Zehn Jahre nach dem Tod Tausender Dotcomfirmen und der Erkenntnis, dass man Aktien nicht essen und von virtuellem Geld beim Bäcker kein Brot kaufen kann, soll also nun die Dotcom-Bubble 2.0 drohen. Wieso drohen? In den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts wurde geboren, was uns heute unentbehrlich erscheint und wahrscheinlich auch ist: Das Web für Jedermann. Die Ökonomie aber behielt auch damals ihre Gültigkeit, weshalb es eben nur für Vereinzelte gut ging: ebay, amazon, google und einige wenige andere, oft nur national tätige Erfolgsgeschichtenschreiber wie hierzulande Payback. Was sie einte, waren klare Geschäftsmodelle. Hat Facebook ein klares Geschäftsmodell? Hat LinkedIn ein klares Geschäftsmodell? Eher wohl noch als Facebook, das vieles, wenn nicht alles mit Daten seiner User unternimmt, Usern, die sich darüber allerdings kaum bewusst sind. Und wenn der eine oder andere darüber nachdenkt, fehlt ihm (oder ihr) ganz sicher die Phantasie, bis zum Ende zu denken.
Aber bis zu welchem Ende eigentlich? Dem von Facebook? Dem der Datenautonomie und -sicherheit? Gehören uns unsere Daten eigentlich noch? Können wir überhaupt noch darauf aufpassen, wie es uns empfohlen wird? Ein Blick in die AGBs bringt die Antwort auch für Nichtjuristen: Nein! Jedes Foto, jeder Satz, jede Information, die auf Facebook veröffentlicht werden, gehen – Urheberrecht hin, Datenschutz her – in das Verwertungsrecht Facebooks über. Ob das Foto den Urheber selbst zeigt oder auch andere Personen, das Recht am eigenen Bild ist längst Vergangenheit. Und mehr noch: Nicht nur das, was ins Internet gestellt wird, geht dem Zugriffsrecht des Urhebers oder Rechteinhabers verloren, jeder von uns hinterlässt zudem allein beim Spaziergang durchs Web eine Reihe von Spuren, die wiederum Datensammler wie Google erfreuen. Der Mitteilungsdrang von Twitterern und Bloggern, die Suche von Informationsjunkies und Bildungshungrigen nach Wissen und die Publizierungswut von Filmern und Fotografen können kaum groß genug werden, um die Marketingindustrie zu befriedigen. Smartphoner und Padsurfer geben mehr als Stationäruser preis von und über sich, allein, weil sie daueronline sind. Ich wünschte, ich wäre im Besitz dieser wertvollen Daten, die Facebook letztlich eben doch zu einem der teuersten Unternehmen der Welt machen.
Zurück zur Frage, ob eine Dotcom-Bubble 2.0 bevorstehen könnte. Ich sage nein. Noch sind es zu wenige Firmen, die objektiv um ein Vielfaches überbewertet sind. Und noch ist das Vertrauen, mehr noch, die Gier der Anleger nicht wieder zurück, auch wenn der Börsengang von LinkedIn eine andere Sprache zu sprechen scheint. Geht Facebook an die Börse, werden wir natürlich eine Hysterie erleben, die den Erstverkaufstag des iPad wie einen Kindergeburtstag auf dem Lande aussehen lassen werden. Doch das sind Einzelfälle. Nein, ein möglicher Dotcom-Crash macht mir keine Sorgen, er wird und kann keinen Wirtschaftstsunami auslösen. Ich sorge mich um andere Wellen. Sie bestehen aus Einsen und Nullen und malen damit sehr genaue Bilder von mir, von Ihnen, von unserem Denken, Fühlen, Handeln. Sie zeichnen unsere Wege auf und antizipieren künftige zu dem einen Zweck: um uns zu manipulieren. Außer wir sind offline. Aber offline… – geht das denn überhaupt noch? Merken Sie was? Es gab kein Dotcom-Ende, die Blase ist niemals geplatzt, weder volkswirtschaftlich (Geld geht nicht verloren!), noch philosophisch betrachtet. Sie hatte sich über uns gelegt, wir alle wurden ein Teil von ihr. Ist das gut? Ist es schlecht?