen einzelner Personen (Zitat Burke: "... diese Art von Menschen ..."), die Freiheit mit Zügellosigkeit verwechseln.
Gaucks kompletter Freiheitsbegriff ist keinem liberalem Konzept entsprungen, sondern Ausdruck eines bigotten Konservatismus. Freiheit verbindet er stets mit Regelwerk und "an sich halten". Nimmt sich jemand eine Freiheit heraus, rümpft er verächtlich die Nase und bewertet es als fehlgeleitete Freiheit. Er klingt wie der singende Kreisler: "Freiheit ist was anderes als Zügellosigkeit!" Und wahrlich ist seine Freiheit ganz viel "Fleiß, Männlichkeit und Schweiß". Wenn man Gaucks Ansichten zum Kriegseinsatz deutscher Soldaten im Ausland im Hinterkopf hat, dann ahnt man ganz besonders, welche Männlichkeit in seiner Interpretation von Freiheit steckt. Er würde als Pastor freilich weniger von organischer Ordnung sprechen. Für ihn ist sie eher gottgewollt.
"Wahre Freiheit ist die Freiheit, sich unter die Regeln zu fügen." Dieses Zitat von Burke ist ebenfalls die Losung des Joachim Gauck. Auch er predigt einen liberal aufgemotzten Untertanengeist. Er ist ein würdiger Nachfolger vieler konservativer "Freiheitshelden". Oswald Spengler und Ayn Rand bedienten sich bei Burke. Und George W. Bush soll ihn verehren. Gauck geht noch weiter: Er predigt ihn.
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