Von der Selbstoptimierung zum Hirndoping?

Von Claus Krüger @pso_ebe

Chronische Belastungen und chronischer Stress machen krank, wie viele Studien und auch mehrere Beiträge in diesem Blog belegen. Um das hinauszuzögern oder nicht spüren zu müssen und leistungsfähig zu bleiben, greifen immer mehr Menschen in Studium und Beruf zu Medikamenten zur Leistungssteigerung.

Nach Umfragen der Krankenkassen geben 5% der Erwerbstätigen und Studenten an, schon einmal Medikamente zur Leistungssteigerung eingenommen zu haben. Das belegt auch iene Studie der Universität Bielefeld an 3486 Studenten. Der SPIEGEL berichtet im Januar 2013 von 20% der Studenten, die Hirndoping betreiben. In Untersuchungen aus den USA wird ebenfalls von 20% Betroffenen unter Studenten ausgegangen.

Im Projekt FAIRUSE der Soziologischen Fakultät Bielefeld wird versucht, Studienbedingungen zu schaffen, die Hirndoping und andere Praktiken nicht notwendig machen.

Die Ziele des Hirndoping sind in der Regel, wacher, konzentrierter und leistungsfähiger zu sein, aber auch Ängste abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern.

Bei  den Substanzen, die eingenommen werden, handelt es sich in erster Linie um Amphetamine und deren Verwandte.(z.B. Ritalin*). Mache greifen auch zu illegalen Drogen. 

Die Nebenwirkungen sind “nicht ohne”: Kopfschmerzen, Unruhe, Schlafstörungen, Atemnot, Herzprobleme, eine ganze Reihe von psychischen Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Burnout) und nicht zuletzt die Abhängigkeit von den Doping-Mitteln.

Besonders anfällig für Hirndoping sind Menschen, bei denen nur Leistungen zählen. Oft haben sie immer wieder die Erfahrung gemacht, nur über ihre Leistungen wahrgenommen zu werden.Immer werden so auch Unsicherheiten und Ängste mit Leistungssteigerung überspielt.

Eine ähnliche Dynamik habe ich vor einigen Wochen bei dem Thema Selbstoptimierung unter der Überschrift: “Schöner,schlanker und gesunder. Wozu dient die Selbstoptimierung” beschrieben.

Das führt unweigerlich zu einer Spirale, die die Betroffenen dann irgendwann nicht mehr aufhalten können. Manche müssen auch die Erfahrung machen, dass die erbrachte Leistung nie genug ist, und sie nie zu Ruhe und Zufriedenheit kommen. Dann hetzen diese “Leistungsträger” von Erfolg zu Erfolg. Doch sie können diese Erfolge immer weniger geniessen, sondern müssen immer weiter, immer höher. Dann stellt sich eine Sucht nach Erfolg ein, der schon lange nicht mehr befriedigt.

Machmal ist eine Erkrankung für die Betroffenen der einzige Ausstieg ohne Gesichtsverlust. Denn auch der Ausstieg aus der Leistungsspirale macht Angst. Gut, wenn bis dahin niemand zu schaden gekommen ist (z.B. durch Verletzungen, Unfälle oder Risikoverhalten).

Spätestens dann sind professionelle Unterstützung, Beratung und Therapie notwendig.

Manchmal muss vor eine Psychotherapie erst ein körperlicher Entzug gemacht werden.

Langfristig kommen die Betroffen aber nur zurecht, wenn sie ihre Leistungsideale in Frage stellen und sich klar machen, was sie mit Leistung und Erfolg kompensieren wollten. Das geht in der Regel nur mit einfühlsamer, professioneller Therapie z.B. in einer Psychosomatischen Behandlung.